Ihr Blick verharrte ganz allein.
Wie das Gesicht mit trüben Augen
So gütig schien und ganz erschöpft,
Mit runden Amorputten auf dem
Ikonenschrein Elisabeths.
Wie Sie dann meinen Arm anhielten
Und sagten: »Oh, ich will sie, sehr!«
Behutsam stellten Sie die gelbe
Kerze hinein ins Lichtermeer …
O weltliche, mit dem Opalring
Geschmückte Hand! Mein Missgeschick!
Und ich versprach, noch diese Nacht dir
Zu stehlen das Ikonenstück.
Dann in den Gasthof jenes Klosters
– Die Glocken dröhnten vor der Nacht –
So selig wie Geburtstagskinder
Krachten wir wie Soldatenpack.
Wie ich dann schwor, bevor ich alt bin
Noch hübsch zu werden – Salz verstreut! –
Und dreimal fiel – Sie wurden grantig –
Der Herzkönig mir zu erneut.
Wie Sie mich fassten, meinen Kopf mir
Liebkosten – jede Locke glüht –
Und die Emailblume der Brosche
Hat meine Lippen mir gekühlt.
Wie ich entlang der schmalen Finger
Mit meiner schläfrigen Wange strich,
Sie neckten mich, ich sei ein Junge,
Ihnen gefiel’s, Sie mochten mich …
Dezember 1914
Den Hals erhoben, hebt sich – frei
Als wär’s ein junger Trieb.
Wer sagt den Namen, wer – die Zeit,
Ihr Land, wo es wohl liegt?
Die Krümmung dieser Lippen, matt
Und schwach und launisch-wirr,
Doch blendend steigt sie auf und hart –
Beethovenhafte Stirn.
Von einem hellen braunen Ring
Hervorgehoben leicht,
Die Herrscher des Gesichtes sind
Die Augen, Monde – zwei.
Und bis zur Rührung ist es rein –
Zerschmolzenes Oval.
Die Peitsche passt zur Hand und ein
Silbergefasster Opal.
Die Hand, die in die Seide langt,
Würde zu Geigenbögen stehn,
Unwiederholbar ist die Hand,
Die Hand ist – wunderschön.
10. Januar 1915
Du gehst weiter, folgst deinen Wegen,
Nicht mal die Hand berühr ich dir bebend,
Doch die Sehnsucht in mir – ist zu ewig,
Nicht die Erstbeste in dir seh ich.
Und mein Herz sagte sofort nur: »Liebe!«
Ich hab – blindlings – dir alles verziehen,
Noch nicht mal deinen Namen wissend,
Oh du, liebe mich, lieb mich ein bisschen!
Und ich seh’s an der Lippenkrümmung,
Dieser Hochmut, er will nur gewinnen,
An dem Vorsprung, schwer über den Brauen:
Dieses Herz darf im Sturm man nur rauben!
Und dein Kleid – schwarzer Panzer aus Seide,
Deine Stimme zigeunerisch heiser,
Alles gefällt mir an dir, fast schmerzlich,
Sogar dass du nicht schön bist letztlich!
Schönheit, du wirst im Sommer nicht welken,
Keine Blüte, aus Stahl bist du – Stengel,
Schärfer als scharf, wütend-schlimmer,
Entführt woher, von welcher Insel?
Mit dem Fächer treibst du Unfug, mit dem Stöckchen,
In jedem Äderchen, in jedem Knöchelchen,
In der Form jedes Fingerchens, böse –
Weiblich-zart, jungenhaft-freches Wesen.
Spöttisches Lächeln mit Versen parierend,
Dir und der Welt es vor Augen führend,
Zeig ich alles, was in dir liegt verhohlen,
Unbekannte mit der Stirn Beethovens!
14. Januar 1915
Wie sollte ich mich nicht erinnern
An Teeduft und White Rose ,
An Sèvres-Porzellan, die Figürchen
Überm hitzeglühenden Kamin …
Ich – im luftigen Kleid, in der
Durchgoldeten Faille, ärmellose,
Sie – im Jackett, dem schwarz gewirkten,
Mit Flügelkragen rundum hin.
Ich weiß noch, mit welchem
Gesicht Sie eintraten, ohne Schminke,
Und dastanden, auf Ihren Finger beißend,
Ihr Kopf war leicht geneigt.
Die herrscherhafte Stirn unterm schweren
Rötlichen Helm, der mir winkte,
Nicht Frau und nicht Junge, doch weiß ich –
Etwas Stärkeres als ich hat mich erreicht!
Mit einer grundlosen Bewegung
Stand ich auf, uns umgaben enge Netze,
Und jemand sagte in scherzhaftem Ton:
»Sie kennen sich nicht, soviel ich weiß.«
Und wie Sie die Hand in die meine legten
Mit einer weit ausholenden Geste,
Und zärtlich in meiner Hand lag, ohne
Jede Eile, ein Splitter aus Eis.
Mit jemand, der schief herüberblickte,
Begann ich im Voraus zu streiten –
Ich lag halb im breiten Sessel
Und drehte den Ring an der Hand.
Sie nahmen eine Zigarette, ich nickte
Und reichte Ihnen das Streichholz,
Nicht wissend, was ich tun soll, falls Sie
Ins Gesicht mir blicken direkt.
Ich weiß noch – über der blauen Vase
Klirrten plötzlich unsere Gläser.
»Oh, seien Sie mein Orestes!«
Ich hab Ihnen die Blume gereicht.
Lachend – über meinen Satz wohl? –
Aus der schwarzen Wildledertasche
Nahmen Sie in einer langen Geste
Ein Tuch – und ließen es fallen so leicht.
28. Januar 1915
Alle Augen in der Sonne – glühen,
Kein Tag gleicht dem andern Tag.
Sollte ich dich je betrügen,
Hör, was ich dir sag:
Wessen Lippen ich auch küsse
In der Liebesnacht,
Wem ich auch je schwören müsste,
Nur zu leben, siebenfach –
Wie die Mutter es vom Kind will:
Wie die Blüte blüht,
Dass das Auge, wo’s auch hin will,
Dich nie übersieht …
Siehst du das Zypressenkreuzchen?
– Oh, du kennst es ja –
Alles wird erwachen, pfeif nur
Unterm Fenster da!
22. Februar 1915
Hügel rund um Moskau schimmern blau,
Staub und Teer liegt in der Luft, der lauen,
Meinen Tag verschlaf ich, lache, glaube:
Jetzt genese ich vom Wintergrau.
Ich schleich mich nach Hause möglichst leise:
Ungeschriebene Verse reun mich nicht!
Räderlärm, gebrannte Mandeln sind für mich
Kostbarer als alle öden Zeilen.
Und mein Kopf ist so entzückend leer,
Deshalb wohl: Mein Herz will überquellen!
Meine Tage sind wie kleine Wellen,
Die ich sehe von der Brücke her.
Viel zu zärtlich sind gewisse Blicke
In der zarten Luft, erwärmt ganz leicht …
Ich werd krank vor Sommer, werde weich –
Kaum genesen von den Winterknicken.
13. März 1915
Vor der Trennung, vor dem Ende
Dieser Liebe sag
Ich dir, dass ich deine Hände
Liebte, vielbegabt –
Und die Augen – die nicht jedem
Blicke schenken, nein! –
Herrisch Sühne heischen für den
Zufallsblick, so klein.
Dich und deine längst verfluchte
Leidenschaft – sieht Gott!
Die Vergeltung wollte, suchte
Für den Zufallsseufzer, Spott.
Müde sag ich: Keine Eile,
Hör jetzt bloß nicht her! –
Deine Seele steckt in meiner
Seele – steckt mir quer!
Dann auch dies sag ich dir weiter
– Ganz egal! Bald Schluss! –
Dieser Mund war jung vor deinem
Mund – vor deinem Kuss.
Hell mein Blick (vor dir!), verwegen,
Fünfjährig mein Herz …
Glücklich, wer dir nie begegnet
Nirgends, nirgendwärts.
28. April 1915
Denn Namen gibt’s – wie Blumen, stickig-heiß,
Und Blicke gibt’s – so tanzend wie die Flammen …
Und dunkle Münder gibt’s, gekrümmt ihr Kreis,
Mit tiefen, feuchten Lippenwinkeln fangend.
Und Frauen gibt’s: Die Haare – wie ein Helm,
Ihr Fächer duftet fein und unheilbringend.
Sind dreißig Jahre alt. Wozu brauchst denn
Du meine Seele des Spartaner-Kindes?
Himmelfahrt 1915
Ich will den Spiegel fragen, wo
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