Als Xenias Schritte auf dem sonnigen Kiesweg verklungen waren, wandte er dennoch den Kopf und blickte ihr nach.
Ein tiefer Seufzer hob seine Brust, es war, als habe der Gertenschlag sein eigen Herz getroffen, so schmerzlich zuckte es empor, so weh that es ihm.
Tief neigte er das Haupt über einen der abgeschlagenen, so grausam zerstörten Blütenzweige und blickte sinnend in die entblätternden Kelche nieder. Es war ihm plötzlich, als halte er sich sein eigen Bild vor das Auge! Ein fremdes Reis auf fremdem Stamme, von der erbarmungslosen Hand des Schicksals in junger, erster Blüte geknickt, — hineingewirbelt in das Leben.
Janek presste die Hand auf die Brust, er ward sich nicht klar über das, was darin stürmte, nur eines ahnte er wie schweren, unheilvollen Traum, auch hier in seinem Herzen war eine zarte Blütenknospe in den Staub gesunken! Dann richtete er sich resolut empor, fest und markig, wie ein Mast auf schwankem Schiff, der da weiss, dass er in Sturm und hohe Flut hinaussteuert; ein trotziger, beinah spottender Zug neigte seine Mundwinkel.
Seit jenem Tage war eine grosse Veränderung im dem Verkehr der beiden Geschwister vor sich gegangen. Jene Zärtlichkeit, mit welcher sie sich früher so oft begegnet waren, schien wie mit Zauberschlag verschwunden und vergessen. Wochenlang hatte Xenia kein Wort mit Janek gewechselt, unnahbar stand sie ihm gegenüber, der Blick ihres dunklen Auges schien ihn vernichten zu wollen.
Und Janek, dieser milde, fügsame Knabe, dessen höchste Lust es stets gewesen, jeden Wunsch von den Lippen der verhätschelten Schwester zu lesen, der keine grössere Freude kannte, als ihr dienstbar zu sein, der nie widersprochen, sich voll Engelsgeduld all ihren Launen und Unarten gefügt hatte, der nie ein hartes Wort für sie gehabt, dieser Janek war plötzlich wie ausgewechselt. — Er tyrannisierte sie, er handelte ihrem Willen entgegen, wo er nur konnte, er zahlte ihr Gleiches mit Gleichem zurück und liess es sie schmerzlich empfinden, dass er der Ältere, der Erbherr von Proczna sei.
Wie wunderlich glühte es dann in seinem lachenden Auge, wenn er sah, wie sie zähneknirschend gegen die Fessel revoltierte, welche sie sich selber in dünkelhaftem Hochmut aufgebürdet hatte.
Der Landstreicher durfte das Geheimnis seiner niederen Herkunft nicht erfahren, denn bei seinen plebejischen Gesinnungen traute sie es ihm zu, dass er aus Rache diese Schande für sie und diesen Triumph für ihn in alle Welt hinausposaunen würde. Was lag ihm daran? er war ein Graf Dynar geworden und blieb es. — Aber sie, Xenia, sie hätte es nicht ertragen, ihr altes, edles Geschlecht vor den Menschen derart entwürdigt zu sehen. Darum erlitt sie mit all der seltenen, eisernen Energie, welche ihr eigen war, lieber die Beleidigungen und täglichen Kränkungen des Verhassten, als dass sie ihren Stolz unter die Füsse getreten hätte.
Eine masslose Erbitterung erfasste sie gegen ihren Vater; sonst hatte sie täglich die Gruft der Eltern mit Blumen geschmückt, jetzt liess sie Janek allein gehen und neigte sich mit finsterem Blick noch tiefer über ihre Bücher. Sie lernte und studierte plötzlich den ganzen Tag.
Gustine versuchte es in erster Zeit, öffentlich Front gegen das Kuckucksei zu machen, und glaubte es noch mit dem alten, gutmütigen Janek zu thun zu haben. Aber sie hatte sich verrechnet. Fast entsetzt prallte die Alte von ihm zurück, als er ihr auf einen impertinenten Befehl mit einer schallenden Ohrfeige antwortete. Und als sie sich bei dem Gouverneur beklagte, und dieser ihr unziemliches Benehmen gegen den jungen Herrn noch rügte, anstatt ihr beizustehen, da sprühte sie vollends Gift und Galle.
Ihre guten Tage waren vorüber. Sie hatte die leidenschaftlichen Zornesausbrüche Xenia zu ertragen und musste sich eine Behandlung von Janek gefallen lassen, welche ihr jetzt mehr wie deutlich ihre dienende Stellung anwies.
Anstatt Bitten — Befehle. Keine andere Menschenseele wurde von Janek so schroff behandelt wie sie.
Man schwor nicht höher als wie bei ihm, ausser Xenia und Gustine gab es keine Seele im Schloss, welche ihm nicht in aufrichtigster Anhänglichkeit ergeben war.
So kam der Tag, an welchem der Erbe von Proczna für Jahre hinaus von der stillen Heimat Abschied nahm, um die Ritterakademie zu beziehen. Langsam stieg er die hohe Freitreppe des Schlosses hinab, um mit seinem Gouverneur den Reisewagen zu besteigen.
Dicht gedrängt stand das Gesinde, weinte aufrichtige Tränen und schwenkte Tücher und Hüte zum Abschied.
Kalt und teilnahmslos, mit gekreuzten Armen lehnte die Komtesse an dem Thürpfosten und musterte ihn mit schillerndem Blick. Sein Antlitz mit den feinen, etwas bleichen Zügen hatte ihr noch nie zuvor ein so herausforderndes und übermütiges Lächeln gezeigt, als wie in diesem Augenblick, wo er vor ihr stand, noch einmal den Hut von den dunklen Locken zog und ihr die Hand zum Lebewohl reichte.
Ja, er wagte es, ihr die Hand zu reichen! — Sie fühlte auf der ihren den brennenden Schmerz jenes Gertenhiebes. Fester kreuzte sie die Arme, warf das Köpfchen zurück und sagte frostig: „Adieu.“
Seine Hand sank hernieder.
„Heute verweigerst Du mir wie einem verhassten Fremdling den Handschlag,“ sagte er leise, „wenn ich Dich an dieser Stelle einst wiedersehe, bereust Du es vielleicht!“
Sie lachte scharf und spöttisch auf; Janek aber sprang mit lautem, herzlichem Lebewohl nach allen Seiten die Treppe hinab, stand aufrecht im Wagen und erwiderte so lange die Grüsse von Proczna, als sein Blick das alte, einsame Schloss erreichen konnte.
Wie eine hohe, düstere Scheidewand schoben sich die dunklen Fichtenwaldungen zwischen das Einst und Jetzt.
Vorwärts, ihr Rosse greift aus! ....
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