• Die Vergütung für die stationäre Behandlung wurde für kurzstationäre Aufenthalte (Verweildauer von einem oder zwei Tagen) gemäß dem DRG-Katalog 2019 (Bundesbasisfallwert: 3.544,97 €) berechnet. Die Krankenhäuser erhalten im Rahmen der dualen Finanzierung zusätzliche Mittel zur Investitionsfinanzierung. Daher wird der DRG-Fallpauschale ein Zuschlag für Investitionskosten gemäß den Investitionsbewertungsrelationen hinzugerechnet. 6 Abgezogen werden hingegen die Anteile der DRG-Fallpauschalen, die zur Deckung von Kosten für Arznei- und Sachmittel enthalten sind, denn diese Kosten sind i. d. R. auch nicht Gegenstand der EBM-Vergütungen.
• Die Vergütung für die ambulante Behandlung wurde auf Basis des EBM für das Jahr 2019 berechnet (Punktwert entspricht dem Orientierungswert in Höhe von 10,8226 Cent). Da die Höhe der Grundpauschale nach Altersgruppen variiert, wurde anhand der Altersstruktur der stationären Fälle ein gewichteter Durchschnittswert ermittelt.
Der Vergütungsvergleich zeigt, dass die stationäre Behandlung eines Patienten mit nicht schwerer kardialer Arrhythmie bei einem Krankenhausaufenthalt von einem Tag (mit keiner oder einer Übernachtung) um das 2,6-fache höher vergütet wird als die entsprechende ambulante Behandlung. Erstreckt sich der Krankenhausaufenthalt über zwei Nächte, vergrößert sich der Vergütungsabstand deutlich auf das 7-fache.
Auch die anderen, für die o. g. Studie gewählten Fallbeispiele haben gezeigt, dass die Vergütung für eine stationäre Versorgung stets höher ist als die für eine ambulante Behandlung eines entsprechenden Falles und dass die Vergütungsdifferenz mit der Dauer des Krankenhausaufenthaltes wächst. Die Höhe der Vergütungsunterschiede variiert aber teilweise deutlich je nach Erkrankung bzw. Behandlungsverfahren: Für die ausgewählten Fallbeispiele reicht sie von einer um rd. 27 % höheren DRG-Vergütung bei gastroenterologischen Erkrankungen (G67C) bei einem Tag Verweildauer bis zum 10,3-fachen bei Diabetes mellitus (K60F) mit zwei Tagen Verweildauer.
Welche Gründe haben diese teilweise sehr großen intersektoralen Vergütungsunterschiede? Eine wesentliche Ursache sind die hohen Infrastrukturkosten von Krankenhäusern: Ihr Betrieb verursacht deutlich höhere Gemeinkosten durch die Vorhaltung von räumlichen und apparativen Kapazitäten sowie von ärztlichem und nicht-ärztlichem Personal aus unterschiedlichen Disziplinen, teilweise rund um die Uhr. Dieser Umstand spiegelt sich auch im Vergütungssystem für stationäre Leistungen wider: Für die Kalkulation werden die Gemeinkosten im Rahmen einer Vollkostenrechnung auf Basis von tatsächlichen Kosten 7 als Zuschläge den DRG-Fallgruppen als Kostenträger zugeordnet. Im Unterschied zu dieser Ist-Kostenrechnung werden bei den Vergütungen gemäß EBM unterschiedliche Kostenarten als Soll-Kosten den einzelnen ambulanten Leistungen zugerechnet. Die Soll-Höhe orientiert sich u. a. an dem unterstellten Zeitbedarf für diese Leistung und resultiert teilweise aus Schätzungen, teilweise auch aus normativen Setzungen (z. B. kalkulatorischer Arztlohn). Im Ergebnis berücksichtigt das DRG-Vergütungssystem auch vorgehaltene Arbeitszeit bei fehlender Auslastung, das EBM-Vergütungssystem hingegen leistungsbezogene Norm-Arbeitszeiten (
Tab. 3.1).
Tab. 3.1: Vergütungsunterschiede stationär (DRG) und ambulant (EBM) für Fälle mit nicht schweren kardialen Arrhythmien (2019) (Quelle: IGES auf Basis der InEK-Kalkulationsgrundlagen und des EBM)
Stationär (DRG)Ambulant (EBM)1 Tag2 TageEBM-ZifferBezeichnungPunkteEuro
Darüber hinaus unterscheiden sich die Vergütungssysteme für stationäre und ambulante Leistungen in weiteren Punkten. Beide trennen zwar die Kalkulation in eine Strukturkomponente (Bewertungsrelationen bzw. Punktzahlen) und eine Niveaukomponente (Landesbasisfallwerte bzw. Punktwert), die Struktur der Vergütungspositionen folgt aber unterschiedlichen Prinzipien. Die DRG-Fallpauschalen beziehen sich auf umfassendere Leistungsbündel, die EBM-Vergütungen sind stärker einzelleistungsorientiert. Für die Anpassung des Preisniveaus gelten unterschiedliche Vorgaben und Orientierungsgrößen. Die DRG-Vergütungen werden jährlich umfassend angepasst, die EBM-Vergütungen hingegen nur partiell und anlassbezogen. Schließlich sind für die Entwicklung der Vergütungssysteme auch unterschiedliche Institutionen zuständig.
3.4 Vereinheitlichung von Vergütungssystemen als Lösung?
Wie kann den Schnittstellenproblemen an der ambulant-stationären Sektorengrenze begegnet werden? Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR-G) fordert schon seit Jahren eine umfassende Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen an der Schnittstelle ambulant/stationär zwischen den niedergelassenen (Fach-)Ärzten und den Krankenhäusern, d. h. gleiche Leistungsdefinitionen, Qualitätssicherung, Vergütung (einschließlich Investitionsfinanzierung und Vorhaltekosten), Zugangsmöglichkeiten zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, Preise veranlasster Leistungen (z. B. Arznei-/ Hilfsmittel), mengenbezogene Regulierungen sowie Versorgungsplanung (SVR-G 2018, SVR-G 2009). Speziell für die Vergütung wird gefordert, dass der Ort bzw. Sektor der Versorgung keine Unterschiede mehr begründen darf und stattdessen konsequent das Leitprinzip »gleicher Preis für gleiche Leistung« gelten müsse (Bock et al. 2017, Herr et al. 2018).
So intuitiv diese Forderungen nachvollzogen werden können, stellen sich doch einige grundlegende Fragen. Zunächst: Sollen die Rahmenbedingungen für die gesamte – bislang sektoral organisierte – Versorgung vereinheitlicht werden? Oder sollte man sich vorerst darauf konzentrieren, unter Anreizgesichtspunkten vordringlich die Vergütungsunterschiede im Schnittstellenbereich abzubauen? Falls ja: Wie bzw. nach welchen Kriterien soll dieser Schnittstellenbereich abgegrenzt werden? In der fachlichen Diskussion gibt es hierzu durchaus unterschiedliche Vorstellungen. Zu möglichen Ansatzpunkten zählen die Weiterentwicklung des AOP-Katalogs (wie von der Bundesregierung mit dem MDK-Reformgesetz geplant), der Ausbau der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) (vgl. SVR-G 2018) oder ambulante Klinikleistungen z. B. der Hochschulambulanzen oder psychiatrischen Institutsambulanzen (Leber und Wasem 2016). Andere fordern, die Vergütung wesentlich umfassender für die gesamte fachärztlich-ambulante Versorgung (Malzahn und Jacobs 2016) oder den gesamten ärztlichen Bereich (Bock et al. 2017) zu vereinheitlichen.
Wie sähe eine einheitliche Vergütungsstruktur aus, bei welcher der Ort bzw. Sektor der Versorgung keine Rolle mehr spielt? Zu klären ist, wonach die Vergütungshöhe differenziert werden soll. Das Leitprinzip »gleicher Preis für gleiche Leistung« legt nahe, dass die Leistung unabhängig vom Ort den Bezugspunkt bildet. Bei gleicher Leistung können sich aber die Aufwandsunterschiede in Abhängigkeit von den jeweiligen Patientenbedürfnissen erheblich voneinander unterscheiden, beispielsweise weil die Behandlung von Patienten mit Komorbiditäten ggf. die zusätzliche Vorhaltung von ärztlicher Expertise aus anderen Disziplinen erfordert oder weil sich bei älteren Patienten ohne (pflegerische) Unterstützung zu Hause einem ambulant durchführbaren Eingriff eine medizinische Überwachung mit stationärem Aufenthalt anschließen sollte. Zu erwarten wäre, dass die Vergütungen für unterschiedliche Leistungen zumindest teilweise deutlich weniger stark variieren als die Vergütungen für gleiche Leistungen, wenn diese nach unterschiedlichen Patientencharakteristika differenziert würden. Damit wäre vor allem dann zu rechnen, wenn eine Differenzierung nach Patientencharakteristika mittelbar die Unterschiede an notwendiger Vorhaltung stationärer Infrastruktur widerspiegelte.
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