Literatur: Clasen, J./Scherz, A., Zur Wirkungsweise von § 320 und § 273 BGB im Zivilprozess, JA 2011, 289; Hohmann, H., § 242 BGB und unzulässige Rechtsausübung in der Rechtsprechung des BGH, JA 1982, 112; Heiderhoff, B./Skamel, F., Teilleistungen im Kaufrecht, JZ 2006, 383; Herresthal, C., Die Rechtzeitigkeit der Leistungshandlung bei der Erfüllung von Geldschulden, ZGS 2007, 48; Jenal, O./Schimmel, R., § 242 – Verwirkung bei Gestaltungsrechten, JA 2002, 619; Keller, R., Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB, JuS 1982, 665; Nastelski, K., Die Zeit als Bestandteil des Leistungsinhalts, JuS 1962, 289; Schur, W., Die Verknüpfung wechselseitiger Leistungen, JuS 2006, 673; Teichmann, A., Venire contra factum proprium – Ein Teilaspekt rechtsmissbräuchlichen Handelns, JA 1985, 497; Thomä, V., Tilgung fremder Schuld durch irrtümliche Eigenleistung?, JZ 1962, 623; Wietfeld, A., Rechte des Verkäufers bei Nichteinhaltung von Zahlungs- und Abholfristen bei Ebay-Käufen, Jura 2013, 851.
Rechtsprechung: BGH NJW 1983, 563(Berufung auf Formnichtigkeit als Verstoß gegen Treu und Glauben); BGH NJW 1990, 1289(Missbräuchliches Herausgabebegehren betreffend Geschäftsunterlagen); BGH NJW 1992, 556(Zurückbehaltungsrecht des Schuldners und Einrede des nichterfüllten Vertrags im Prozess); BGH NJW 2004, 3484(Treuwidrige Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts); BGH NJW 2007, 2183(Verwirkung des Herausgabeanspruchs des eingetragenen Eigentümers eines Grundstücks); BAG NJW 1997, 274(Kündigung und Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts).
Klausur: Kupfer, T., Die vertraglich vereinbarte Leistungszeit in der Klausurbearbeitung, JuS 2018, 518.
213Im Schuldverhältnis ist die eine Seite des Schuldverhältnisses verpflichtet, ihre Schuld gegenüber der anderen Seite zu erbringen, gegebenenfalls sogar im Synallagma. In der Vereinbarung zwischen den Parteien kann festgelegt werden, auf welche Art und Weise, vor allem aber wo, wann und wie die Schuld zu leisten ist. Einigen sich die Parteien nicht auf die unterschiedlichen Modalitäten, kann hilfsweise die jeweilige Regelung aus dem Allgemeinen Teil des Schuldrechts eingreifen. Diese Bestimmungen können zunächst die Art der Erbringung der Schuld betreffen, also insbesondere auch die Frage, wer die konkrete Leistungspflicht zu erbringen hat. Darüber hinaus enthält insbesondere § 242 Näheres dazu, wie die Leistung erbracht werden muss, nämlich nach Treu und Glauben. Zudem existieren dispositive Regelungen zum Ort und Zeit der Leistungserbringung, § 269, § 270 und § 271.
I.Die Art der Leistungserbringung
214Eine erste Regelungsmaterie betrifft die Fragen, wiedie Leistungserbringung durch den Schuldner zu erfolgen hat. Das meint sowohl den Aspekt des Umfangsder Leistung als auch der Möglichkeit einer Teilung der Leistung. Darüber hinaus ist bedeutsam, werkonkret zu leisten hat. Schließlich geht es um die Art und Weiseder Leistungserbringung nach Treu und Glauben gem. § 242.
1.Der Umfang der Leistung
215Das BGB geht bei fehlender Parteivereinbarung in seiner Grundregelung in § 266 davon aus, dass der Schuldner prinzipiell nicht dazu berechtigt ist, die von ihm geschuldete Leistung in Teilenzu erbringen. Ob eine Teilleistung überhaupt denkbar ist, ist von der Natur der Leistung abhängig. Die Teilung ist nur möglich, wenn sie ohne Minderung in ihrem Wert und vor allem ohne Beeinträchtigung des Leistungszwecks erfolgen kann. 290
216Die prinzipielle Ablehnung des BGB in seiner dispositiven Regelung in § 266, nach der der Schuldner zu Teilleistungennicht berechtigt ist, hat besonders den Schutz des Gläubigersim Blick. Dieser soll davor geschützt werden, dass der Schuldner immer wieder versucht, einzelne Teilleistungen zu erbringen, um auf diese Weise den Gläubiger dazu zu zwingen, ständig einen Teil annehmen zu müssen. 291Weil der Schuldner nicht zur Teilleistung berechtigt ist, kann daher der Gläubiger ihre Annahme auch verweigern, ohne dadurch in Annahmeverzug zu geraten. Denn er ist nur verpflichtet, das anzunehmen, was vom Schuldner auch erbracht werden darf. 292
Beispiel:Aus einem Kaufvertrag schuldet A dem B noch 100 €. Prinzipiell kann A dem B nun nicht erst 20 €, dann 30 €, dann noch einmal 10 € und später 40 € zahlen. Derartige „Stückelungen“ muss B nicht akzeptieren.
217Etwas anderesgilt in dieser Situation nur dann, wenn die Parteien anderes vereinbart haben. Das häufigste Beispiel in dem Zusammenhang ist die Vereinbarung der Parteien über die Möglichkeit des Schuldners, seine Geldschuld in Ratenzu bezahlen. Die Ratenvereinbarung ist das Standardbeispiel für die Vereinbarung der Parteien über die Teilbarkeit der Leistung in Abweichung zu § 266. Vereinbaren die Parteien sie, ist die Zahlung einer jeden einzelnen Rate eine vollständige Erfüllung des jeweiligen Einzelanspruches, nämlich dieser Rate. 293
218 Umgekehrtist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der Gläubiger seinerseits, der durch § 266 geschützt werden soll, nicht daran gehindert wird, nur Teile der Leistung zu fordern. 294Insbesondere kann er auch lediglich Teilleistungen verlangen und auch teilweise Leistungen einklagen, etwa um Gerichts- und Anwaltskosten zu sparen. 295Vereinbaren die Parteien nichts anderes, darf der Gläubiger nicht nur Teilleistungen ablehnen, ohne in Annahmeverzug mit den entsprechenden Folgen zu geraten. Vielmehr kann er auch vom Schuldner, der seine Leistungspflicht nicht ausreichend erfüllt, weil er eben nur eine unzulässige Teilleistung angeboten hat, einen Schadensersatz, etwa wegen Verzugs der ganzen Leistung, verlangen. Zudem kann der Gläubiger auch entscheiden, ob er eine Teilleistung annehmen möchte und dadurch im Nachhinein § 266 abbedingt, oder ob er nur eine Teilleistung einklagt.
2.Die Person des Leistenden
219Ebenfalls im Allgemeinen Teil des Schuldrechts geregelt ist die Frage, ob die vom Schuldner zu erbringende Leistung von diesem höchstpersönlich erbracht werden muss oder ob er auch die Möglichkeit hat, die Leistungserbringung durch einen anderendurchführen zu lassen. Hier sieht § 267 bei fehlender Vereinbarung der Parteien 296vor, dass der Schuldner in allen Fällen, in denen der Schuldner nicht in Person zu leisten hat, berechtigt ist, die Leistung auch von einem Dritten bewirken zu lassen.
Beispiel:Bei A ist der Abfluss des Waschbeckens verstopft. Daher ruft er das Rohrreinigungsunternehmen R an und spricht dort mit dem Inhaber R, der verspricht, gleich vorbeizukommen. Statt des R erscheint nun dessen Angestellter – auch dieser kann nach der Grundregel des § 267 die Arbeiten ausführen, sodass die Pflicht des R gegenüber dem A erfüllt wird.
220Es gilt ein Regel-Ausnahme-Verhältnis: Regelmäßig ist der Schuldner berechtigt, die Leistungserbringung durch einen Dritten durchführen zu lassen. Diese Verteilung von Regel und Ausnahme ist interessengerecht, denn der Gläubiger hat häufig kein Interesse daran, dass genau der Schuldner, der mit ihm vertraglich verbunden ist, die Leistung erbringt. Ihm wird es vielmehr darauf ankommen, dass die Leistung überhaupt erbracht wird. 297Etwas anderes gilt nur dann, wenn entweder vertraglich vereinbart ist oder sich aus dem konkreten Schuldverhältnis ergibt, dass der Schuldner in Person leistenmuss. Das kann direkt zwischen den Parteien vereinbart werden, vor allem dann, wenn es dem Gläubiger gerade auf den konkreten Schuldner (etwa wegen seiner Fachkunde) ankommt. Manche Schuldvertragstypen des BGB sehen darüber hinaus eine höchstpersönliche Leistungspflicht vor. Nach § 613 etwa ist bei einem Dienst- bzw. Arbeitsvertrag im Zweifel anzunehmen, dass die Leistung durch den Vertragspartner erfolgen muss.
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