Das Ganze erscheint nur wie künstlich geschaffen.
Das Ganze erscheint nur wie künstlich geschaffen.
Der ironische Pinchinat sieht sich deshalb zu der Bemerkung veranlasst:
»Ah, das ist wohl alles, was Sie an Flüssen angelegt haben?«
»An Flüssen?… Wozu sollten sie dienen?« antwortet Calistus Munbar.
»Nun, selbstverständlich, um Wasser zu haben.«
»Wasser … das heißt, eine im Allgemeinen ungesunde, mikrobische und den Typhus gebärende Flüssigkeit?«
»Mag sein, man kann sie aber doch reinigen …«
»Wozu sich erst damit bemühen, wenn man imstande ist, ein hygienisches, von jeder Verunreinigung freies, auf Wunsch auch moussierendes oder eisenhaltiges Wasser zu erzeugen?«
»Sie fabrizieren also Ihr Wasser?« erkundigt sich Frascolin.
»Gewiss, und wir liefern es kalt oder warm in die Wohnungen, ebenso wie wir Licht, Töne, Zeit, Wärme, Kälte, motorische Kraft, Antiseptika und Elektrizität durch Selbstleitung verteilen …«
»Dann darf man wohl auch annehmen«, spöttelt Yvernes, »dass Sie sich den nötigen Regen erzeugen, um Ihre Rasenflächen und Blumen zu erfrischen?«
»Wie Sie sagen, Herr erster Geiger«, versichert der Amerikaner, während er mit den von Juwelen glitzernden Fingern durch den dichten Bart streicht.
»Also Regen auf Befehl!« ruft Sébastien Zorn.
»Jawohl, liebe Freunde, Regen, den ein im Erdboden liegendes Röhrennetz in regelmäßig geordneter, vorteilhafter und praktischer Weise zu spenden und zu verteilen gestattet. Ist das nicht weit besser als zu warten, bis es der Natur zu regnen beliebt, sich den Launen der Klimate zu unterwerfen, auf unpassende Witterung zu schimpfen, die einmal eine zu lange andauernde Nässe und dann wieder eine verzehrende Dürre bietet, ohne Abhilfe schaffen zu können?«
»Halt, hier muss ich Sie festnageln, Herr Munbar!« fällt Frascolin ein. »Zugegeben, dass Sie sich Regen zu verschaffen vermögen, so werden Sie doch nicht imstande sein, ihn zu verhindern, vom Himmel zu fallen.«
»Vom Himmel? Was hat denn der damit zu schaffen?«
»Nun, der Himmel oder, wenn Sie das lieber wollen, die Wolken, die sich entleeren, die atmosphärischen Strömungen mit ihrem Gefolge von Zyklonen, Tornados, Windstößen, Stürmen, Orkanen … Wenn z.B. die schlechte Jahreszeit kommt …«
»Die schlechte Jahreszeit …?« wiederholt Calistus Munbar.
»Ja, der Winter …«
»Der Winter?… Was ist denn das?«
»Ich sagte: der Winter mit Frost, Schnee und Eis!« ruft Sébastien Zorn, den die ironischen Antworten des Yankee in Wut bringen.
»Kennen wir nicht!« versichert Calistus Munbar sehr gelassen.
Die vier Pariser sehen einander an. Haben sie hier einen Narren oder einen Menschen vor sich, der sie nur foppen will? Im ersten Falle müsste er eingesperrt, im zweiten durch eine Tracht Prügel kuriert werden.
Inzwischen rollen die Tramwagen mit mäßiger Schnelligkeit durch die bezaubernden Anlagen dahin. Sébastien Zorn und seine Genossen glauben zu bemerken, dass jenseits der Grenzen dieses großen Parks regelrecht angebaute Landstücke liegen, die mit ihren verschiedenen Farben den Stoffmustern ähneln, wie man solche zuweilen an Schneiderläden ausgestellt findet. Jedenfalls sind das Felder mit Gemüsen, Kartoffeln, Kohl, Mohrrüben, Lauch, kurz mit allem, was zur gewöhnlichen Küche gehört.
Gern wären sie schon draußen im freien Lande gewesen, um zu sehen, was dieses eigenartige Gebiet an Korn, Weizen, Hafer, Mais, Gerste, Buchweizen und anderen Körnerfrüchten hervorbrachte.
Dagegen zeigt sich eine große Werksanlage, deren eiserne Schornsteine die niedrigen, mit mattem Glas eingedeckten Dächer daneben überragen. Die von eisernen Stangen gehaltenen Schornsteine gleichen denen eines Dampfers, eines »Great Eastern«, dessen mächtige Schrauben von hunderttausend Pferdekräften bewegt werden, nur mit dem Unterschiede, dass ihnen statt des schwarzen Rauches nur dünne Wölkchen entsteigen, die die Luft nicht im mindesten verunreinigen.
Diese Anlage bedeckt eine Fläche von zehntausend Quadratyards, also fast einen Hektar. Es ist das erste industrielle Etablissement, das dem Quartett, seitdem es unter Führung des Amerikaners seine »Ausflüge macht«, hier vor Augen gekommen ist.
»Ah, was für eine Anlage ist das?« fragt Pinchinat.
»Eine Fabrik mit Petroleum-Verdampfungsapparaten«, antwortet Calistus Munbar, dessen spitziger Blick die Gläser seines Binokels zu durchbohren droht.
»Und was erzeugt man in dieser Fabrik?«
»Elektrische Energie für den Park, das Feld und überhaupt für die ganze Stadt, wo sie in Kraft umgesetzt wird. Diese Werkstätten liefern auch den Strom für unsere Telegrafen, Telautografen, Telefone, Telefote, für die Klingeln und Küchenöfen, die Arbeitsmaschinen, Bogen- und Glühlampen, für unsere Aluminiummonde und unterseeischen Kabel …«
»Ihre unterseeischen Kabel?« fällt Frascolin lebhaft ein.
»Gewiss, für die, die die Stadt mit verschiedenen Stellen der amerikanischen Küste verbinden …«
»Und dazu war es nötig, ein so ungeheures Werk zu errichten?«
»Das will ich meinen, bei unserem großen Verbrauch an elektrischer … und auch an moralischer Energie!« erwidert Calistus Munbar. »Glauben Sie mir, meine Herren, es hat einer unberechenbaren Dosis von letzterer bedurft, um diese unvergleichliche, in der Welt ohne Rivalin dastehende Stadt zu gründen!«
Weithin in der Umgebung hört man das dumpfe Getöse aus dem riesigen Werke, das mächtige Abblasen des Dampfes, das Stoßen der Maschinen, und fühlt man ein Zittern des Erdbodens als Beweis für die ungeheure Kraft, die alles übertrifft, was in der modernen Industrie bisher geleistet worden ist. Wer hätte ahnen können, dass eine solche Kraft zur Bewegung der Dynamos und zur Ladung der Akkumulatoren nötig gewesen wäre?
Der Wagen rollt weiter und hält nach etwa einer Viertelmeile Weges an der Station beim Hafen. Alle steigen aus, und ihr Führer, der wie immer von Lobpreisungen überfließt, geleitet sie nach den Kais, an denen Niederlagen und Docks errichtet sind. Der Hafen bildet ein Oval, geräumig genug, um etwa ein Dutzend Seeschiffe aufzunehmen. Es ist mehr ein Bassin als ein Hafen, das durch zwei auf Eisengerüsten ruhenden Piers gebildet und an jeder Seite mit einem kleinen Leuchtturm ausgestattet ist, um das Einlaufen von Schiffen zu jeder Zeit zu ermöglichen.
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