»Die Leute, die heute dazu kommen, sind meist auch schon Anfang 20«, berichtet Hagen. Viele kämen aus dem Unimilieu und würden von bereits amtierenden Fans mitgeschleppt. Die Kids gehen nicht zu TeBe, sie gehen dahin, wo erste Liga gespielt wird oder eine aktive Ultraszene ihr lautstarkes Wesen treibt. Mit beidem kann TeBe nicht dienen. Seit einigen Jahren ist Liebing, der hauptberuflich als Redakteur bei einem Veranstaltungsmagazin arbeitet, auch noch Pressesprecher bei TeBe. Unbezahlt natürlich. Eigentlich wollte er das nur so lange machen, bis der Verein wieder aus den gröbsten finanziellen Zwängen raus sein würde und sich in der Drittklassigkeit vielleicht endlich wieder einen hauptamtlichen Pressesprecher würde leisten können. »Aber die Halunken steigen und steigen ja nicht auf.« Gut möglich, dass sich das in der Saison 2007/08 ändert. Mario Weinkauf, der ehemalige BFC-Präsident, hat sich dem Verein angedient. In der Vergangenheit hatte er hin und wieder seine Schwierigkeiten, sich vom problematischen Teil der BFC-Klientel abzusetzen. Mal gerierte er sich als Vorkämpfer in Sachen demokratischer Kultur, mal deckte er auch die offensichtlichsten Entgleisungen.
Ebenso dubios kommt den TeBe-Fans der neue Brustsponsor vor, für den der Verein seit dem Winter 2007 wirbt. Womit die »Treasure AG« ihr Geld verdient, wissen die Fans jedenfalls immer noch nicht. Dass sie zunächst mal über Geld zu verfügen scheint und vor allem, dass sie von Mario Weinkauf angeschleppt wurde, steht jedoch fest. Was Mario Weinkauf umtreibt, außer der Sehnsucht, als großer Player im kleinen Berliner Fußball dazustehen, weiß jedoch nur Mario Weinkauf.
Das Derby
Langsam wird es dunkel über Charlottenburg, in dem Wäldchen zwischen S-Bahn-Station Eichkamp und Mommsenstadion treffen sich einzelne Grüppchen TeBe-Fans. Die S-Bahn, die um diese Zeit noch häufig fährt, spuckt mal 10, mal 20 lila-weiß Gewandete aus. Sonderbahnen wird die BVG wohl auf absehbare Zeit nicht einsetzen müssen, wenn Tennis Borussia Berlin zum Heimspiel bittet. Eine halbe Stunde vorher hat die Polizei etwa 1.000 BFC-Fans in ihre Kurve begleitet. Die Fantrennung funktionierte bislang bestens.
Nach dem Schlusspfiff zeigt sich die Polizei weniger gut in Form: Ein Platzsturm einiger hundert siegestrunkener BFC-Fans kann nicht unterbunden werden, weil die Einsatzkräfte zu hunderten genau da postiert wurden, wo mit absoluter Sicherheit nichts passieren würde. Hätten die

The kids are united: So voll ist das »Mommse« selten.
BFCer an diesem Abend vorgehabt, die TeBe-Kurve zu stürmen, wäre wahrscheinlich eine Katastrophe passiert. Doch dazu kommt es nicht – TeBe ist in Sachen Faustrecht kein Gegner. Dabei hatten die Heimfans vorher die ein oder andere Frechheit Richtung BFC-Fanaten geschleudert. Obwohl die etwa 1.000 Fans in der Gästekurve das Heimspiel zum Auswärtsspiel machten, hielt das keinen der etwa 500 TeBeler in der Fankurve davon ab, den prallvoll gefüllten Gästeblock mit einem Hinweis auf das Plattenbauviertel zu beleidigen, in dem das BFC-Stadion steht: »Hurra, das ganze Haus ist da!« Auch ein laut skandiertes »Wendeverlierer« als Replik auf »Westberliner Scheiße« sorgt im anderen Lager nicht für ungeteilten Applaus. »Hühnerhof« statt »Düüünamooo« auch nicht.
Was hier gesungen wird, ist weder abgesprochen noch einstudiert. Einer hat eine lustige Idee, wirft sie ins alles andere als weite Rund und löst damit im Idealfall einen Schneeballeffekt aus, an dessen Ende die ganze Kurve mitsingt. Fußball war früher nicht nur bei TeBe so. Aber bei TeBe ist Fußball noch immer so. Dass das nicht allzu viele mitkriegen, ist die Tragik, unter der Tennis Borussia Berlin und seine Fans leiden. Doch das tun sie nur vordergründig. Eigentlich wissen sie, dass es verdammt viele Vorteile hat, wenn man nicht »everyone’s darling« ist.
Attraktiv wie eine Villa an der Côte d’Azur
Aus zwei Regionalligen wird eine, aus neun Oberligen deren drei. Ob das die unteren Ligen wie geplant aufwertet, ist mehr als fraglich. Dass dadurch zig Traditionsvereine in der Versenkung verschwinden oder gar Insolvenz anmelden werden, steht hingegen fest. Die eingleisige Profiliga scheint so attraktiv zu sein, dass sie sich kaum einer leisten kann.
Auf den ersten Blick haben die Protagonisten der Liga-Umstrukturierung gute Argumente: In der Tat fand der Fußball in Deutschlands dritten und vierten Ligen bislang in der öffentlichen Wahrnehmung kaum statt. Während man selbst um viertel nach zwei Uhr morgens noch Wiederholungen längst vergangener Erst- und Zweitligabegegnungen sehen kann, wird die Regionalliga seit Jahren auf wenige Minuten technisch nicht sonderlich aufwändiger Zusammenschnitte in den dritten Programmen reduziert. Die überregionalen Printmedien halten sich sogar fast gänzlich zurück, wenn es darum geht, über die unteren Spielklassen zu berichten. Dabei dürften sich nicht unbedingt weniger Menschen für das Schicksal von Dynamo Dresden oder Braunschweig interessieren als für das von Paderborn oder Wolfsburg.
Auch ein weiteres Argument der Reformbefürworter ist nicht wegzudiskutieren: Für eine einheitliche dritte Liga spricht auch die Tatsache, dass die bisherige Nordstaffel einen fast doppelt so hohen Zuschauerschnitt vorzuweisen hat wie die Südstaffel, bei der Begegnungen wie Elversberg gegen Pfullendorf eher die Ausnahme als die Regel sind. Die jedoch interessieren überregional allenfalls Exil-Pfullendorfer. Und da Pfullendorf landschaftlich wunderschön gelegen ist, gibt’s davon nicht allzu viele.
Indes gab es andere Motive für die Reform als den edlen Kampf um attraktive Begegnungen, die die Herzen der Fans erwärmen sollten. Zum Beispiel das ureigenste Interesse des DFB, endlich wieder eine möglichst attraktive Liga unter seinen Fittichen zu haben, nachdem die 1. und die 2. Bundesliga für immer unter das Dach der DFL entfleucht waren.
Und dann wäre noch der stete und geduldige Druck der Lobbyisten mancher Traditionsvereine, die endlich auch ans große Geld kommen wollten, aber nicht so recht schlüssig beantworten konnten, warum sie es dann seit Jahrzehnten nicht schaffen, trotz teilweise gigantischer Investitionen zurück in den Profifußball zu kommen.
Die Reform
Statt der 37 Drittligisten in einer Nord- und einer Südstaffel wird es nur noch 20 in einer einzigen Liga geben. Der Rest wird viertklassig. Für die bisherigen Regionalligisten bedeutet das, dass sie tunlichst erster oder zweiter werden sollten (dann wären sie, wie bisher, in die zweite Liga aufgestiegen) oder aber Platz drei bis zehn belegen sollten, um zumindest die Drittklassigkeit zu halten. Schon der Elfte spielt in der Saison 2008/09 in der dreigleisigen vierten Liga.
Heftig umstritten war monatelang die Frage, wie viele Amateurvertretungen der Erst- und Zweitligisten künftig drittklassig sein dürfen. Die Profivereine plädierten aus verständlichen Motiven dafür, deren Anzahl überhaupt nicht zu begrenzen. Schließlich hätten sie sich ja dann sportlich qualifiziert. Und überhaupt: Ihre Nachwuchsteams sorgten ja dafür, dass immer wieder gut ausgebildete Talente in die oberen Ligen nachrücken könnten.
Aus ebenso verständlichen Motiven hielten die Traditionsvereine dagegen. Während Begegnungen zwischen Dresden und Düsseldorf oder Braunschweig und Magdeburg hohe Zuschauerzahlen einbrächten, kämen nachweislich 30 Prozent weniger Zuschauer als im Saisonmittel, wenn es gegen Dortmund II oder den Nachwuchs von Bayer Leverkusen gehe. Unvergessen das Bild aus der Saison 2006/07, als Fans des VfL Osnabrück vor die gähnend leere Gästekurve ein Transparent mit der Aufschrift »Weg mit den Profiteams« hängten. Gegner war Bayer Leverkusen II; die Rheinländer hatten nicht einen einzigen Auswärtsfan im Schlepptau.
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