Abb. 2.4: Neues Konzept zur Berechnung der Verhältniszahlen und des Versorgungsgrades
2.3.1 Konzeptionelle Grundlagen der Neuberechnung der Verhältniszahlen
Nachdem Änderungen der BPL-RL mit dem GKV-VStG angestoßen worden waren, stellte der Gesetzgeber in kurzer Abfolge fest, dass es weiterreichende Neuordnungen für die Reform der vertragsärztlichen Kapazität und Verteilung bedarf. Mit dem im Juli 2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) beauftragte der Gesetzgeber den G-BA daher, neben demografischen Entwicklungen auch die Sozial- und Morbiditätsstruktur in der Ermittlung des Versorgungsbedarfs und der Weiterentwicklung der Verhältniszahlen zu berücksichtigen. Mehrere theoretisch begründete Modelle zur Operationalisierung des Versorgungsbedarfs, abhängig von der Morbiditäts- und Sozialstruktur, wurden aufgestellt und systematisch hinsichtlich ihrer Eigenschaften und inhaltlichen Implikationen untersucht.
Der realistischen Theorie folgend stand im Gutachten die behandelbare Morbidität im Fokus der Bedarfsschätzung. Der objektive Versorgungsbedarf positioniert in der Mitte von Abbildung 2.5 ist ein Konstrukt und als solches in seinem Wesen latent (
Abb. 2.5 Abb. 2.5: Einflussfaktoren auf den objektiven Versorgungsbedarf messbare Indikatoren behandelbarer Morbidität erschlossen, die als Bedarfsindikatoren bezeichnet werden. Die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin werden berücksichtigt, indem ihr Erkenntnisstand das Ausmaß der behandelbaren Morbidität beeinflusst und der objektive Versorgungsbedarf wiederum eine Funktion der behandelbaren Morbidität ist. Der objektive Versorgungsbedarf führt schließlich zur Inanspruchnahme von Leistungen. Für die Bewertung der Ansätze zur Operationalisierung des Versorgungsbedarfs wurden Kriterien aufgestellt, die sich einerseits aus den Zusammenhängen des Modells in der Abbildung 5 ableiten und sich andererseits aus den praktischen Erfordernissen der Bedarfsplanung ergeben. Ein zentrales Kriterium ist, dass die empirische Größe, die sich aus der Operationalisierung des Versorgungsbedarfs ergibt, einen inhaltlichen Bezug zu dem für die Erfüllung des Versorgungsauftrags durchschnittlich erforderlichen Zeitaufwandes eines Vertragsarztes haben sollte. Die mit der Modellierung verbundenen Entscheidungen bei der Auswahl und Quantifizierung der Bedarfsindikatoren, der Wahl der Datengrundlagen und der konkreten Modellierung wurden zudem möglichst nachvollziehbar und entlang zuvor aufgestellter Kriterien getroffen. Diese Auswahl entspricht den rechtlichen Vorgaben, nach denen die Entscheidungen der Planungsträger innerhalb des durch die Verfassung und des SGB V gezogenen Rahmens auf allgemeinen und aussagekräftigen Kriterien beruhen müssen, deren Anwendung konsequent und widerspruchsfrei erfolgt sowie nachvollziehbar und plausibel zu begründen ist ( Tab. 2.1 ).
).
Der Versorgungsbedarf kann somit nicht direkt gemessen werden, sondern wird durch

Abb. 2.5: Einflussfaktoren auf den objektiven Versorgungsbedarf
messbare Indikatoren behandelbarer Morbidität erschlossen, die als Bedarfsindikatoren bezeichnet werden. Die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin werden berücksichtigt, indem ihr Erkenntnisstand das Ausmaß der behandelbaren Morbidität beeinflusst und der objektive Versorgungsbedarf wiederum eine Funktion der behandelbaren Morbidität ist. Der objektive Versorgungsbedarf führt schließlich zur Inanspruchnahme von Leistungen. Für die Bewertung der Ansätze zur Operationalisierung des Versorgungsbedarfs wurden Kriterien aufgestellt, die sich einerseits aus den Zusammenhängen des Modells in der Abbildung 5 ableiten und sich andererseits aus den praktischen Erfordernissen der Bedarfsplanung ergeben.
Ein zentrales Kriterium ist, dass die empirische Größe, die sich aus der Operationalisierung des Versorgungsbedarfs ergibt, einen inhaltlichen Bezug zu dem für die Erfüllung des Versorgungsauftrags durchschnittlich erforderlichen Zeitaufwandes eines Vertragsarztes haben sollte.
Die mit der Modellierung verbundenen Entscheidungen bei der Auswahl und Quantifizierung der Bedarfsindikatoren, der Wahl der Datengrundlagen und der konkreten Modellierung wurden zudem möglichst nachvollziehbar und entlang zuvor aufgestellter Kriterien getroffen. Diese Auswahl entspricht den rechtlichen Vorgaben, nach denen die Entscheidungen der Planungsträger innerhalb des durch die Verfassung und des SGB V gezogenen Rahmens auf allgemeinen und aussagekräftigen Kriterien beruhen müssen, deren Anwendung konsequent und widerspruchsfrei erfolgt sowie nachvollziehbar und plausibel zu begründen ist (
Tab. 2.1).
2.3.2 Ergebnisse der Neuberechnung der Verhältniszahlen
Für die hausärztliche und allgemeine fachärztliche Versorgung wurden morbiditätsgewichtete Verhältniszahlen auf Grundlage von Individualdaten aus dem ambulanten Abrechnungsgeschehen entwickelt. Für die spezialisierte und gesonderte fachärztliche Versorgung (mit Ausnahme der Internisten) wurden explorativ morbiditätsgewichtete Verhältniszahlen auf der Grundlage von aggregierten Daten berechnet. Das Gutachten konnte zeigen, dass eine valide Neuberechnung der Verhältniszahlen unter Berücksichtigung der arztgruppenspezifischen Morbiditätsstruktur auf Grundlage von Abrechnungsdaten auf Ebene von Individuen möglich ist. Wohlbegründet spezifizierte Modelle kommen zu
Tab. 2.1: Kriterien zur Operationalisierung des Versorgungsbedarfs
Kriterien zur Operationalisierung des Versorgungsbedarfs
ähnlichen Ergebnissen hinsichtlich der morbiditätsbedingten Gewichtung. Im Sinne einer effizienten Modellierung, die mit wenigen und gut begründeten Variablen robust den Versorgungsbedarf einer Bevölkerung approximiert, empfehlen die Gutachter die Aufnahme von Alters- und Geschlechtsgruppen, klassifizierten Krankheitsgruppen und Multimorbidität als Bedarfsindikatoren in die Modellierung. Diese Variablen erklären zu hohen Anteilen die Umverteilungseffekte und sind gemäß der aufgestellten Kriterien konzeptionell wohlfundiert. Die Koeffizienten der Years of Life Lost (YLL) und Years Lived with Disability (YLD) waren selten statistisch signifikant und trugen quantitativ kaum zur Umverteilung bei.
Die Operationalisierung des ärztlichen Versorgungsaufwands erfolgte als ärztlicher Leistungsaufwand oder als Behandlungsfälle auf Grundlage ambulanter Abrechnungsdaten. Grundsätzlicher Vorteil dieser Datengrundlage ist, dass sie auf der Grundgesamtheit gesetzlich Versicherter basiert, die Vertragsarztleistungen in Anspruch genommen haben, und hohe externe Validität aufweist. Krankheitslast und verwandte Gesundheitsprobleme werden mittels der ICD-10-GM-Klassifikation von Vertragsärzten bei Anspruch von Leistungen durch Patienten kodiert. Da im ambulanten Sektor keine allgemeingültigen Richtlinien für die Kodierung von Krankheiten existieren, muss der dokumentierende Vertragsarzt Entscheidungen innerhalb eines Ermessensspielraums treffen. Entsprechend können die kodierten Diagnosen für eine Indikation beispielsweise in Abhängigkeit von Gewohnheiten, Erfahrung und Praxis der dokumentierenden Ärzte und somit auch regional variieren. Zur Stärkung der Datengrundlage zur Berechnung bedarfsgerechter Verhältniszahlen empfehlen die Gutachter Richtlinien, welche die Kodierqualität ambulanter Diagnosen verbessern.
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