Jens-Peter Wilke
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Die Abbildungen stammen – sofern nicht anders angegeben – von Mike Heinßmann.
3., erweiterte und überarbeitete Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© 2004/2021 W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Umschlagbild: Feuerwehr-Doku.de
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
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ISBN 978-3-17-038618-1
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pdf: ISBN 978-3-17-038620-4
epub: ISBN 978-3-17-038621-1
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[7]Einführung
Der fast unmögliche Spagat
Sie haben es wirklich nicht leicht, die Führungskräfte der Feuerwehren. Ganz gleich, ob sie ihre Aufgabe nun ehrenamtlich oder hauptberuflich versehen: Täglich müssen sie einen fast unmöglichen Spagat üben: Sie sollen Chef sein und wollen doch auch Kamerad sein. Oft müssen sie Entscheidungen »von oben« vertreten, hinter denen sie vielleicht selbst nicht stehen und müssen womöglich dann auch noch den Frust ihrer Mitarbeiter als Folge dieser Entscheidungen aushalten. Sie haben für Ordnung und Disziplin in ihrer Wehr zu sorgen, dürfen dabei aber niemanden verschrecken, denn Personal ist unsere wichtigste Ressource, erst recht im ehrenamtlichen Bereich.
Im Einsatz tragen die Feuerwehrführungskräfte ein hohes Maß an Verantwortung, nicht nur für ihr eigenes Handeln, sondern ebenso für das der ihnen unterstellten Kameraden. Möglichkeiten, abweichendes Verhalten zu sanktionieren, stehen den Vorgesetzten im öffentlichen (Ehrenamts-)Dienst hingegen kaum zur Verfügung. Und doch stellen sich tausende von Menschen tagtäglich in ihren Feuerwehren einer solchen Herausforderung und wagen den fast unmöglichen Spagat. Trotz aller Herausforderungen kann das Führen von Menschen sehr befriedigend sein. Erst recht bei der Feuerwehr, wo nicht selten unter großer Anspannung und fast immer mit dem Faktor Zeit im Nacken Menschen in Not geholfen wird. Wie das gelingen kann, darauf versucht dieses Buch Antworten zu geben.
Führung fängt beim Führer an
Der Begriff »Führer« ist in Deutschland seit dem Dritten Reich eher negativ besetzt und wird nur noch ungern verwendet. Verständlich, aber schade, denn im Bereich der Menschen führung gibt es eigentlich keinen treffenderen Begriff. Was macht ein »Leiter«? Leiten heißt nicht unbedingt, den Weg auch mitgehen. Was macht ein »Vorgesetzter«? Vor wem sitzt er? Was ist eigentlich ein »Chef«? Der Führer führt. Das heißt, er geht voran, er hat das Ziel vor Augen und kennt den Weg. Wir vertrauen uns ihm an und wissen, dass wir unser Ziel nur durch ihn erreichen können. Der Begriff »Führer« – mag er in unserer heutigen Sprache auch noch so verpönt sein – hat nach wie vor seine Berechtigung. Es ist deshalb gut, dass wir ihn bei der Feuerwehr noch in verschiedenen Funktionen, wie beispielsweise dem Truppführer oder dem Zugführer finden, wenn auch mit aussterbender Tendenz, wie das Beispiel [8]des Wehr führers zeigt, der nun immer häufiger zum Wehr leiter wird. Doch der Begriff ist letztlich nicht entscheidend. Entscheidend ist, wie er inhaltlich ausgefüllt wird. Deshalb werde auch ich ihn, schon der besseren Lesbarkeit zu liebe, im Folgenden nicht ausschließlich verwenden. Wenn wir also mit der Leitung einer definierten Personengruppe beauftragt sind, welche einen konkreten Auftrag hat und wir verantwortlich für deren Ergebnisse zeichnen, dann sollten wir uns als Führer definieren. Die geschätzte Leserin und angehende Führerin wird an dieser Stelle gebeten, Nachsicht zu üben, dass, ebenfalls um der besseren Lesbarkeit willen, auf die jeweilige weibliche Form verzichtet wird, vielen Dank.
[9]1 Grundsätze der Menschenführung
1.1 Warum will ich führen?
Menschenführung ist eine oft unterschätzte Aufgabe. Viele halten sich für sie geeignet; den meisten wird sie auch zugetraut. Im öffentlichen Feuerwehrwesen sind Beförderungen in höhere Ämter fast immer nur mit einem Zuwachs an Führungsaufgaben verbunden. Doch tatsächlich muss ein fleißiger Mitarbeiter mit hoher Fachkompetenz nicht unbedingt auch eine gute Führungskraft sein. Will man diesen Mitarbeiter jedoch durch Beförderungen wertschätzen und motivieren, so ist dies meist nur mit einem Zuwachs an Führungsverantwortung möglich. Nicht jeder ist zum »Chef geboren«; die häufigen Folgen für die Führungskraft und für die Geführten sind dann Frust, Konflikte, Burn-outs.
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Merke: Menschenführung ist zu einem guten Stück erlernbar, sie erfordert jedoch auch ein gewisses Maß an Talent, das nicht jedem gegeben ist. |
Bevor wir eine Führungsfunktion übernehmen, sollten wir die möglichen Folgen bedenken. Als Führer heben wir uns aus dem Kreis der Kameraden, der so genannten »Basis«, ab. Wir geben jetzt Anweisungen, welche die Kameraden zu befolgen haben. Wir beurteilen ihre Leistungen und entscheiden damit über ihren weiteren Werdegang. Bei der Berufsfeuerwehr kann das manchmal existenzielle Auswirkungen haben, aber auch bei der Freiwilligen Feuerwehr wird dieses Thema meist nicht leidenschaftslos betrachtet. Wir gehören nun nicht mehr zur »Basis«. Wir werden nicht mehr in jede Angelegenheit vertrauensvoll miteinbezogen werden. Nach der simplen Schwarz-Weiß-Logik »Wir hier unten, ihr da oben« werden wir nun einer von »denen da oben« sein. Das hat auch seine Berechtigung. Distanz ist wichtig. Für unsere Nachgeordneten, aber auch für uns. Wir sind gut beraten, diese Distanz zu akzeptieren. Wir sollten stets für unsere Mitarbeiter präsent und ansprechbar sein, sollten uns dabei aber nicht mit dieser Ebene fraternisieren. Es ist nicht die an uns gestellte Aufgabe, möglichst beliebt zu sein. Wenn wir respektiert werden, haben wir unser Ziel bereits erreicht. Führen macht also einsam. Jeder, der erwägt, eine Führungsrolle zu übernehmen, sollte deshalb für sich entscheiden, ob er auch dieser »Einsamkeit« gewachsen ist.
[10]Wer führt, muss Entscheidungen treffen. Entscheiden heißt in der Praxis meist, sich zwischen mehreren Meinungen für die richtige zu entscheiden. Hinter jeder Meinung steht jedoch immer ein Mensch, der für diese Lösung eintritt. Dabei spielen keineswegs nur sachliche Erwägungen eine Rolle. Persönliche Motive, wie Vorlieben, Neigungen, Freundschaften, Privilegien oder Karrierepläne üben wesentlichen Einfluss aus. Entscheiden wir uns gegen eine Meinung, entscheiden wir uns damit auch gegen denjenigen, der diese Meinung vertritt. Selbst wenn wir diese Entscheidung rationell noch so gut begründen, wird das den Betreffenden nicht unbedingt überzeugen, angesichts der irrationalen Motive, die hinter seiner Meinung stehen können.
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