1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 Er wandte sich an Niklasson.
»Hör dich mal bei der Verkehrspolizei um, ob die in der Brandnacht Alkoholkontrollen im Bezirk durchgeführt haben. Vielleicht haben sie einen Mercedes erwischt. Und frag die Patrouille, ob sie unterwegs so ein Auto gesehen haben. Wie hießen die Kollegen noch?«
»Karlsson und Agestål«, sagte Niklasson.
»Frag auch beim Rettungsdienst nach, wenn du schon mal dabei bist«, sagte Jönsson. »Die waren nach dem Anruf als Erste vor Ort. Enquist, wir beide überprüfen die Autobesitzer.«
Er blätterte in den Papieren.
»Nach dem Registerausdruck sind zwei der Autos in Västerås grün. Der Rest ist schwarz. Die grünen können natürlich neu lackiert worden sein, nachdem sie registriert wurden, das müssen wir überprüfen. Wir gehen systematisch vor.«
»Wie heißen die Besitzer?«, fragte Enquist. »Vielleicht kenn ich einen von denen, die in Surahammar wohnen.«
Jönsson fuhr mit dem Finger an den Zeilen entlang.
»Der eine heißt Andreas Mårtensson. Er ist 1977 geboren. Wie alt ist er dann jetzt?«
»Vierundzwanzig«, sagte Elina.
»Das stimmt gut mit dem Alter vom Kanistermann überein. Der zweite ist jemand mit ausländischem Namen, Ismail Mehmedović. Das klingt jugoslawisch, finde ich. Alle Fußballspieler von dort haben Namen, die auf -ić enden. Er wurde 1961 geboren.«
»Die Namen sagen mir nichts«, sagte Enquist. »Aber vielleicht gibt das Register was her.«
»Okay«, sagte Jönsson. »Wenn du die Kollegen und die Leute von der Feuerwehr befragt hast, machst du mit der Türklopfaktion weiter, Niklasson. Wollen wir anfangen?«
Elina Wiik empfand keinen Enthusiasmus für die Arbeit des Tages. Die Chance, dass sich bei der Annahme der Hinweise etwas ergeben könnte, schien gering. Da waren die Voraussetzungen für die Befragung an den Türen schon besser. Andererseits war Peter Adolfsson auf dem Revier erschienen. Seine Angaben hatten dazu geführt, dass sie konkreteren Fragen nachgehen konnten. Aber ihre Rolle in dem Ganzen erschien ihr gar zu passiv. Bestenfalls war sie eine Zuhörerin. Nicht eine Denkerin oder Sucherin. Nicht das, was sie sein wollte. Sie fuhr mit ihrem eigenen Auto, es war ein drei Jahre alter Micra, nach Surahammar und parkte vor dem Polizeirevier. Sie steckte die Autoschlüssel in die Hosentasche und schaute zur Fußgängerzone. Dann beschloss sie, zum Bürgerhaus zu gehen. Die blauweiß gestreiften Absperrbänder hingen durch, waren aber noch nicht entfernt. Ein uniformierter Polizist war nicht zu sehen, aber die Leute von der Spurensicherung waren schon bei der Arbeit. Sie hörte, wie sie sich hinter den Resten der Ziegelsteinfassade unterhielten. Sie blieb stehen und schaute fast fünf Minuten hin.
Man muss sich das Gefühl für das Verbrechen bewahren, dachte sie. Jemand hat Feuer gelegt. Dort drinnen ist ein Mensch ums Leben gekommen.
Die Fußgängerzone war fast menschenleer. Elina sah sich um. Gegenüber vom Bürgerhaus gab es zwei Supermärkte. Aber die Schaufenster des einen Ladens waren leer. Das Geschäft war aufgegeben worden. Für die Bewohner von Surahammar reichte offenbar ein Supermarkt im Zentrum.
Vor einem Zeitungsladen, der in einem normalen Mietshaus untergebracht war, hingen Schlagzeilenplakate. Elina las die Überschriften. Drei handelten vom Brand. Die Länstidningen teilte mit, dass eine Person tot aufgefunden worden war und Werte für über zwanzig Millionen verbrannt waren. Die Aushänger der beiden Abendzeitungen enthielten die Ausdrücke »Nazis« und »Bürgerhaus« in fetten Buchstaben. Im Weiteren unterschieden sie sich ein wenig. Die eine Zeitung brachte das Wort »Brandstiftung« in gleich großer Schrift, während die andere sich mit einem etwas kleineren »Großbrand« begnügte. Elina ließ es, das Kleingeschriebene zwischen dem Fettgedruckten zu lesen.
Jan Niklasson war zwanzig Minuten später von Västerås losgefahren, zusammen mit seinen drei Kollegen, die die Türen abklappern sollten. Vorher hatte er Agestål erreicht. Weder er noch Karlsson konnten sich erinnern, in der Brandnacht einen großen Mercedes gesehen zu haben. Der Bescheid vom Rettungsdienst würde noch auf sich warten lassen, da es sich um eine große Anzahl von Feuerwehrleuten aus vier verschiedenen Orten handelte, die kurz nach dem Alarm im Einsatz gewesen waren.
Sie teilten die Straßen unter sich auf und fingen an. Niklasson ging zusammen mit Henrik Svalberg, einem jungen Kriminalassistenten, der gerade erst im Dezernat angefangen hatte.
»Was hältst du von der Sache?«, fragte Svalberg, der noch nie an so einer Befragungsaktion teilgenommen hatte.
Niklasson schaute an einem dreistöckigen Haus hinauf.
»Hier wohnen viele alte Leute. Ich bezweifle, dass einer von ihnen etwas gesehen hat. Wir müssen auf Schlafprobleme hoffen und auf Hunde, die mal rausmüssen.«
Er wandte sich zu Svalberg.
»Ich finde, wir arbeiten uns von unten nach oben die Treppen rauf«, sagte er. »Falls jemandem hinterher noch was einfällt, kann er uns auf dem Weg nach unten abfangen. Dann brauchen sie uns nicht hinterherzulaufen. Viele sind geistig wahrscheinlich beweglicher als mit ihren Beinen.«
Die beiden ersten Stunden der Befragungen ergaben nichts. Niklasson hatte Recht gehabt; die meisten, die die Tür öffneten, waren Rentner. Viele wohnten allein. Alle außer einem hatten die Feuersbrunst verschlafen. Der Einzige, der behauptete, wach gewesen zu sein, hatte nichts gesehen. Niemand wusste etwas über den Mercedes.
»Eugenia Lindberg«, las Svalberg an einer Tür im dritten Stock eines roten Ziegelsteinhauses. Eine grauhaarige Dame mit Hörgeräten in beiden Ohren öffnete die Tür.
»Wie bitte? Ich hab keinen Mercedes!«, schrie sie, nachdem sie sich Svalbergs Ausführungen angehört hatte. »Ist er gestohlen worden?«
Svalberg machte einen Schritt rückwärts und antwortete, das glaube er nicht.
»Möchte wissen, wie sie die Treppen schafft«, sagte er zu Niklasson, als die alte Dame die Tür geschlossen hatte.
In der Nachbarwohnung lebte M. Mattila, dem Namensschild auf dem Briefeinwurf nach zu urteilen. Ein hellhaariger Mann um die dreißig öffnete die Tür. Niklasson stellte sich vor.
»Matti«, sagte der Mann, ohne zu erklären, ob es sein Vorname oder eine Abkürzung des Nachnamens war.
»Es geht um den Brand im Bürgerhaus«, sagte Niklasson.
»Das hab ich mir schon gedacht. Kommen Sie herein, wie kann ich Ihnen helfen?«, sagte der Mann, der sich Matti nannte.
Er sprach ohne den leisesten finnischen Akzent und in unverkennbarem Dialekt der Gegend.
Niklasson und Svalberg betraten eine kleine, aber gut möblierte Wohnung. Im Fenster des Wohnzimmers hing ein Vogelbauer mit zwei Wellensittichen. Niklasson fragte den Mann, ob er zu irgendeinem Zeitpunkt in der Brandnacht wach gewesen war.
»Ich habe einen guten Schlaf«, antwortete Matti. »Und als ich morgens aufwachte, hab ich wahrscheinlich nichts gesehen, was mit dem Brand zu tun hatte. Nur die Reste vom Bürgerhaus, als ich nach draußen gegangen bin. Aber das haben ja wohl alle in der Gegend gesehen, die noch über ihre Sehfähigkeit verfügen. Mir sind noch nie so viele Leute da draußen begegnet wie gestern Morgen.«
Niklasson fragte, ob er etwas von einem großen älteren Mercedes wüsste.
»Ein Zweiachtziger?«
»Ja, ein Mercedes 280 SE. Aus den siebziger Jahren.«
»Smiley hat so einen. Wussten Sie das nicht? Dann sind Sie nicht aus Surahammar.«
Das bestätigte Niklasson und fragte, wer Smiley sei.
»Eigentlich heißt er natürlich nicht so. Ismail heißt er. An seinen Nachnamen erinnere ich mich nicht. Alle nennen ihn Smiley, weil er so häufig lächelt. Ein fröhliches Kerlchen. Und sein Name klingt ähnlich wie sein Vorname. Ihm gehören der Pub und die Diskothek unten in der ›Scheune‹. Da gibt’s auch gutes Essen. Dicke Steaks. Ich hab ein paar Mal für ihn gearbeitet, bin eingesprungen, als er Hilfe brauchte. Sonst bin ich seit zwei Jahren arbeitslos, obwohl ich eine Berufsausbildung habe. Hoffnungslose Lage. Ich muss hier wegziehen, wenn ich einen Job haben will.«
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