Mari Jungstedt - Den du nicht siehst - Ein Schweden-Krimi

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Der Auftakt der Kommissar-Knutas Reihe: ein spannender Schweden-Krimi, den man kaum aus der Hand legen kann! Nach einem Streit mit ihrem Ehemann wird Helena ermordet aufgefunden. Erschlagen mit einer Axt und mit ihrer Unterwäsche geknebelt. Alles deutet zunächst auf ein Eifersuchtsdrama hin. Doch dann wird auf dem Friedhof von Visby erneut eine Frauenleiche gefunden. Kommissar Knutas ist sich sicher, dass er es mit einem Serienmörder zu tun hat. Er versucht, das Muster des Mörders zu erkennen, bevor dieser ein weiteres Mal zuschlagen kann, doch seine Arbeit wird von der Presse erheblich erschwert. Kann der Kommissar den Mörder rechtzeitig finden und einen weiteren Mord verhindern?"Ein echter Schwedenkrimi, spannend, hart – und doch einfühlsam." – Hörzu"Der Auftakt der Knutas-Reihe fesselt den Leser mit einer leichten, aber dennoch packenden Schreibweise und einigen falschen Fährten. Dafür vergebe ich gerne 5 STERNE!" – Buechersuechtig"Ein bemerkenwertes Debüt." – Der Spiegel-

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Mari Jungstedt

Den du nicht siehst - Ein Schweden-Krimi

Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs

Saga

Den du nicht siehst - Ein Schweden-Krimi Übersetzt Gabriele Haefs Copyright © , 2019 Mari Jungstedt und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726343069

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Montag, 4. Juni

Der Abend verlief besser als erwartet. Natürlich war sie vorher ein wenig angespannt gewesen – sie hatten sich doch alle so lange nicht mehr gesehen. Aber jetzt war ihre Unruhe verflogen. Nach einem starken Willkommensdrink, Weißwein zur Vorspeise, mehreren Gläsern Rotwein zum Hauptgericht und Portwein zum Dessert herrschte am Tisch eine wunderbar ausgelassene Stimmung. Kristian erzählte gerade eine weitere komische Anekdote über seinen Chef, und Gelächter erfüllte den Wohnraum des alten Kalksteinhauses.

Vor den Fenstern lagen wogende Kornfelder und Wiesen, auf denen der Mohn noch einige Wochen vor der Blüte stand. Dahinter war im letzten, zögernden Abendlicht das Meer zu erahnen.

Helena und Per hatten sich einige Tage freigenommen und waren über Pfingsten in ihr Ferienhaus auf Gotland gefahren. In solchen Kurzurlauben trafen sie sich immer mit Helenas alten Freunden. Dieses Jahr hatte nur der Pfingstmontag bei allen gepasst.

Es war ungewöhnlich kalt für die Jahreszeit, gerade mal zehn Grad. Ein heftiger Wind heulte und pfiff in den Baumwipfeln.

Helena lachte laut, als Per ein Spottlied anstimmte, das sie ihm selbst beigebracht hatte, über die Bengel vom Festland, die in den Sommerferien den Mädchen von Gotland nachstellen.

Alle am Tisch sangen beim Refrain mit: Helenas beste Freundin Emma und ihr Mann Olle, die Nachbarn Eva und Rikard und Beata mit ihrem neuen Mann John, der aus den USA stammte und zum ersten Mal in ihrer Runde war. Kristian war als Einziger noch immer Single. Ein gut aussehender Mann, aber offenbar ein ewiger Junggeselle. Er hatte noch nie mit einer Frau zusammengelebt, obwohl er nun auch schon fünfunddreißig war. Helena hatte sich im Laufe der Jahre oft gefragt, woran das wohl lag.

Kerzen brannten in gusseisernen Leuchtern auf den Fensterbänken, das Feuer knisterte im offenen Kamin. Der Hund, Spencer, lag auf einem Fell davor und leckte sich die Pfoten, seufzte laut und rollte sich dann im warmen Schein des Feuers zusammen.

Helena ging in die Küche, um noch zwei Flaschen Wein zu öffnen.

Sie liebte dieses karge Haus, in dem sie seit ihrer Kindheit jeden Sommer verbracht hatte. Eigentlich brauchten Per und sie ungestörte Zweisamkeit. Brauchten Zeit, um miteinander zu reden. Um zusammen zu sein, ohne Telefon, Computer oder Wecker. Aber ein Essen mit den alten Freunden war eine gute Idee gewesen, dachte Helena, und dabei ging ihr auf, wie sehr sie ihr gefehlt hatten.

Plötzlich strich jemand mit dem Finger über ihren Rücken.

»Wie geht’s?« Kristians Stimme klang leise und einfühlsam.

»Gut«, antwortete sie und lachte ein wenig verkrampft, als sie sich zu ihm umdrehte.

»Und, wie läuft deine Beziehung zu Per?«

Sanft kniff er sie in die Nase.

»Macht er dich noch immer glücklich?«

»Sicher. Wer dich nicht kriegen kann, muss sich doch mit dem Zweitbesten zufrieden geben«, sagte sie und ging vor ihm her aus der Küche.

»Los, lasst uns tanzen«, rief Beata, die offenbar in Hochform war. Sie sprang vom Tisch auf und durchwühlte die CDs. Eines der wenigen modernen Einrichtungsstücke im Haus war die Musikanlage. Eine der Grundbedingungen dafür, dass Per überhaupt mehr als vierundzwanzig Stunden hier verbrachte.

Bald klang Håkan Hellström aus den Lautsprechern. Per folgte Beatas Beispiel und wirbelte mit ihr durch den Raum.

Auch die anderen kamen auf die Beine und tanzten so ausgelassen, dass die Dielen knarrten.

Danach konnte niemand mehr sagen, wann die Stimmung gekippt war.

Per riss Helena plötzlich aus Kristians Armen und zog sie auf die Veranda. Im Haus wurde weiter getanzt.

Nach einer Weile stieß Helena die Verandatür auf, stolperte herein. Ihre Oberlippe blutete. Sie schlug die Hände vors Gesicht und verschwand auf der Toilette. Mit einem Schlag verwandelte sich die Partylaune in verwirrte Bestürzung.

John schaltete die Anlage aus. Schweigen breitete sich im Zimmer aus. Nur der Hund stand bellend vor der Toilettentür und knurrte alle an, die sich in seine Nähe wagten, bis Helena schließlich die Tür einen Spalt öffnete und ihn hereinließ.

Kristian ging hinaus, um mit Per zu reden, und die anderen liefen hinterher.

Es passierte so schnell, dass Kristian nicht reagieren konnte. Per landete einen Volltreffer direkt auf Kristians Nasenbein.

Rikard und John packten ihn, bevor er erneut zuschlagen konnte. Sie zogen ihn von der Veranda auf den feuchten Rasen. Der Wind hatte nachgelassen, und ein grauer Nebel hüllte sie ein. Emma und Beata kümmerten sich um Helena. Eva versorgte Kristian, half ihm, das Blut abzuwischen und einen Eisbeutel aufzulegen, um die Schwellung zu mildern. Olle bestellte Taxis. Die Party war eindeutig zu Ende.

Dienstag, 5. Juni

Als Helena am nächsten Morgen um halb sieben die Augen aufschlug, dröhnte ihr Kopf. Wenn sie verkatert war, erwachte sie immer ganz besonders früh. Sie lag ausgestreckt auf dem Rücken im Bett, die Arme an den Seiten, in einer Art liegender Habt-Acht-Stellung. Als habe sie sich während der Nacht auch nicht einen Zentimeter weit bewegen wollen, um jeglichen Körperkontakt mit Per zu vermeiden, der nur eine Handbreit von ihr entfernt lag. Sie sah ihn an. Er schlief, atmete tief und regelmäßig und hatte sich komplett in seine Decke gewickelt. Nur seine braunen Locken schauten heraus.

Im Haus war es dunkel, allein Spencers leichtes Schnarchen war zu hören. Der Hund hatte noch nicht bemerkt, dass sie wach war. Helena fühlte sich verspannt, ihr war schlecht. Sie starrte an die weiße Decke, und es dauerte einige Sekunden, bis ihr einfiel, was am Vorabend passiert war.

Nein, dachte sie, nein, nein, nein. Nicht schon wieder. Pers Eifersucht hatte ihnen schon so oft Probleme bereitet, aber im vergangenen Jahr war alles besser geworden. Das musste sie zugeben. Und jetzt dieser Rückschlag. Wie eine gigantische Bauchlandung. Schmerz loderte in ihr auf, als sie das Ausmaß dessen erkannte, was geschehen war. Es betraf nicht nur sie und Per. Er hatte den gesamten Freundeskreis mit hineingezogen. Auf der Party. Die so schön angefangen hatte.

Nach dem Essen hatten sie getanzt. Natürlich war Kristians Hand auf ihrem Rücken ein wenig zu tief geglitten, als ihre Körper sich bei einem ruhigen Stück aneinander geschmiegt hatten. Sie hatte flüchtig mit dem Gedanken gespielt, sie wegzuschieben, war aber viel zu beschwipst gewesen, um die Situation wirklich ernst zu nehmen.

Ohne Vorwarnung hatte Per sie von Kristian weggerissen. Auf der Veranda hatte er sie mit Vorwürfen überschüttet. Außer sich vor Wut hatte sie ihn angeschrien, gehöhnt und gefaucht. Als er sie schüttelte, schlug sie nach ihm, kratzte und biss. Am Ende hatte er ihr eine schallende Ohrfeige verpasst. Sie stürzte auf die Toilette.

Schockiert hatte sie vor dem Spiegel in der Toilette gestanden und ihr zu einer stummen Grimasse verzerrtes Gesicht angestarrt. Mit zitternden Fingerspitzen ihre anschwellende Oberlippe berührt. Er hatte sie noch nie geschlagen.

Emma und Olle waren geblieben, bis Per einschlief und auch Helena die Augen kaum noch aufhalten konnte.

Trotz allem hatten sie die Nacht im selben Bett verbracht.

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