206Neben den beiden genannten Voraussetzungen (Vereinbarung einer Vertragsstrafe und wirksame Vereinbarung einer Hauptschuld) ist dritte Voraussetzung, dass der Schuldner gegen die der Vertragsstrafe zugrunde liegende Pflicht verstoßen hat. Wann dies der Fall ist, ist davon abhängig, ob es sich bei der von der Vertragsstrafe begleiteten Hauptverbindlichkeit um ein positives Tunoder um ein Unterlassenhandelt. Geht es um ein positives Tun, wird also eine Handlungspflicht des Schuldners von diesem nicht oder in nicht ordnungsgemäßer Weise erfüllt, tritt nach § 339 Satz 1 eine Verwirkung erst ein, wenn der Schuldner mit seiner Leistung in Verzug kommt. 272Notwendig ist also vor allem ein Verschulden des Schuldners. Doch ist hier zu beachten, dass gerade dieses Erfordernis des Verschuldens nach ganz überwiegender Auffassung dispositiv ist. Die Parteien können also vor allem durch Individualvertrag etwas anderes vereinbaren und eine Vertragsstrafe auch eintreten lassen, wenn der Schuldner nicht schuldhaft gehandelt hat. 273Ist eine solche Vereinbarung gegeben, ist eine Vertragsstrafenabrede letztlich nichts anderes als eine mit Sanktionen bewährte Garantiehaftung. 274Eine Vereinbarung in den AGB, der zufolge eine Vertragsstrafe auch ohne Verschulden des Schuldners greifen soll, ist indes nach Ansicht des BGH unwirksam, da insofern ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 vorliegt, weil eine solche Verabredung mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. 275
207Anders ist die Lage zu beurteilen, wenn die geschuldete Leistung, also die eigentliche Hauptverpflichtung in einem Unterlassenliegt. Dann ist als weitere Voraussetzung nämlich gem. § 339 Satz 2 lediglich zu verlangen, dass der Schuldner eine entsprechende Zuwiderhandlung begangen hat. Er verwirkt also die Strafe, wenn er die Handlung, die er unterlassen sollte, entgegen der Vereinbarung doch begeht. 276Anders als in Satz 1 ist in dieser Alternative im Gesetzeswortlaut nicht ersichtlich, dass ein Verschuldennotwendig ist. Daraus wird zum Teil abgeleitet, dass bei einem Unterlassen im Rahmen der Vertragsstrafe ein Verschulden nicht vorausgesetzt ist. 277Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr muss man auch hier davon ausgehen, dass eine Verwirkung – vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung zwischen den Parteien – zwingend voraussetzt, dass der Schuldner schuldhaft der Unterlassungsverpflichtung zuwidergehandelt hat. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die Verletzung von Unterlassungspflichten strenger behandelt werden sollte als der Fall, in dem die Hauptleistungspflichten positiv verletzt werden. 278
208 Letzte Voraussetzungist schließlich über den Gesetzestext hinaus die eigene Vertragstreue des Gläubigers. Dieser soll also nur dann die vereinbarte und verwirkte Vertragsstrafe reklamieren können, wenn er selbst vertragstreu gehandelt hat. 279Das folgt letztlich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242. Denn der Gläubiger würde rechtsmissbräuchlich handeln, wenn er selbst eine Pflichtverletzung des Schuldners, etwa durch einen eigenen Vertragsbruch, provoziert hat, danach jedoch seinerseits die Vertragsstrafe verlangt. 280
209Liegen die genannten Voraussetzungen vor, hat der Gläubiger einen Anspruch auf die vereinbarte Vertragsstrafe. Eine nähere Bezifferung des konkret eingetretenen Schadens ist nicht erforderlich. 281Die Höhe der vom Schuldner zu leistenden Strafe richtet sich ausschließlich nach der Parteivereinbarung. Nur wenn die verwirkte Strafe unverhältnismäßig hoch ist, kann sie auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden, § 343 Abs. 1 Satz 1. Bei der Beurteilung hinsichtlich der Angemessenheit ist nach § 343 Abs. 1 Satz 2 jedes berechtigte Interesse des Gläubigers in Betracht zu ziehen, d. h. insbesondere, dass nicht bloß das Vermögensinteresse eine Rolle spielt. 282Hat der Schuldner die Vertragsstrafe bereits geleistet, ist eine Herabsetzung im Nachhinein ausgeschlossen. 283Die Vorschrift des § 343 Abs. 1 mit Blick auf die Möglichkeit der Herabsetzung ist nicht abdingbar, im Handelsrecht gilt aber § 348 HGB, wonach der Schuldner eine Herabsetzung nicht verlangen kann, wenn er Kaufmann ist. 284Die nach § 343 ausnahmsweise mögliche Herabsetzung der Vertragsstrafe setzt im Hinblick auf die Höhe zwingend voraus, dass überhaupt eine wirksame Vertragsstrafe vorlag. Eine Herabsetzung durch den Richter kommt also insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die vereinbarte Höhe der Vertragsstrafe schon selbst dazu geführt hat, dass die Vertragsstrafenvereinbarung etwa gem. § 138 Abs. 1 oder § 307 unwirksam war. 285
210Sind die Voraussetzungen, unter denen dem Gläubiger ein Anspruch auf die Vertragsstrafe zusteht, dergestalt geklärt, so bleibt offen, wiesich die Ansprüche auf Erfüllung, Schadensersatz und Vertragsstrafe zueinander verhalten. Nach den Regelungen in § 340 und § 341 hängt dies davon ab, wofür die Vertragsstrafe geschuldet ist, also ob die Strafe für den Fall der Nichterfüllung oder für denjenigen der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung vereinbart worden ist.
Beispiel: In dem zuvor genannten Beispiel (unter Rn. 203) wäre also zu klären, ob A bei einem Verzug nur die Vertragsstrafe zu zahlen hat oder ob er etwa dem B auch noch den Schaden an seinem Pkw ersetzen muss, der dadurch entstanden ist, dass der B seinen Wagen am 24.12. nicht unterstellen konnte, als ein heftiger Wintereinbruch den Wagen beschädigt hat.
211Ist die Vertragsstrafe für die Nichterfüllung durch den Schuldner vereinbart, legt § 340 Abs. 1 Satz 1 fest, dass der Gläubiger die verwirkte Strafe statt der Erfüllungverlangen kann. Er kann sie nicht nebeneinander verlangen. Er muss also entscheiden, welchen der beiden Ansprüche er geltend macht. Erklärt er, dass er die Strafe verlangt, ist nach § 340 Abs. 1 Satz 2 der Erfüllungsanspruch ausgeschlossen. 286Dies ist auch konsequent, denn das Geltendmachen der vereinbarten Strafe ist im Ergebnis nichts anderes als ein vereinfachter Weg, seinen Schaden geltend zu machen. Wie immer schließen sich aber Schadensersatz wegen Nichterfüllung einerseits und Erfüllung andererseits aus. 287Zu beachten ist jedoch, dass in § 340 Abs. 2 die besondere Situation angesprochen ist, dass der Gläubiger einen höheren Schaden erlitten hat als ihm nach der Vertragsstrafenvereinbarung zusteht. Zwar kann der Gläubiger dann nicht neben der Vertragsstrafe Ersatz des ganzen Schadens verlangen, die verwirkte Strafe aber zumindest als Mindestbetrag des Schadens. Dann ist die Geltendmachung auch eines weiteren Schadens nicht ausgeschlossen. Der Gläubiger kann also dann unter Beachtung der allgemeinen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches etwa aus § 280 Abs. 1 auch höher eingetretene Schäden geltend machen.
212 Anderssieht die Abgrenzung dann aus, wenn es um eine Strafe für eine nicht gehörige Erfüllunggeht, wenn also der Schuldner nur verspätet oder schlecht leistet. In diesem Fall kann gem. § 341 Abs. 1 die Vertragsstrafe auch neben der Erfüllung geltend gemacht werden, denn auch hier kann man letztlich auf das Allgemeine Schuldrecht zurückgreifen. Dann tritt nämlich die Strafe nicht an die Stelle der Erfüllung, vielmehr geht es bei dieser Vereinbarung allein darum, die Ordnungsgemäßheit der Erfüllung der Hauptleistungspflicht abzusichern. 288Eine kleine Einschränkung sieht nur § 341 Abs. 3 vor. Hat der Gläubiger die Hauptleistungspflicht als erfüllt angenommen, kann er die Strafe nur verlangen, wenn er sich das Recht dazu bei der Annahme der Hauptleistung vorbehalten hat. 289
§ 6Die Bestimmungen der Modalitäten der Leistungspflichterbringung
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