Eine Fiedel? Haha, Was weiter? Ein paar Brettlein, ein paar Späne, ein paar Drähte darüber — hol’s der Teufel! Ist denn das vielleicht schon ein Grund, die Hände auf den Rücken zu legen und in tiefen Gedanken am Meeresstrande hin und her zu laufen?
„Daß mir altem, unwürdigem Manne solches beschieden sein sollte!“ sagte der Lehrer in seiner unverbesserlichen Schwärmerei. Und er macht hundert Schritte, hebt den Kopf und ruft: „Wie bleibt doch das Leben unbegreiflich und wunderbar!“ Und er macht abermals hundert Schritte und fragt: „War denn der Fischer Thorgeir eine Künstlernatur? Der Fischer Thorgeir? Er hat in seinem Leben keine Saite berührt … Oder ist vielleicht Karen, die stille Witwe, heimlicherweise gottbegnadet? Ach, diese niedrige Frau! … Der Knabe aber ist ein Naturgenie!“ ruft der Lehrer laut.
Das alles sagt und fragt und ruft Lehrer Klagg. Es sind erst wenige Tage verstrichen. Monrad lernte die ersten Griffe … Er lernte sie auf eine ganz besondere Weise.
„Alles das, was wir anderen in jahrelanger Geduld erkämpfen müssen, das wird diesem Knaben geschenkt! Es ist ihm alles mitgegeben. Es liegt schon in ihm …“
Ach, der alte Lehrer fällt schon fast auseinander vor Unbegreiflichkeit.
Ove Höigaard geht in seinen kolossalen Seestiefeln herum und spuckt verächtlich braunen Tabaksaft aus. „Eine Fiedel?“ fragt auch er. Er fragt die Prinzessin. „Du kannst dich darauf verlassen, noch vor Weihnachten wird derjenige, der hier leiblich vor dir steht, auch eine Fiedel besitzen. Er wird sich — beim Hunde — eine Fiedel in schwarzem Kasten mit Handgriff und Schloß und Schlüssel und allem kaufen! Und dazu wird er gleich drei Bogen kaufen und soviel Saiten, als du nur an allen deinen Fingern zählen kannst …“
Ja, und das ist also Ove.
„Aber“, wendet Hjördis ein, „damit ist dann noch lange nicht abgemacht, daß du auch darauf spielen kannst …“
„Ho — spielen? Hol mich der Teufel, Menschenskind! Warum und weshalb, frage ich, sollte derjenige, der sich eine echte, teuere und lackierte Fiedel mit zehn Strängen kaufen kann, nicht ebenso gut darauf spielen können wie ein erbärmlicher Häuslerknabe?“
Hjördis ist immer noch zurückhaltend und läßt sich nicht mit ein paar Worten überzeugen. Sie schweigt und betrachtet den Himmel hinter Ove.
„Glaubst du es vielleicht noch nicht?“ fragt Ove über eine hohe Schulter und mit unübertrefflicher Selbstsicherheit.
Ein Mann wie dieser Ove achtet die Welt nicht länger … Er lag zur stürmischen Winterzeit im offenen Boot draußen, tat Männerarbeit und führte sich in jeder Beziehung wie ein ganzer Kerl auf. Er verdiente Geld. Er wird von seiner Mutter Ranveig bewundert und von seinem alten Vater Olaj schon in allen Teilen um Rat und Auskunft gefragt. — Ove regiert auf Höigaard.
Jedoch hier auf dieser Wiese redet er mit Hjördis, Finns Tochter, die eine verzauberte Prinzessin ist, und die vor Oves Größe und Macht noch lange nicht in die Knie sinken will. Es bietet sich ihr hier eine prächtige Gelegenheit zu einem lustigen, unschuldigen Spielchen … eine feine Gelegenheit, ihre Macht und Kunst zu probieren.
„Wozu polterst du da noch immer in deinen großen Stiefeln herum, du, Ove, und prahlst fürchterlich mit deinem Reichtum? — Was sollte dieses alles wohl bedeuten gegen ein Naturgenie, dem eine ganze Welt zujubelt …“
Hoho! — Da wird Ove aber noch breiter in der Brust vor männlichem Stolz. Es ärgert ihn nicht wenig, daß seine Überlegenheit ausgerechnet an dieser Stelle der Erde nicht bemerkt werden soll.
„Gott tröste dich, Mädchen!“ ruft er. „Was für idiotisches Geschwätz! Was willst denn du von der ganzen Welt wissen? Überhaupt, was für etwas? Was soll denn ein Naturgenie sein?“
Ove ist ein hitziger Bursche, ohne jegliche Achtung vor Größe, und selbst in Damengesellschaft noch unmanierlich. Und da er nun in die vergnügten Spottaugen des Mädchens Hjördis blicken muß, schäumt sein heißes Blut über ihm zusammen. Er spuckt krachend auf die Wiese.
„Tvii! — sei so gut, mein süßes Kind! Dort liegt dein Naturgenie in ganzer Lebensgröße …“
Und hiermit wendet sich Ove um. Und hiermit geht er.
Ove geht auf dem schmalen Fußpfad seinem Elternhause zu, er geht dorthin, wo er etwas gilt, wo er der Herr ist und das Regiment führt. Er wendet Hjördis seinen breiten Rücken zu und ist im Ernst beleidigt und schaut nicht mehr zurück.
Das Mädchen Hjördis kann sich hingegen nicht halten und muß ihm noch nachrufen: „Du solltest dich bloß schämen, Ove! Du bist nichts als ein richtiger Spucknapf und dazu noch ein großschnäuziger Grobian. So wie du hätte Monrad sich niemals aufgeführt.“
Hiermit geht auch Hjördis und ist recht vergnügt und befriedigt von ihrem Spielchen.
Ottny jedoch wird rasend von allen diesen Begebenheiten. Und wenn sich schließlich zum Üblen noch Schlimmes hinzufügt, kann der Fall eintreten, daß Ottny ihre Nasenlöcher aufsperrt. Und es ist vielleicht doch keine Lüge, daß daraus dann Schwefelgeruch aufsteigt, wie der Hofbauer Finn es gelegentlich behauptet. Der Hofbauer verpfändet seine Seele für die Richtigkeit.
Hört, es beginnt Ottny gewaltig mit dem Kochlöffel zu trommeln und verdächtig zu schnaufen …
Warum aber mußte das tückische Schicksal denn ausgerechnet in diesen Tagen, an denen einer Fiedel wegen am Strande von Tyremoen alles aus dem rechten Kurs geraten will — warum mußte es den Hofbauer an das obere Gatter neben der Kätnerhütte führen?
Hätte man sich hierüber bei Finn selber erkundigt, so hätte man wahrscheinlich vernehmen können, daß ein Hofbauer sich leider um mancherlei zu kümmern hat, und sich bei weitem nicht nur mit den Wolken am Himmel und den verschiedenen Andeutungen und Aspekten im Kalender begnügen kann. Und da wäre also dieses Gatter. Das ist mit den Jahren wirklich schadhaft geworden. Wenn das Gatter nicht mehr schließt, merken es die Schafe bald, dann schleichen sie sich aus dem Walde heraus, um Finns Haferacker, der in diesem Frühjahr — Gott sei Preis und Ehre! — ganz besonders dunkelgrün steht, abzufressen und großen Schaden zu stiften.
Fern aller Sünde sind Finns Gedanken, als er sich des mangelhaften Gatters erinnert. Oder sollte das vielleicht schon ein Verbrechen und unsittlich sein, wenn Karen, die Witwe, mit dem Wassereimer aus ihrer Hütte tritt?
Karen kann ja gar nicht anders, sie muß auf alle Fälle am Bauer vorbei, wenn sie hinunter zum Elv will.
Ottny hingegen in ihrer Stube betrachtet dieses Vorkommnis mit anderen Augen. Sie betrachtet es vollkommen vom eigenen Standpunkt aus. Darum rasselt sie vor Empörung mit ihrem Brustkasten, stößt zugleich mit dem giftigen Atem die unglaublichsten Seufzer aus und ruft mit lauter Stimme alle bösen Geister zum Beistand herbei.
Wahrscheinlich sagt in diesem Augenblicke dort oben die Witwe: „Gesegnet sei deine Arbeit, du, Finn! … Ja, dieses Gatter wurde mit der Zeit wahrlich baufällig.“
Damit geht sie auch schon vorbei.
Nein, bewahre! Karen blieb nicht stehen — das können die weißen Wolken am Himmel und das können alle Blumen auf der Wiese bezeugen. Karen? Ihr Fuß zögerte nicht. Sie schaute nicht länger zum Hofbauer hin als unbedingt nötig gewesen, ihm diese paar unschuldigen Worte zu sagen.
Der Bauer Finn seinerseits muß darauf nun erwidern: „Dieses Gatter! — Es hat mich schon manches sündige Mal geärgert, sollst du wissen! Den ganzen Winter lang ging ich herum und dachte bei mir selber, ein neues zu arbeiten. Aber ich hatte doch, beim Hunde, keine Zeit, siehst du …“
Indessen hat ja die Witwe schon mehrere Schritte gemacht. Aber sie muß nun doch ein wenig stehenbleiben; und sie antwortet nach rückwärts und sicherlich nur aus reiner Höflichkeit: „Oh — ja du! Einem Manne wie dir, Finn, mag sowohl bei Tag wie bei Nacht manches durch den Kopf gehen.“
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