Wir werden es niemals allen recht machen können. Folglich sollten wir bei jeder Entscheidung einkalkulieren, dass wir mit unserem Entschluss einen oder mehrere Mitarbeiter empfindlich treffen können. Wenn es ganz dick kommt, haben wir vielleicht sogar die ganze Gruppe gegen uns. Dies darf uns jedoch keinesfalls in unserer Entscheidungsfreude hemmen.
Übung
Bevor wir eine Führungsaufgabe übernehmen, sollten wir uns selbst die folgenden Fragen beantworten:
Tabelle 1:
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Ja |
Nein |
Genieße ich Akzeptanz unter den Mitarbeitern? |
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Halte ich Konflikte aus? |
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Komme ich mit der »Einsamkeit des Führers« klar? |
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Kann ich einem anderen »weh tun«? |
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Kann ich jemandem in die Augen sehen, wenn ich ihm sage, dass ich mich gegen ihn entschieden habe? |
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Stehe ich auch eine Situation durch, in der sich alle gegen mich stellen? |
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Sie sollten alle Fragen mit »ja« beantworten können, wenn Sie sich entscheiden, eine Führungsaufgabe zu übernehmen.
[11]Bevor man eine Führungsaufgabe übernimmt:
Wer Führungsaufgaben übernehmen möchte, sollte sich selbst zuvor die folgenden Fragen beantworten:
Was sind meine Bedürfnisse ?
Wo will ich hin?
Welche Werte sind mir wichtig?
Wir wollen Menschen »führen«. Bei diesem Vorhaben stellt sich zu allererst einmal eine entscheidende Frage: Warum?
Zur Beantwortung dieser Fragen ist es unabdingbar, dass wir ehrlich zu uns selbst sind. Offenheit uns selbst gegenüber, also die Fähigkeit, uns und unsere Situation realistisch einzuschätzen, unsere Stärken und Schwächen zu erkennen und richtig zu bewerten, auch Misserfolge uns selbst eingestehen zu können und unser Handeln stets selbstkritisch zu hinterfragen, das ist einer der wesentlichen Schlüssel für eine erfolgreiche Menschenführung.
Gehen wir also zunächst der Frage auf den Grund: Welche unserer Bedürfnisse möchten wir erfüllt sehen, was ist unsere Motivation ? Eine höhere Funktion mit Führungsverantwortung anzustreben, wie beispielsweise die eines Gruppenführers, eines Kommandanten, eines Stadtbrandmeisters, eines Sachgebiets- oder gar eines Amtsleiters, ist zweifellos ein ehrenwertes Ziel. Welches Motiv leitet uns hier aber eigentlich, eine solche Aufgabe zu übernehmen? Warum streben wir das höhere Ehrenamt an? Auf diese Fragen werden die meisten von uns antworten, dass wir den Brandschutz in unserer Kommune fördern und einen Beitrag für eine höhere Sicherheit unserer Mitbürger leisten möchten. Das klingt gut, aber ist das wirklich unsere hauptsächliche Motivation? Auch hier sollten wir offen zu uns selbst sein und uns über unsere eigentlichen Motivationen klar werden. Diese könnten sein: Es macht uns Spaß, Menschen zu führen. Wir glauben, dass wir Menschen für ein Ziel begeistern können. Wir haben Visionen und wollen unsere Feuerwehr nach unseren Vorstellungen gestalten. Wir möchten gerne als wichtiger Bestandteil unserer Feuerwehr wahrgenommen werden. Bei Angehörigen der Berufsfeuerwehr kann natürlich auch dies ein bedeutendes Motiv sein: Wir möchten unsere persönliche Einkommenssituation verbessern.
Jedes Motiv ist erst einmal legitim. Aber rechtfertigt es unser Vorhaben? Eitelkeit und Geltungsdrang sind zum Beispiel zwar eine häufige, aber keine gute Motivation für eine Führungsaufgabe. Wenn sie die einzigen Motivationen sind, sollte man lieber [12]darauf verzichten, Menschen zu führen. Dumm nur, dass Eitelkeit und Geltungsbedürfnis die Fähigkeit zur kritischen Selbsteinschätzung stark einschränken…
Wer bei ernsthafter Selbstbefragung zu der Erkenntnis kommt, dass er eigentlich nur deshalb gerne Gruppenführer werden möchte, weil er es »chic« findet das entsprechende Dienstgradabzeichen auf seinem Ärmel zu tragen, sollte es sich selbst und seinen Kameraden ersparen, diese Funktion anzustreben. Um das Amt des Stadtbrandmeisters zu erreichen, wäre das Motiv, beim Feuerwehrfest neben dem Bürgermeister sitzen zu dürfen, genauso wenig ausreichend. Es ist allzu menschlich, die Neigung zu haben, sich gern in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn wir eine bedeutsame Rolle spielen, tut das unserem Ego gut und motiviert uns zu weiteren Höchstleistungen. Allerdings sollte unser Geltungsdrang nicht zu unserer Hauptmotivation werden und allein unser Handeln steuern. Wir dürfen uns nicht von unserem Selbstdarstellungsdrang beherrschen lassen und darüber unsere eigentlichen Aufgaben aus dem Fokus verlieren. Für eine Führungsaufgabe ist der Wille, sich zu exponieren zwar eine wesentliche Voraussetzung, aber wir sollten mit dieser Neigung stets bewusst umgehen.
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Merke: Regel Nr. 1 für Führungskräfte: Sei ehrlich zu dir selbst! |
Der Begriff »Werte« wird ja in vielen Bereichen unserer Gesellschaft gern gebraucht. Gemeint sind damit grundsätzliche Handlungs- und Verhaltensregeln für das gesellschaftliche Zusammenleben. In der Bundesrepublik Deutschland sind viele dieser Werte im Grundgesetz definiert. Weitere Gesellschaftsnormen sind abgeleitet aus den Idealen des Christentums, der französischen Revolution und der humanistischen Aufklärung, aber auch aus dem sog. »Zeitgeist«. Die vielleicht wichtigste Kernthese unseres Wertekanons ist der Schutz des Schwächeren durch die Gemeinschaft, also die Umkehr des von Darwin erkannten Prinzips der Natur, nach dem nur der Stärkste überlebt. Das Motiv, dass der Schwächere sich der Unterstützung der Gemeinschaft sicher sein kann, finden wir in unseren Bundes- und Länderverfassungen, Gesetzen, Statuten und Regeln unserer Gesellschaft wieder. Der Staat bekennt sich zur Daseinsfürsorge für den einzelnen Bürger und hat hierzu bekanntermaßen eine Vielzahl von Einrichtungen geschaffen und unterhält diese. Für Menschen, die durch [13]einen Unfall oder einen Brand in eine existenzgefährdende Lage geraten, hat die staatliche Gemeinschaft Feuerwehren eingerichtet. Wir haben uns einstmals für den haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Feuerwehr verpflichtet und sind damit, bewusst oder unbewusst, eine Verpflichtung für die soziale Gemeinschaft eingegangen. Wir akzeptieren damit nicht nur die Werte unserer Gesellschaft, wir leben sie. Den meisten von uns ist dies so in Fleisch und Blut übergegangen, dass es dem einzelnen Leser wahrscheinlich völlig überflüssig erscheint, an dieser Stelle noch einmal diese Zusammenhänge zu erwähnen. Doch leider begegnen mir in meiner täglichen Praxis bei der Feuerwehr immer wieder auch Menschen, denen diese Werte kaum etwas zu bedeuten scheinen. Vielleicht kennen Sie solche Kameraden oder Kollegen auch? Für eine Feuerwehr-Führungskraft, ganz gleich ob ehrenamtlich oder hauptberuflich, ist es jedoch unabdingbar, sich mit diesen Werten zu identifizieren. All unser Handeln und Streben sollte ausschließlich um die Frage kreisen, wie wir Menschen in akuter Not schnellstmöglich und bestmöglich, also effektiv und effizient, helfen können. Denn dies allein ist unser Auftrag. Egal, ob in Ruhpolding, Neustadt oder Kiel. Neben der Frage, ob unser jeweiliges Ziel ein »smartes« Ziel ist, sollten wir also auch immer prüfen, ob dieses Ziel dazu dient, unsere Werte zu leben.
Motivationen allein sind natürlich zu wenig, wenn wir wirklich etwas bewirken wollen. Wir benötigen auch klare Ziele . Ohne Ziel kein Weg. Und ohne Weg keine Führung. Vielen gescheiterten Führungskräften ist gemein, dass sie nur eine allenfalls vage Vorstellung ihres Ziels hatten und folglich dieses auch nicht präzise für sich und andere nachvollziehbar formulieren konnten. Auch kennt wohl jeder diese Vorgesetzten, die die Formulierung klarer Ziele bewusst vermeiden, um sich ein »Hintertürchen« offen zu halten und jederzeit die Marschrichtung wieder ändern zu können. Ein Unterfangen, das meist für Chaos sorgt und im besten Fall dazu führt, dass ein Nachgeordneter die Führungsrolle übernimmt (dann allerdings nur in seinem Sinne und nach seinen Motiven und Zielen), im häufigeren, schlechteren Fall führt ein solches Verhalten zur Demotivation der Mitarbeiter bis hin zur völligen Unproduktivität. Was aber macht ein Ziel aus? Hierzu ein Beispiel: »Ich möchte, dass unser äußeres Erscheinungsbild ordentlicher ist, wenn wir unsere Dienstkleidung tragen!«
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