Peer und Bill starrten den Ankommenden entgegen. „He, daß euch die Augen nicht aus dem Kopf rollen!“ rief Mac Lean von weitem. „Seht nur gut her, was ich für Jagdbeute heimbrachte!“
Dann begann er ein Lied zu trällern: „Nach einem Hasen ging ich aus und brachte einen Cowboy nach Haus!“
Inzwischen war auch Peter Sattler mit einem letzten Heubündel auf der Wiese herangekommen. Als er es ablegte, pflanzte sich der neue Besucher in seiner ganzen Länge vor ihm auf.
„Pat Bownie, wandernder Cowboy, Trapper und Rancher“, schnarrte er mit einer hohen Stimme seine Vorstellung. Er verzog dabei sein eingefallenes Gesicht zu einer Fratze, aber es konnte ebenso zu einem Weinen umschlagen. Seine Stimme klang bald milde, bald schrill. Mac Lean schien eine seltsame Sorte Mensch aufgelesen zu haben.
„Wir trafen kurz vor der Ranch zusammen“, begann Mac Lean zu erklären. „Ich sah plötzlich einen Mann zwischen den Stämmen sitzen, eine lange Flinte vor sich auf den Knien, und dachte bei mir, das sei nun ganz wie zu Zeiten des Lederstrumpf. Es sieht zwar nicht nach Überfall aus, aber jedenfalls sind wir entdeckt!“
Pat Bownie lachte heiser. „Ach, Mac, ich habe dich schon stundenlang hinter mir gefühlt. Der Geruch hat mich zu euch hergezogen, weißt du, der Rauch eines Feuers, der Geruch eurer Pferde, der meldet euch doch stundenweit im Umkreis an. Und überhaupt hatte ich irgendwo am Batnuni drüben läuten gehört, daß verrückte Ranchers unterwegs wären, mitten hinein zwischen die Ulgatchos.“
Peter Sattler versuchte, diesem sprunghaften Bericht zu folgen. Er hatte schon drunten im Anahim-Land von dem Urwald-Telegraf reden hören, der jede Neuigkeit auf seltsamste Weise bis zu den entlegensten Ranches hin in Windeseile verbreitete. Der Batnuni River lag fast zweihundert Kilometer im Norden von Anahim, und doch hatte man auch dort bereits von ihrem Unternehmen erfahren!
„Auf jeden Fall seid herzlich bei uns willkommen, Pat Bownie. Im Rindenhaus haben wir wenig Platz, doch eine schmale lange Bohnenstange wie Ihr wird auch noch unterzubringen sein!“
„Rindenhütte? Ich schlafe ebensogut zwischen den Bäumen. Jetzt ist doch Sommer.“ Dann aber blickte er zum Himmel empor, wo sich das Gewitter immer düsterer zusammenzog. „Heute allerdings, heute könnte auch mir ein Dach nicht schaden, wenn es überhaupt den Regen abhalten kann!“
Es erwies sich auch bald, daß das Rindendach dem ungeheuren Regensturz, der plötzlich niederprasselte, nicht gewachsen war. Die Ranchers saßen zusammengedrängt in einem Winkel der Hütte, über deren Dach dichte Tannenäste hinausragten und den schwersten Regen abhielten.
Aber als das schwere Gewitter sich verzog, wurde es an diesem Abend noch urgemütlich. Bill und Peer rissen Augen und Ohren auf, als sie von den Abenteuern Pat Bownies hörten. Ein ruheloser Streuner und Wanderer, dem die Wildnis längst zum Schicksal geworden war!
„Ihr kennt ja erst den Sommer im Indianerland“, erzählte Pat Bownie. „Aber seht euch vor, wenn der Winter kommt. Der erste Blizzard fegt eure Rindenhütte fort, und dann sitzt ihr auf dem bloßen Boden bei fünfzig Grad Kälte!“
„Stopp, alter Pat, wir haben nicht die Absicht, in dieser Rindenhütte zu überwintern“, mischte sich nun Mac Lean in das Gespräch. „Erst kommt das Vieh und dann die Menschen! Wenn wir genug Heu geborgen haben, dann werden wir auch an den Hausbau gehen. Und wenn Ihr im nächsten Jahr wiederkommt, dann sollt Ihr sehen, in welchem Palast wir hausen.“
Pat Bownie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Tief in die Erde bauen. Am besten in den Boden hinein. Das hält warm für den Winter. Und dicke Rasenziegel auf das Dach. In den neumodischen Häusern von Batnuni und Nazko erfrieren die Menschen fast im Winter, aber die ältesten Ranchhütten, die halten warm.“
Mac Lean wechselte einen raschen Blick mit Peter Sattler. „Wie wäre es, wenn du den Baumeister abgäbest, Pat Bownie?“ fragte er blinzelnd.
Aber der Gast wehrte ab. „Gern, gern, sehr gern, ein andermal. Diesmal habe ich noch eine lange Rundreise vor mir. Bei Rob Seter, südlich der Algacks, soll ich noch einen Plausch tun, und in den Itcha-Bergen drüben sitzt mein alter Freund Mac Donald. In Redstone unten ah der Anahimstraße wird für den Winter ein Viehfütterer gebraucht. Will diesen Job annehmen, bis wieder der Schnee von den Itchas schmilzt.“
„Dann eben nicht. Aber ein paar Tage gibst du uns wohl die Ehre“, lachte Mac Lean.
Pat Bownie nickte mit einem trüben Lächeln. „Ihr werdet noch gute Ranchers, will euch überall in der Umgebung empfehlen. Aber acht Kühe und die Riesenweide? Wollt ihr zwanzig Jahre hier hausen, bis eure Herde auf tausend Stück angewachsen ist und sich die Mühe lohnt?“
Pat Bownie hatte damit einen wunden Punkt in der Planung Mac Leans und Peter Sattlers berührt. Auch sie hatten es schon errechnet, daß ihre Herde viel zu langsam wachsen würde, um bald einen richtigen Ertrag abzuwerfen.
„Ach, wir machen eben Heu, solange der Sommer währt, vielleicht kommt einmal jemand und findet daran Gefallen!“ tat Lean großspurig.
„Nicht übel, nicht übel“, nickte Pat Bownie nachdenklich. „Aber inzwischen müßten auch die Ulgatchos Viehzüchter und Ranchers werden.“
Pat Bownie blieb zwei Tage bei den Ranchers. Er half ein wenig im Heu, aber wenn er ein schweres Bündel hob, dann knackten alle Knochen in seinem Körper. Bärbi Sattler tat dieser alte Herumstreuner leid. Ihm fehlte nichts als eine dauernde Unterkunft und ein geregeltes Essen. Wenn er abends mit rasselndem Atem hinter dem primitiven Tisch saß, schlang er soviel Essen in sich hinein, als hätte er schon acht Tage lang gehungert.
Pat Bownie sah ihren Blick und lächelte. „Draußen im Wald ist oft Schmalhans Küchenmeister. Seit ich kein Pferd mehr besitze, dauert eine Reise von einer Ranch zur andern oft länger als eine Woche. Und ich weiß nicht, woran es liegt, aber das Wild wittert mich von weitem. Manchmal ein Häslein, ein Eichhörnchen, aber ich habe auch schon von Murmeltieren und Siebenschläfern gelebt.“
Am dritten Morgen spiegelte sich der Entiako-See in der Ferne in einem verlockenden Glanz. „Muß doch mal hinübersehen“, sagte Pat Bownie, schulterte seine lange Büchse, hängte sich den zerlumpten Rucksack um und nahm Abschied. Die Sattler-Jungen sahen ihm noch lange nach, wie er durch das hohe Gras dahinschritt, schwankend, vornübergebeugt, bis er allmählich zu einem dunklen Strich zusammenschmolz, der hineintauchte in das spiegelnde Licht des hohen Sommers.
Der August war schon weit vorangeschritten. Längst hatten die Männer, um das letzte Benzin zu sparen, nur noch mit den Sensen Heu gemäht. Nun glaubten sie, daß es für die fünfzehn Tiere reichlich über den Winter langen würde.
„Jetzt den Rinderstall und dann das Haus“, sagte Peter Sattler nach erstem Überlegen. Die Hände der Männer verpechten und verklebten in den kommenden Tagen. Sie fällten mittlere Tannen, sie schleppten Steine für die Grundmauern zusammen, und als eines Morgens der erste Reif auf den Wiesen lag, gingen sie an den Bau des Blockhauses. Sie brauchten dazu etwa fünfzig behauene Stämme. Es wurde eine harte Arbeit, aber das Haus wuchs bald aus dem Boden empor. Rossy und Bärbi Sattler sammelten Moos im Wald und verstopften die Ritzen zwischen den Stämmen. Und während die Giebelwände sich allmählich schlossen, stachen Bill und Peer hohe Rasenstücke aus dem nahen, jetzt im Sommerende fast ausgetrockneten Sumpf. Das Dach wurde aus gespaltenen Stämmen zurechtgezimmert und darüber mit Rinden abgedeckt. Auf den flachen Giebel aber schichteten sie zuletzt die dicken Rasenstücke. Bis zu den kleinen Fensteröffnungen empor schütteten sie die Wände mit Erde zu. Das Glas, eines der wertvollsten Güter in dieser Einsamkeit, hatten sie glücklich über alle Berge bis hierher gebracht. Während Peter Sattler mit seinen Söhnen den Boden des Blockhauses aus gespaltenen Stämmen zimmerte, tat sich Mac Leans Fertigkeit im Einbauen der Lagerstätten und der Wandbänke hervor.
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