1 ...7 8 9 11 12 13 ...20 Je näher er Moreau kam, desto lauter schrillten die Alarmglocken in seinem Kopf. Christian streckte die Finger nach dem Kapitän aus und berührte diesen leicht an der Schulter. Der Körper des Mannes sackte zur Seite. Christian riss die Augen auf. Moreaus Kehle war durchgeschnitten. Der Mann war mittels eines Seils am Ruder festgebunden und das Ruder selbst mit einem zweiten Seil fixiert worden.
Außerdem war alles mit einer ekelhaft schmierigen Substanz überzogen. Sie klebte an seinen Fingern. Er roch daran. Es handelte sich um Öl.
Christian fluchte und sprang vom Achterdeck. Mit einem Satz war er bei den zwei Besatzungsmitgliedern am Hauptmast. Auch ihnen war die Kehle durchgeschnitten worden. Nur einige Seile hielten sie aufrecht, um den Eindruck zu vermitteln, sie würden stehen. Nun, da seine Sinne hellwach waren, erkannte er allerorts auf dem Schiff den unverwechselbaren metallischen Geruch nach Blut. Der Gestank des Öls hatte diesen übertüncht.
Christian fluchte. Der Feind verfolgte sie nicht. Er war längst hier. Und er hatte vor, sie alle abzufackeln. Der Templer hob die Hand und betätigte die Alarmglocke, deren heller Klang durch die Luft hallte.
»Templer an Deck!«, schrie er. »Wir werden geentert!«
Er hatte noch nicht ausgesprochen, als die Schatten lebendig zu werden schienen und vermummte Gestalten auf ihn zuströmten. Sie alle waren mit Messern oder Schwertern bewaffnet. Ihr Duft stieg Christian in die Nase. Es handelte sich unzweifelhaft um Menschen. Und ganz offensichtlich hatten sie keine Ahnung, mit wem sie sich anlegten. Sein Schwert glitt zischend aus der Scheide.
Zwei vermummte Gestalten stürzten sich auf ihn. Christians Nasenflügel blähten sich auf, als er den verführerischen Duft ihres Blutes auffing. Er knurrte. Menschen gegen Vampire in den Kampf zu schicken – genauso gut konnte man Lämmer zur Schlachtbank führen.
Christian musste sich nicht einmal groß anstrengen. Er wich dem ersten Hieb mit nur einem Bruchteil seiner verfügbaren Geschwindigkeit aus. Sein Schwert kam in einer geraden Linie hoch, wurde aber mit solcher Kraft geführt, dass sein Gegner praktisch in zwei Teile gespalten wurde.
Der unschöne Tod seines Kameraden ließ den zweiten Mann für einen Moment unsicher zögern. Es spielte keine Rolle. Sein Tod war so oder so beschlossene Sache. Christian holte mit der linken Faust aus und im nächsten Moment segelte der Körper seines Gegners in hohem Boden über die Reling und verschwand in den tosenden Fluten. Der Mann versank, ohne einen Laut von sich zu geben und ohne zu strampeln, unter den Wassermassen. Christians Schlag hatte ihm den Kiefer gebrochen und die Luftröhre eingedrückt.
Der Kampflärm lockte die anderen Templer an Deck. Die nächtlichen Angreifer sprangen sie mit blitzenden Klingen an, in der irrigen Annahme, sie hätten leichtes Spiel mit gerade aus dem Schlaf erwachten Soldaten. Als ihnen bewusst wurde, wie ihnen geschah, war es längst zu spät.
Karl durchstieß mit seiner Klinge den Hals eines Angreifers und brach einem zweiten den Schädelknochen, indem er diesem seinen im Helm steckenden Kopf gegen die Stirn rammte.
Die Vampirritter huschten über das Deck und metzelten nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Einer der Gegner nahm eine brennende Fackel und wollte sie auf das Deck werfen. Franz war zur Stelle, fing sie ab und warf sie über die Reling ins Meer. Matthew riss dem verhinderten Feuerteufel mit bloßen Händen den Kopf ab. Nur ein Funke, und das ganze Schiff würde in Flammen stehen. Unter Deck wieherten die Pferde, angestachelt durch Kampflärm und Blutgeruch.
Etwas zischte an Christian vorbei. Direkt neben seinem Fuß steckte ein immer noch zitternder Pfeil im Gebälk. Er hob den Blick. In diesem Moment prallte ein weiteres Geschoss von seinem Brustpanzer ab. Im Krähennest saß ein feindlicher Bogenschütze. Christian verfluchte sich selbst. Er hatte den Mann im ersten Moment übersehen, da der Geruch des toten Besatzungsmitglieds den Duft dieses frechen Kerls überdeckt hatte.
Ein weiterer Pfeil kam geflogen. Er verfehlte Christian nur um Haaresbreite und fügte ihm eine Schramme auf der rechten Wange zu. Die Wunde brannte für einige Sekunden, dann war sie auch schon wieder verheilt. Trotzdem ärgerte ihn der Pirat. Christian hob ein Schwert vom Deck auf, holte durch eine weite Bewegung Schwung und warf die Klinge in steilem Winkel nach oben. Ein erschrockener, schmerzerfüllter Ruf belohnte seine Bemühungen und der Bogenschütze fiel herab. Er prallte mit dumpfem Geräusch auf das Deck auf.
Es blieb ihm aber keine Zeit, sich auf seinem Erfolg auszuruhen. Pascal beugte sich über einen immer noch strampelnden Piraten und mit einem entschlossenen Ruck entblößte er dessen Hals. Pascal fletschte die Zähne und seine Reißzähne kamen zum Vorschein.
Christian reagierte blitzschnell. Er bewegte sich mit übermenschlicher Geschwindigkeit zu seinem Waffenbruder und hielt diesen gerade noch rechtzeitig davon ab, seine Hauer in das weiche Fleisch seines Opfers zu versenken.
Pascal sah stirnrunzelnd und mit deutlicher Verärgerung auf. Christian musterte diesen ebenso unnachgiebig. »Du kennst die Regeln«, erklärte er ihm. »Wir trinken nicht von Menschen.«
»Das ist nur ein Pirat«, zischte Pascal zornig zurück. »Der ist nichts wert.«
Christian spürte das Verlangen des anderen nach dem Blut seines Opfers. Er wusste, er stand kurz davor, den Mann zu verlieren, wenn er diesen nicht sofort seine Grenzen aufzeigte. Er erwartete, dass keiner seiner Templer gegen die eine unveränderliche Regel verstieß: nämlich nie von einem Menschen zu trinken. Hatte man einmal diesen Weg eingeschlagen, dann war es schwer, wieder umzukehren. Er erinnerte sich noch allzu gut an Karl und dessen Blutsucht. Für seinen Freund wäre es damals beinahe zu spät gewesen. So etwas wollte er nie wieder erleben.
»Spielt keine Rolle, wer er ist.« Christian streckte die Hand aus und brach dem Piraten in einer spielend einfachen Bewegung das Genick. Der Mann hatte nicht einmal die Zeit, etwas zu fühlen. Der Leichnam sank zu Boden und entzog sich damit Pascals Griff. Dieser starrte seinen Anführer mit einem Ausdruck an, den man nur als Hass bezeichnen konnte.
»Der gehörte mir. Du hattest dazu kein Recht.«
»Es wird nicht von Menschen getrunken!«, wiederholte Christian. »Hast du das jetzt endlich kapiert?«
Pascals Blick richtete sich gierig auf die vor ihm liegende Leiche. »Er ist noch warm. Vielleicht geht es noch.« Er bückte sich, aber ein fester Griff Christians hielt den Ritter zurück.
»Erst von einem Menschen, dann auch noch von einem Toten. Bist du von Sinnen?«
»Es duftet so verführerisch«, keuchte der Ritter.
Christian steckte seine Klinge weg und packte sein Gegenüber in einer beinahe zärtlichen Geste an beiden Wangen. »Komm wieder zu dir, Pascal!«
Zorn und Verlangen schwanden zusehends aus dem Blick des Ritters, als Christian ihn fixierte und den anderen Templer zwang, ihm in die Augen zu sehen. Pascal schüttelte leicht den Kopf. Er keuchte abermals. Fast machte der Ritter den Eindruck, aus einem bösen Traum zu erwachen. Pascal blickte auf. Seine Stirn war schweißnass. »Es … es tut mit leid. Ich … ich weiß nicht …«
Christian ließ ihn los. »Ist schon gut. Ich kenne das Gefühl. Ich weiß, womit du zu kämpfen hast. Aber dafür sind deine Brüder und ich da. Wir helfen dir. Wir sind für dich da. Immer und unter allen Umständen.«
Pascal nickte abgehackt und erschöpft. Karl trat zu ihnen mit finsterer Miene. »Alles in Ordnung?«
Nach einem letzten Blick auf Pascal nickte Christian und wandte sich dem ehemaligen Johanniter zu. »Alles bestens.«
Karl entspannte sich etwas. »Sie sind alle tot.«
»Die Besatzung?«
»Ist ebenfalls tot. Neben dem Schiff liegen einige Beiboote. Sie müssen im Schutz der Dunkelheit übergesetzt und die Mannschaft überrascht haben. Es ging so schnell, dass keiner Alarm schlagen konnte.«
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