(2) Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden.
(3) Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten, wenn die Beratung auf Grund einer Not- und Konfliktlage erforderlich ist und solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde. § 36 des Ersten Buches bleibt unberührt.
Diese haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten in großen Schritten und ruckartig entwickelt, seitdem das Bundesverfassungsgericht die bis 1998 zwingende gesetzliche Regelung beanstandete, wonach bei der Ehescheidung grundsätzlich ein Elternteil (in der Regel der Vater) seine gesamte elterliche Sorge verliert und die Alleinsorge bei dem sogenannten Obhutselternteil, bei dem das Kind lebt, begründet wird.
Die nächsten Schritte waren: Verankerung des Umgangsrechts (Besuchsrecht) als Pflicht, Ermöglichung der gemeinsamen elterlichen Sorge auch für nicht verheiratete Eltern, und zuletzt die rechtliche, gerichtliche Durchsetzbarkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge auch gegen den Widerspruch des betreuenden Elternteils (der Mutter).
Letzten Endes wurden die Väterrechte mit dem ausschlaggebenden gesetzlichen Kriterium des Kindeswohls befördert. Nur von der Warte des Kindeswohls, der Bedürfnisse des Kindes nach Sicherheit und Pflege seiner Beziehungen, nach Ausbau der eingegangenen Bindungen insbesondere zu den Eltern lässt sich verantwortlich und auf dem Boden des Gesetzes eine familienrechtliche ebenso wie eine jugendhilferechtliche Konfliktlage lösen. Dabei werden solche Fälle in der Praxis massiv von Kämpfen zwischen nicht nur den beteiligten Eltern, sondern auch von Professionen untereinander auf der persönlichen Ebene überlagert, wo das Kindeswohl dann letzten Endes überhaupt nicht mehr vorkommt.
5.5 Gewährleistung der Rechtsverwirklichung, Anspruchsverwirklichung
1. Ein jeder Mensch hat die grundgesetzlich garantierte Möglichkeit, sich rechtlichen Rat und rechtliche Unterstützung, rechtlichen Beistand zu holen. Dies ist auch nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen dem freien Rechtsdienstleistungsmarkt, insbesondere der freien Advokatur zugewiesen, die gleichwohl aber als »Organ der Rechtspflege« Teil des Rechtssystems ist.
»Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei«: Die auch verfassungsrechtlich gewährleistete und geschützte Brücke dahin sind die unabhängigen und zur Verschwiegenheit verpflichteten »berufenen Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten« der Anwaltschaft. Ferner bietet das BeratungshilfeG für Minderbemittelte kostenlos oder gegen geringe Schutzgebühr Rat und auch Unterstützung durch Briefeschreiben. Im Umland geben die Amtsgerichte Beratungsscheine aus, die einer Rechtsanwältin vorzulegen sind; Hamburg macht das selbst mit seiner Behörde ÖRA.
Für gerichtliche Verfahren gibt es die Prozesskostenhilfe, im Familienrechtsbereich genannt Verfahrenskostenhilfe. Generell gilt die Anspruchsberechtigung für Personen, die im Sozialhilfebereich leben (SGB II oder SGB XII oder entsprechende Rentenversorgung).
2. Rechtsrat gibt es darüber hinaus bei allen Behörden, die eine allgemeine Beratungspflicht in ihrem Zuständigkeitsbereich haben (z. B. Finanzämter für Steuern).
3. Für alle Ansprüche im Sozialrecht kennen nur wenige den § 16 SGB des ersten Sozialgesetzbuches (SGB I):
§ 16 SGB I Antragstellung
(1) Anträge auf Sozialleistungen sind beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen.
(2) Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.
(3) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden.
Den Einwand der Unzuständigkeit gibt es danach nicht!
4. Voraussetzung dafür, dass das Recht sich auch mit seinen Anspruchslagen und seinen Verpflichtungen bei dem Einzelnen verwirklicht, ist ein Rechtsbewusstsein. Dieses Rechtsbewusstsein ist durchaus auch als Bauchgefühl verankert, hat das Kriterium der Vernunft (vernünftige Interessenregelung und -abwägung auch bei eigener Benachteiligung/bei Prozessverlust) und bezieht sich im Grundsatz auf ein allgemeines Bewusstsein von Grund- und Menschenrechten. Diese fangen mit der Menschenwürde an (Anspruch, ernst genommen zu werden). Das Bundesverfassungsgericht definiert Menschenwürde als Achtungsanspruch des Einzelnen gegenüber dem Staat mit dem Verbot, den Menschen als Sache, als Objekt zu behandeln. Denn das Menschenbild des Grundgesetzes gibt ihm die Würde des Subjekts.
Abgrenzung Privatsphäre zum Außen
Absolut geschützte Privatsphäre bedeutet auch notfalls straffreie Begehung von Straftaten
Ausnahmen vom Gewaltverbot zur notwendigen Abwehr von Grundrechtsverletzungen
Hilfeanspruch an Polizei (Gefahrenabwehr)
Schutzregeln für persönliche Freiheit, Privat- und Familiensphäre
Aufbau Gesetz: Tatbestand und Rechtsfolge
Aufbau Strafnorm: Schuldprinzip
Einige aktuelle Regelungsnotwendigkeiten
Wege zum Recht
III
Gesetze finden und anwenden
1 Rechtsquellen
1. An Rechtsquellen haben wir einen hierarchischen Aufbau der im Rechtsstaat verbindlichen Normen. Es handelt sich um eine Pyramide auch in dem Bild der Masse, des Umfangs der Normen.
Das Grundgesetz enthält die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Es war ursprünglich »gesetzt« als nicht unbedingt demokratische, aber richtige Verfassungsordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten (»West-Alliierten«) für die Gründung des neuen Staates in den westlichen Gebieten vorgesehen und umgesetzt wurde.
Die Sowjetunion und die von ihr siegerrechtlich verwalteten Teile Deutschlands schlossen sich dabei nicht an, sondern gründeten einen eigenen Staat, die DDR.
Im Grundgesetz sind damit auch die wesentlichen Ordnungsstrukturen enthalten und an erster Stelle ist das oberste Prinzip der Menschenwürde angeführt.
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