»Würden Sie bitte auch die Motorhaube und den Kofferraumdeckel öffnen?«, bat Enquist.
Fünf Minuten später waren sie fertig. Sie hatten alle Stellen, an die sie herankamen, überprüft, ohne sich die Hosen schmutzig zu machen. Sie nickten Mårtensson zum Dank zu, gingen zu ihrem Auto und fuhren davon. Im Rückspiegel sahen sie Andreas Mårtensson auf dem Bürgersteig stehen und ihnen nachschauen, bis sie abbogen.
»Was hältst du von der Sache?« Jönsson wandte sich Enquist zu, der am Steuer saß.
»Sein Aussehen passt ja zu der Beschreibung von Peter Adolfsson vom Kanistermann«, antwortete Enquist. »Und das Auto war sehr gründlich geputzt, hast du das gesehen? Ich bin mit den Fingern über das Armaturenbrett gefahren, da ist kaum ein Stäubchen hängen geblieben. Das Zimmer schien aber auch sehr aufgeräumt. Vielleicht ist er einfach nur ein ordentlicher Mensch. Und das einzige Motiv, das wir kennen, ist wirklich minimal.«
»Aber er war ziemlich frustriert darüber, wie die ihn vom Bürgerhaus behandelt haben«, sagte Jönsson. »Es scheint allerdings ein bisschen gar zu drastisch, wegen ein paar entgangener Aufträge gleich die ganze Bude abzubrennen. So empfindlich kann ja wohl keiner sein.«
Enquist bog zum Zentrum ab und parkte das Auto schräg vor einem roten Plakat, auf dem Kaffee und Kopenhagener für fünfzehn Kronen angepriesen wurden.
»Ja, vielen Dank.« Jönsson nickte.
Drinnen im Café bestellte Enquist eine einfache Tasse Kaffee, die vierzehn Kronen kostete. Jönssons Handy klingelte in dem Augenblick, als er es aus der Tasche nahm, um es auf den Tisch zu legen.
Es war Jan Niklasson.
»Ich hab jetzt Antwort vom Labor. In den Erdproben, die vor dem Fenster auf der Rückseite und drinnen im Haus genommen wurden, hat man Benzinspuren gefunden. Ich hab auch mit den Brandtechnikern geredet. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass der Brand gelegt wurde. Jemand hat das Fenster eingeschlagen, Benzin hineingegossen und angezündet. Sie sagen, durch das Baumaterial im Innern konnte sich das Feuer so schnell ausbreiten.«
»Dann ist es also Brandstiftung«, stellte Jönsson fest. »Das wissen wir nun also.«
»Noch etwas«, sagte Niklasson. »Der Hausmeister Karl Johansson wird Sonntag beerdigt. Einer von uns sollte vielleicht hingehen. Er hatte nicht viele Angehörige.«
»Vielleicht«, sagte Jönsson. »Ich werde Wiik bitten.«
Jönsson drückte auf »Aus«.
»Jetzt fahren wir zu Mehmedović«, sagte er zu Enquist und erhob sich.
Der »Scheunen«-Pub und das Restaurant waren in einem Gebäude untergebracht, das tatsächlich einmal eine Scheune gewesen war. Das Einzige, was vielleicht noch an die Landwirtschaft vergangener Zeiten erinnerte, waren die Form des Hauses und die rot gestrichene Holzfassade. Ansonsten war die Scheune vollkommen verändert. An beiden Außenwänden zu Seiten des Eingangs hingen zwei ausgeschnittene Silhouetten von nackten Frauen. Nichts in ihren stilisierten Bewegungen deutete darauf hin, dass sie beabsichtigten, Kühe zu melken oder Heu zu wenden.
Jönsson tastete mit der Hand nach einer Klingel. Schließlich hämmerte er mit der Faust gegen die Tür.
»Keiner da«, stellte er nach einer Weile mit einem Schulterzucken fest.
»Er ist wahrscheinlich zu Hause«, sagte Enquist.
Ismail Mehmedović’ Haus lag nur ein paar Straßen von Andreas Mårtenssons entfernt und sah fast genauso aus. Ein Stockwerk mit Mansardendach und Keller. Mehmedović hatte aber die Garage nicht umgebaut.
Keins der geparkten Autos auf der Straße war ein Mercedes.
Eine dunkelhaarige Frau stand auf dem Balkon im ersten Stock und schaute zu ihnen herunter, als sie auf das Haus zugingen. Sie stützte sich mit den Ellbogen auf das Geländer. Jönsson hob den Blick zu ihr.
»Ismail Mehmedović«, sagte er. »Ist er zu Hause?«
Die Frau antwortete nicht. Dann drehte sie sich plötzlich um und ging ins Haus. Fünf Minuten später wurde die Haustür geöffnet. Ein Mann in langer Hose und mit nacktem Oberkörper trat auf die Treppe hinaus. Er wirkte verschlafen.
»Ich bin Ismail«, sagte er.
»Wo ist Ihr Auto?«, fragte Jönsson. »Ihr Mercedes.«
»Da unten.« Mehmedović schaute schräg zum Garagentor hinunter.
Ohne ein weiteres Wort gingen Jönsson und Enquist an ihm vorbei in den Vorraum.
»Wo ist die Treppe?«, fragte Jönsson.
Mehmedović zeigte nach links.
Jönsson und Enquist gingen zur Garage hinunter. Das Auto war schwarz und hatte getönte Scheiben. Sie öffneten die Autotüren, den Motorraumdeckel, den Kofferraum. Jönsson beugte sich über den Motor. Enquist hob das Reserverad im Kofferraum hoch. Methodisch begannen sie, das Auto zu durchsuchen.
Ismail Mehmedović war ihnen einige Schritte auf der Treppe gefolgt. Er lehnte wortlos am Türpfosten im Eingang der Garage. Als Jönsson schließlich den Vordersitz des Autos und Enquist den Rücksitz verließ, richtete Mehmedović sich auf.
»Und was will die Polizei von mir? Funktionieren die Blinker nicht?«
»Was haben Sie in der Nacht zu Donnerstag gemacht?«, fragte Jönsson.
Ismail Mehmedović kratzte sich am Bauch. Er schaute zur Decke hinauf, drehte sich um und ging die Treppe rauf.
»Einen Augenblick«, sagte Enquist. »Wo wollen Sie hin?«
»Ich will meine Uniform anziehen.«
Jönsson und Enquist sahen sich an und dann zur Treppe. Enquist zuckte mit den Schultern und folgte Mehmedović. Jönsson ging dicht hinter ihm. Im Vorraum wollte Enquist die Treppe weiter zum ersten Stock hinaufgehen, Jönsson hielt ihn jedoch am Arm zurück. Nach einer halben Minute kam Ismail Mehmedović wieder herunter. Er trug ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift SCHEUNE in schwarzen Buchstaben quer über der Brust. Breitbeinig baute er sich vor den Kripobeamten auf.
»Meine bosnische Uniform habe ich weggeworfen. Sie hat ein Loch von einer Kugel abbekommen. Dafür trage ich jetzt dies hier. Warum dringen die Herren in mein Haus ein?«
Jönsson öffnete den Mund, konnte aber kein Wort sagen, da er von Mehmedović unterbrochen wurde.
»Zeigen Sie erst mal Ihre Ausweise und sagen Sie mir, wie der Polizeichef heißt. Auch die Telefonnummer. Die Durchwahl, nicht die Zentrale.«
Jönsson und Enquist starrten ihn schweigend an. Dann holte Jönsson seinen Dienstausweis hervor.
»In einer Stunde im Revier von Surahammar«, sagte er. »Wenn Sie wissen, was für Sie das Beste ist.«
Genau 61 Minuten später betrat Ismail Mehmedović das Polizeirevier. Die letzte Minute hatte er vor der Tür gestanden und auf den Sekundenzeiger der Uhr gestarrt. Nichts in seinem Gesicht deutete darauf hin, dass er Smiley genannt wurde.
Egon Jönsson bat ihn, sich zu setzen. Er breitete die Hände aus.
»Vorhin ist es wohl ein bisschen zu schnell gegangen. Wir wollten nur einige Sachen klären.«
»Okay, dann klären Sie mal.«
»Was haben Sie in der Nacht zu Donnerstag gemacht?«, fragte Enquist.
»Wann in der Nacht?«
»Na ja, die ganze Nacht. Stunde für Stunde, wenn Sie es erzählen können.«
»Das weiß ich genau. Wir hatten bis zwei eine Disko in der ›Scheune‹. Dann hab ich abgeschlossen und bis fünf mit einem Mann namens Dragan Karten gespielt. Danach bin ich nach Hause gefahren und hab geschlafen.«
»Dieser Dragan, wie heißt der mit Nachnamen?«, fragte Enquist.
»Keine Ahnung.«
»Sie wissen es nicht?«
»Ich kenne ihn nicht.«
»Das müssen Sie uns erklären.«
»Er ist abends in die Disko gekommen. Da hab ich ihn das erste Mal gesehen. Er stammt aus dem Kosovo. Zigeuner, glaub ich. Wir haben uns unterhalten. Was soll da dran sein?«
»Wo ist Dragan jetzt?«
Ismail Mehmedović zuckte mit den Schultern.
»Woher soll ich das wissen?«, schnaubte er. »Ich kenn ihn doch nicht.«
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