Langsam überwältigten sie ihn, obgleich ein Dutzend von ihnen aus bösen Wunden blutete, während zwei schon ganz still unter den trampelnden Füßen und den herumrollenden Körpern der Ringer lagen.
Überwältigen konnten sie ihn wohl. Aber ob sie ihn auch zum Binden festhalten konnten? Eine halbe Stunde der verzweifelsten Anstrengung bewies ihnen, dass sie dazu nicht imstande waren, und Mbonga, der sich wie alle tüchtigen Anführer im sicheren Hintergrunde gehalten hatte, befahl einem, mit dem Speer dazwischen zu gehen und das Opfer zu durchbohren. Langsam näherte sich der Krieger durch den Strudel kämpfender Männer seinem Ziel.
Er hob den Speer über den Kopf und wartete auf den Augenblick, der ihm einen Teil des Affenmenschen freigeben würde, ohne dass der Stoß einen Schwarzen gefährdete. Näher und näher drängte er sich zwischen die Bewegungen der ringenden, sich windenden Kämpfer. Bei dem Knurren des Affenmenschen lief es dem Krieger mit kaltem Schauer das Rückgrat hinab und er wollte erst recht vorsichtig sein, um nicht bei einem ersten Fehlstoß selbst den erbarmungslosen Zähnen und mächtigen Händen preisgegeben zu sein.
Endlich ersah er eine Blöße. Höher hob er seinen Speer, die Muskeln unter der glänzenden, glatten, schwarzen Haut spannten sich wie Seile – als aus dem Dschungel gerade hinter der Palisade ein donnerndes Krachen kam.
Der Schwarze hielt mit dem Speere an und sah nach der Störung zurück wie die anderen, die nicht mit dem Niederhalten des Affenmenschen beschäftigt waren.
Sie sahen im Feuerschein eine riesige Masse gegen die Wand stürmen, sie sahen die Palisade schwanken und nach innen sinken. Sie sahen noch, wie sie zersplitterte, als ob sie aus Stroh gebaut wäre und dann donnerte Tantor, der Elefant, auf sie ein.
Mit Schreckensschreien flohen die Schwarzen nach rechts und links. Einige, obenauf im Handgemenge mit Tarzan, hörten es und brachten sich in Sicherheit, aber ein halbes Dutzend von ihnen war so in wahnsinniger Kampfwut verbissen, dass sie selbst die Ankunft des riesigen Elefanten überhörten.
Tantor griff diese mit wütendem Trompeten an. Über ihnen stand er, schwenkte seinen empfindlichen Rüssel, und jetzt hatte er Tarzan auf dem Boden herausgefunden, zwar blutete dieser, aber er kämpfte immer noch.
Einer der Krieger sah aus dem Handgemenge auf. Über ihm türmte sich der riesige Koloß des Dickhäuters, das Licht des Feuers glänzte aus den kleinen Augen – boshaft, fürchterlich, schreckenerregend sahen sie herab. Der Krieger schrie, aber schon umfasste ihn der biegsame Rüssel, hob ihr hoch empor und schleuderte ihn hinter dem Haufen Fliehender her. Mann für Mann riss Tantor die anderen vom Körper des Affenmenschen und schleuderte sie nach rechts und links, wo sie dann stöhnend oder ganz still liegen blieben, je nachdem sie der Tod langsam oder sofort ereilte.
Mbonga sammelte in einiger Entfernung seine Krieger. Seine gierigen Augen hatten die großen Stoßzähne des Elefanten bemerkt. Als der erste Schreck vorbei war, jagte er seine Leute mit den schweren Elefantenspeeren zum Angriff vor. Aber als sie kamen, schwang Tantor Tarzan auf seinen breiten Kopf, schwenkte herum und trampelte durch die große Bresche, die er in die Palisadenwand gebrochen hatte, wieder in den Dschungel hinaus.
Die Elefantenjäger mögen recht haben, wenn sie behaupten, dass dieses Tier einem richtigen Menschen einen solchen Dienst nicht erwiesen haben würde, aber für Tantor war Tarzan kein Mensch – er war ihm ein Kamerad aus den Dschungeltieren.
Und damit erfüllte Tantor, der Elefant, eine Dankespflicht gegen den Affentarzan und kittete ihre alte Freundschaft noch fester. Denn sie bestand schon zwischen ihnen, seit Tarzan noch als kleiner, brauner Knabe unter den Gestirnen des Äquators auf Tantors mächtigem Rücken durch den mondbeschienenen Dschungel geritten war.
Der Kampf um das Affenbaby
Teeka war Mutter geworden. Affentarzan zeigte außerordentliches Interesse dafür, viel mehr als selbst Taug, der Vater, denn Tarzan hatte Teeka sehr gerne. Selbst die Sorgen der bevorstehenden Mutterschaft hatten in Teeka noch nicht ganz das Feuer der sorglosen Jugend erstickt und sie war in dem Alter, in welchem die anderen Weibchen von Kerschaks Stamm bereits die mürrische Würde der Vollreife annahmen, immer noch ein gutlauniger Spielgefährte geblieben. Sie hatte immer noch ihr kindliches Entzücken an den primitiven, von Tarzans fruchtbarem Menschenhirn erfundenen Abschlag- und Versteck-Spielen behalten.
In den Baumwipfeln Abschlagen zu spielen, ist ein anregender und aufregender Zeitvertreib. Tarzan schwärmte dafür, aber die mit ihm gleichaltrigen Affen hatten längst solch kindische Dinge aufgegeben. Doch wenigstens Teeka war immer scharf dabei gewesen bis kurz ehe ihr Baby kam; mit der Ankunft ihres Erstgeborenen jedoch änderte sich auch Teeka.
Die Erkenntnis dieser Änderung überraschte und verletzte Tarzan außerordentlich. Eines Morgens sah er, wie Teeka auf einem niedrigen Zweig hockte und etwas sehr eng an ihre Brust drückte – ein winziges Etwas, das sich krümmte und zappelte. Tarzan nahte sich mit jener Neugierde, die allen Geschöpfen gemeinsam ist, sobald ihr Gehirn über mikroskopische Abmessungen hinaus entwickelt ist.
Teeka rollte die Augen nach ihm und drückte das zappelnde Körperchen noch enger an sich. Tarzan kam näher. Teeka zog sich zurück und zeigte die Fangzähne. Tarzan fand, dass so etwas noch nicht dagewesen war! Teeka hatte ihm bisher die Zähne nie anders als im Spiel gezeigt; aber heute sah sie nicht nach Spiel aus. Tarzan fuhr sich mit seinen braunen Fingern durch das dichte schwarze Haar, bog den Kopf auf die Seite und äugte. Dann rückte er ein Stückchen näher und reckte den Hals, um das Ding, welches Teeka mit den Armen verhüllte, besser zu sehen.
Wieder zog Teeka mit warnendem Schnarren die Oberlippe hoch. Tarzan streckte vorsichtig eine Hand aus, um das Ding in Teekas Armen zu berühren, als Teeka plötzlich mit einem hässlichen Brummen auf ihn losfuhr. Ehe der Affenmensch seinen Arm zurückziehen konnte, biss sie ihn hinein und verfolgte ihn noch eine kurze Zeit, während er sich sogleich durch die Bäume davonmachte. Teeka mit ihrem Baby im Arm konnte ihn nicht einholen.
In sicherer Entfernung hielt Tarzan an und besah mit unverhehltem Erstaunen seine frühere Spielgefährtin. Was war geschehen, dass sich die sanftmütige Teeka so geändert hatte? Sie hatte das Ding in ihren Armen so bedeckt, dass Tarzan es bis jetzt noch nicht hatte erkennen können, aber als sie von seiner Verfolgung abließ, sah er es. Und Tarzan lächelte trotz Schmerz und Ärger, denn er hatte junge Affenmütter schon früher gesehen. In ein paar Tagen würde sie weniger argwöhnisch sein. Aber Tarzan war dennoch gekränkt. Es war nicht recht, dass Teeka ihn wie alle anderen fürchtete. Ei! nicht um alles in der Welt würde er ihr etwas zuleide tun, sowenig wie ihrem Balu. Balu ist nämlich das Affenwort für Baby.
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