„Hüh, hüh!“ drückte Mac Lean mit der linken Hand am Zügel und mit der rechten an der Mähne den Kopf des Pferdes gegen das jenseitige Ufer.
In diesem Augenblick kippte das schwimmende Pferd um und schlug mit den Beinen brausend das Wasser. Mac Lean war abgeglitten und untergetaucht.
Die Hufe, die Hufe! Wenn sie den schwimmenden Mac Lean trafen, dann war er verloren.
Aber dieser tauchte abseits von seinem Braunen auf. Er hatte die Zügel nicht aus den Händen gelassen. Jetzt schwamm er mit raschen Schlägen gegen das Ufer zu und versuchte, das Pferd hinter sich herzuziehen. Auch der Braune gewann wieder Mut und schwamm ruhig weiter.
Tropfnaß kletterten Pferd und Reiter drüben aus dem Wasser. Sie mußten achten, daß sie auf den glatten Steinen nicht ausglitten, und tappten langsam höher empor. Jetzt erwies es sich, wie gut es gewesen war, daß Mac Lean seine Stiefel fest an den Sattelknopf gebunden hatte.
Während sich das Pferd schüttelte, daß ein weiter Sprühregen davonstob, riß Mac Lean Rock und Hemd herunter und wrang sie aus. Die Luft hatte sich wieder erwärmt, aber dennoch klapperte er laut mit den Zähnen.
Die Sattlers hatten das Abenteuer Mac Leans vom Ufer aus mit Schrecken verfolgt. Bill war vom Pferd gesprungen und hatte das Lasso schwingend in der Hand gehalten, bereit, es Mac Lean zuzuwerfen, wenn er Hilfe brauchte. Die Kühe brüllten unruhig und störrisch, und die Pferde wichen vor dem heimtückischen Wasser zurück.
„Hallo, nichts zu machen!“ rief Mac Lean von drüben. „Wir müssen für euch eine andere Furt suchen!“
So kam es, daß die Ranchers nun getrennt zu beiden Seiten des Wassers abwärts zogen. Mac Lean führte sein Pferd am Zügel nahe am Wasser und spähte immer wieder auf den ruhig fließenden Bergbach hinab. Doch hörte er ein stärkeres Rauschen in der Ferne, und es schien ihm jetzt, als könnte man das seichtere Wasser mit stärkerer Strömung leichter überqueren.
Aber seine Hoffnung erfüllte sich nicht. „Verdammte Geschichte, wir werden uns ein Floß bauen müssen“, knirschte Mac Lean. Wie sollte er sonst die Frauen trocken und heil über den Fluß bringen? Sie waren es nicht gewöhnt, auf Pferden durch das Wasser zu schwimmen.
Das fast eben auslaufende Tal nahm kein Ende. Der Nachmittag rückte weiter. Das dichte Gestrüpp hatte allmählich wieder hochstehenden Tannen Platz gemacht. Der kleine Ranchertrieb kam wieder rascher von der Stelle, aber er näherte sich mit keinem Schritt dem ersehnten Ziel im Norden.
„Hallo, hallo, Mac!“ schrie Bill. „Ist es dir recht, wenn wir ein Floß zusammenzimmern?“
„Ganz meine Idee!“ rief Mac hinüber. „Sucht euch Stangen, spannendick, zehn, zwanzig Stück, hackt sie auf halbe Länge und bindet sie quer übereinander. Werft mir das Lasso dann zu, dann ziehe ich die erste Traglast herüber.“
Die Karawane hielt an, und bald hallten Axtschläge durch die schweigende Einsamkeit. Bärbi Sattler und Rossy hielten die Kühe zusammen, und Peter Sattler trug Stange um Stange an das Ufer. In einer Stunde schwamm ein schwankendes kleines Floß auf dem Wasser. Peer und Bill versuchten, darauf zu stehen, aber sie sanken noch bis über die Knöchel in das Wasser.
„Noch einmal einen Stangenrost darüber“, riet Mac Lean.
Dann war die Tragkraft des Floßes so groß, daß einer der Jungen mit Packen und Kisten darauf Platz nehmen konnte. Bill schwang das Lasso, und Mac Lean fing es drüben auf.
„Eine brillante Seilfähre!“ lachte Mac Lean, als er die erste Fracht in Empfang nahm. „Jetzt aber Packen um Packen über den Fluß, und zuletzt sollen Mammy Sattler und Rossy drankommen!“
„Und die Pferde und Rinder?“ fragte Peer erschrocken.
„Die hängen wir mit Lassos zusammen. Sie müssen schwimmen! Peter und Bill werden sie ins Wasser treiben.“
Später saß Rossy hoch auf dem schwankenden Gepäck und ließ sich über den Fluß ziehen. Aus der schwarzen Tiefe spiegelte ihr verkehrt das eigene Bild entgegen. Als das Mädchen drüben aufatmend ans Ufer sprang, erschien es ihr, als wäre nun die letzte Verbindung mit der Welt jenseits der Urwälder abgeschnitten. Die Fähre glitt an einem zweiten Lasso zurück. Auch Mammy Sattler gelangte auf diese Weise über den schwarzen tiefen Fluß.
Bill und Peter hatten indessen die Pferde an Halfterstricken hintereinandergebunden. Der Zügel des ersten Reittieres wurde an das Lasso der Fähre gebunden. Jetzt kam der gefährlichste Augenblick. Widerstrebend folgten die Pferde dem anfeuernden Ruf Peter Sattlers, der auf dem Fährfloß stand und ein Tier nach dem andern zu sich auf das Wasser herabzog. Als das erste Pferd schwamm, überwanden auch die anderen ihre Furcht. Schnaubend und fast lautlos schwamm die Pferdeherde über das Wasser. Die Rinder brüllten nun verloren und verlassen, nur von Bill mühselig zusammengehalten. Und noch bevor Peter Sattler wieder an das Ufer zurückgekehrt war, tappten die ersten Rinder aus eigenem Antrieb an den Fluß hinab und folgten den Pferden durch die Flut.
Etwas abwärts wuchs hohes Schilfgras an einer sumpfigen Uferstelle. Dorthin wandten sich die Köpfe der Kühe, und schnaubend stiegen sie an das schlammige Ufer.
„Ah, darauf einen Dry Gin!“ stöhnte Mac Lean zufrieden, als alles auf dem Ufer versammelt war. „Jetzt aber ein großes Feuer und eine lange Wäscheleine dazu. Ich will endlich meine nassen Klamotten loswerden!“
Diesem Wunsch konnte rasch entsprochen werden. Bald loderte eine hohe Flamme empor, und in dem warmen Luftzug schwangen Hose, Hemd und Jacke Mac Leans an der Leine.
„Hoffentlich ist das der letzte Fluß vor dem Weideland“, sagte Peter Sattler, „sonst brauchen wir eine Woche länger, bis wir ankommen.“
„Bah!“ lachte Mac Lean „Allmählich bekommen wir ja Übung!“
Diesmal gab es zum Abend gebratenen Fisch. Noch niemals schien in diesem Gewässer jemand eine Angel ausgeworfen zu haben, denn kaum schwankte die Fliege über dem Wasser, schnellten die großen glänzenden Lachsforellen schon danach empor. So wuchs doch noch so etwas wie Freundschaft zu dem schwarzen Fluß in den Herzen der Ranchers.
Friedliche Nacht! Ab und zu ein Stampfen der Pferde oder ein wiederkäuendes Aufgurgeln der Rinder.
Ein blanker Morgen färbte den Himmel über den Tannen. Als die Pferde wieder gepackt standen und auch die Rinder endlich aus der schlammigen Suhle längs des Ufers heraufgetrieben waren, setzte der Treck seinen unterbrochenen Weg fort.
Der Boden stieg langsam an. Es war zu erwarten, daß hinter dieser Bodenwelle ein neues Wasser von den Bergen herabkam. Sobald der Grund wieder eben auslief, hielt der kleine Treck an. Mac Lean hatte schon nach schlanken Tannen Ausschau gehalten. Jetzt winkte er Bill heran: „Willst du nicht einmal deine Kletterkünste versuchen?“
Bill blickte fragend auf ihn. „Warum nicht?“
„Wir müßten eigentlich schon in der Nähe der ersten schmalen Weide sein. Vielleicht nimmt sich von dort oben die Gegend freundlicher aus.“
Bill schwang sich mit schnellen Griffen an den Ästen der schlanken Tanne hoch, dann und wann krachte ein dürrer Zweig auf den Boden herab, und zuletzt verschwand der Junge im grünen Gestrüpp des Baumes.
Lange hörten die Wartenden nichts. Bill schien bis zum letzten Ast emporgeklettert zu sein.
„He!“ rief Peter Sattler. „Was kannst du von oben erkennen?“
„Vater, Vater, ihr solltet alle heroben sein! Der See liegt schon vor uns. Eine Meile oder zwei noch, dann stehen wir an seinem Ufer!“
Bill kam ganz erregt vom Baum herunter. „Wir wären fast falsch gegangen. Der See liegt links von uns!“
„Wir brauchen die Weide, nicht den See!“ brummte Mac Lean.
„Das Land ist fast eben – die Weide sah ich nicht“, gab Bill verlegen zu.
„Na, dann an den See!“ knurrte Mac Lean. „Es wird wohl derselbe sein, den wir vom Berg oben sahen.“
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