197 e) Geldschuld, Zinsschuld.Eine besondere Stellung nimmt die Geldschuldein. Obwohl sie einen überaus großen praktischen Anwendungsbereich hat, ist sie im BGB nur in wenigen Vorschriften geregelt, so befassen sich nur die §§ 244–248, 253, 270 sowie §§ 288–291 mit Geldschulden. Eine eigenständige Definition für diesen praktisch wichtigsten Leistungsgegenstand existiert nicht. Bei fast allen gegenseitigen Verträgen des BGB wie dem Kauf-, dem Miet-, dem Dienst- oder Werkvertrag bildet es den Gegenleistungsinhalt. Bei unerlaubten Handlungen richtet sich auch der Schadensersatzanspruch im Allgemeinen auf Geld. Daher ist es überraschend, dass das Gesetz so nachlässig mit ihm umgeht.
198So bleibt unklar, in welche Kategoriedie Geldschuld einzuordnen ist. Um eine Stückschuld handelt es sich sicher nicht. Ob sie als eine Gattungsschuld anzusehen ist, ist umstritten. Zum Teil wird dies vertreten: Die Geldschuld soll nach dieser Ansicht eine besondere Form der Gattungsschuld sein. Doch passen die Vorschriften für die Gattungsschuld auf Geldschulden nicht. 257§ 243 Abs. 1 etwa, der die Auswahlvorschrift für die Gattungsschuld in Bezug auf die mittlere Art und Güte festlegt, ist für Geld unbrauchbar. Gleichwohl hält die Rechtsprechung daran fest, dass es sich um eine besondere Gattungsschuld handelt. 258Doch wird man stattdessen davon ausgehen müssen, dass vielmehr eine Wertverschaffungsschuldvorliegt. Der Schuldner muss nämlich dem Gläubiger nicht eine mittlere Art und Güte von Geld verschaffen, sondern er muss dem Gläubiger das durch den Nennbetrag der Schuld ausgedrückte Mengenverhältnis erbringen. Geld kann also nur in Form einer Summe, nicht in einer Qualitätsform verschafft werden. 259
199Gleichwohl werden bestimmte Vorstellungen auch hier eingreifen, die ansonsten die Gattungsschuld beherrschen. Insbesondere gilt dies im Hinblick auf die Unmöglichkeit. Wie bei der Gattungsschuld kann sich der Schuldner bei der Geldschuld grundsätzlich nicht auf die Unmöglichkeit gem. § 275 berufen. Wenn man die Geld- als eine Wertverschaffungsschuld ansieht, hat der Schuldner die Pflicht, dem Gläubiger einen bestimmten Wert zu verschaffen. Das ist unabhängig davon, ob er selber über diesen Wert verfügt – hieraus resultiert letztlich auch der Spruch „Geld muss man haben“. Eine Befreiung von der Verschaffungsschuld im Hinblick auf den entsprechenden Nennbetrag kann nicht eintreten, denn er ist unabhängig von dem, was der Schuldner selber zur Verfügung hat. Man kann also sagen, dass der Schuldner für seine finanzielle Leistungsfähigkeit ohne Verschulden stets einzustehen hat. 260
200Die Form der Erbringung von Geldschulden ist vom BGB als Bargeldverschaffungverstanden worden. 261Es wird also davon ausgegangen, dass die Geldschulden regelmäßig durch die Übereignung von Bargeld stattfinden, was sich nach den §§ 929 ff. richtet. Das ist mittlerweile freilich in vielen Fällen durch die Zahlung in Buchgeld abgelöst worden, d. h. durch die Überweisung oder die Abbuchungsermächtigung oder durch die bargeldlose Bezahlung. Hier gelten also andere Mechanismen als diejenigen des Sachenrechts.
201Ein besonderer Fall der Geldschuld sind schließlich die Zinsschulden. Für diese enthalten die §§ 246–248 besondere Vorschriften. Dabei versteht man unter Zinsen diejenige Vergütung, die der Schuldner für die Überlassung eines in Geld bestehenden Kapitals zahlen muss. 262Die Höhe der jeweiligen Vergütung ist dabei regelmäßig nach der Dauer, d. h. der Laufzeit der Überlassung zu berechnen. Meist sind sie in einem bestimmten Prozentsatz des Kapitals ausgedrückt. 263Eine Zinsschuld entsteht regelmäßig aufgrund rechtsgeschäftlicher Begründung, genauso kann das Gesetz Entstehungstatbestand sein. Das BGB kennt zwar keinen allgemeinen Zinsanspruch, es gibt jedoch zahlreiche Einzelbestimmungen, die vorsehen, dass eine Zinsschuld entsteht, vor allem beim Verzug nach § 288 sowie im Rahmen eines Prozesses ab Rechtshängigkeit der Klage nach § 291. In diesen Fällen kommt jedenfalls der gesetzliche Zinssatz zum Tragen, der sich gem. § 246 auf 4 % beläuft. Etwas anderes gilt nur, wenn besondere Bestimmungen die Höhe anderweitig festlegen. Das kann beim Handelsgeschäft nach § 352 HGB der Fall sein, wo 5 % vorgesehen sind. Beim Verzug sieht § 288 für den Verzugszins ebenfalls eine Sonderregelung vor. Danach beträgt der Zinssatz für das Jahr 5 bzw. 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, der wiederum eigenständig in § 247 geregelt ist.
3.Insbesondere: Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe
202Besondere Regelungen enthält der Allgemeine Teil des Schuldrechts zusätzlich im Hinblick auf die Vertragsstrafe, die in den §§ 339–345 geregelt ist. Auch hier geben die Vorschriften des BGB nur Leitlinien vor, sie sind im Wege der Vertragsfreiheitabänderbar; bei der Nutzung von AGB greift jedoch vor allem § 309 Nr. 6. 264 Inhaltlichgeht es bei der Vertragsstrafe darum, dass der Schuldner bei Nicht- oder nicht rechtzeitiger Erfüllung der Hauptleistungspflicht oder bei einer sonstigen Pflichtverletzung eine bestimmte Geldsumme oder eine andere Strafe an den Gläubiger zu zahlen hat, §§ 339, 342. Die Idee hinter der Möglichkeit, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, liegt auf der Hand: Zwar hat der Gläubiger grundsätzlich für die typischen, von einer Vertragsstrafe betroffenen Bereiche (der Schuldner leistet überhaupt nicht oder er leistet zu spät oder fehlerhaft) Druckmittel in der Hand, nämlich die Schadensersatzregelungen zur Unmöglichkeit bzw. zum Verzug oder zur Schlechtleistung. Doch eröffnet dem Gläubiger die Vereinbarung einer Vertragsstrafe weitergehende Möglichkeiten. Je nach Vereinbarung kann daher der Druck auf den Schuldner wachsen, rechtzeitig oder überhaupt und fehlerfrei zu leisten. 265Zudem ist als Vorteil der Vertragsstrafe zugunsten des Gläubigers anzunehmen, dass der Gläubiger nicht mehr im Einzelnen darlegen und beweisen muss, in welcher Höhe er einen Schaden erlitten hat. 266Vielmehr kann er bei der Vereinbarung einer Vertragsstrafe in jedem Fall die Vertragsstrafe als Mindeststrafe verlangen. Dies folgt aus § 341 sowie aus § 340 Abs. 2. 267Es kommt auch nicht auf ein Verschulden an.
203Bei der Vertragsstrafe nach § 339, die auch als Konventionalstrafebezeichnet wird, geht es um eine zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbarte bedingte Schuld. Die Bedingung liegt in der Nichterfüllung oder Schlechterfüllung einer anderen, der eigentlichen Hauptleistungsschuld.
Beispiel: A soll bei B eine Garage errichten. Sie vereinbaren, dass die Garage pünktlich zum Winterbeginn am 21.12. erstellt sein soll. Verspätet sich die Fertigstellung, muss A jeden Tag 150 € Vertragsstrafe an B zahlen.
204Wenn die Bedingungeintritt, wird die Vertragsstrafe fällig. Der Schuldner ist zu ihrer Leistung verpflichtet. Nähere Bezifferungen hinsichtlich des Schadens sind vom Gläubiger nicht zu erbringen. Die Vertragsstrafe ist infolgedessen aufgrund ihrer eigentlichen Anlage akzessorischzur Hauptleistungsschuld. 268Dies unterscheidet sie auch maßgeblich von einem ebenfalls möglichen „selbstständigen Strafversprechen“ nach § 343 Abs. 2. Dieses hängt nämlich nicht akzessorisch von einer Hauptverbindlichkeit ab. 269
205Um einen Anspruch auf Vertragsstrafenzahlung geltend zu machen, müssen die Voraussetzungenvorliegen, die zwischen den Parteien vereinbart worden sind. Ein entsprechender Anspruch entsteht, wenn die Vertragsstrafe verwirktist. Diese Verwirkung setzt nach § 339 voraus, dass erstenseine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung vorliegt. Die Wirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung ist im Rahmen von AGB insbesondere an § 309 Nr. 6 zu messen. 270Darüber hinaus ist ihre Nichtigkeit auch aus den sonstigen Unwirksamkeitsgründen des Allgemeinen Teils des BGB denkbar, also vor allem aus § 138. 271 Zweitensmuss eine gültige Hauptverbindlichkeit gegeben sein. Fehlt die Hauptverbindlichkeit, ist aufgrund der Akzessorietät der Vertragsstrafenabrede auch die Vereinbarung über das Strafversprechen selbst unwirksam. Das folgt nicht zuletzt auch aus § 344.
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