2 Nie wirst du erfahren, wasich verfeuere
Uralt, unnütz durch die Adern fließend
Ich liebe – doch die Qual ist noch groß
Du, der du mich liebtest mit der Falschheit
Zwei
1 In dieser Welt Reime zu finden
2 Nicht bestimmt ist, dass der Starke
3 In der Welt, wo jeder
Versuch, eifersüchtig zu sein
Na, wie lebt sich’s mit der Andern
Merkmale
Als trüg ich im Schoß einen Berg
Liebe
Ein Türkensäbel? Feuer? Brand?
An das Leben
1 Wirst mir nicht nehmen das Rot meiner Wangen
2 Wirst mir nicht nehmen die Seele – fliegend
Kein Donnerrad in seiner Wut
Kriechspur, Schneckenpfad der Tage
Ent – fernung: die Wersten, Meilen
Grabmal(für Nikolaj Gronskij)
1 »Ich geh nur für Minuten fort …«
2 Vergeblich mit dem Auge – dem Nagel
3 Dafür, dass du einst, jung und kühn
4 Ein Schlag, gedämpft von Jahren ohne Besinnung
Gedichte an den Waisenjungen
1 Ich umarme dich mit dem Gesichtskreis
2 (Grotte) Könnte ich – würd ich dich packen
3 Auf der Eisscholle
4 Als Zungenbrecher – im Flusswasser raunt er
5 Endlich hab ich den getroffen
6 Ich denk an den einen, den andern
Zeit jetzt! Auch diesesFeuer zu erfahren
Anhang
Zeittafel
Ich rede von der Liebe in Freiheit.Über das Wunder des Fremden: Marina Zwetajewas Liebeslyrik. Nachwort von Ralph Dutli
Notiz
Gedichte von Liebe und Leidenschaft
Sind Sie jetzt glücklich? Kein Wort kommt von Ihnen!
Auch gut – so stumm!
Mir scheint, Sie küssten wohl schon viel zu viele,
Sind traurig – darum.
Alle Heldinnen aus Shakespeares Tragödien
In Ihrer Gestalt.
Rettung gab’s keine, junge tragische Lady,
Keinen – der half.
Sie sind es müde, all das Liebesgerede
Zu alt, zu schwer.
Der eiserne Reif an der Hand, der blutleeren –
Sagt so viel mehr!
Ich liebe Sie! Die Sünde: Wolkenfetzen
Über Ihrer Stirn,
Weil Sie so ätzend sind und so verletzend –
Und besser als wir.
Weil wir, weil unsre Leben sich nie gleichen
In dieser Nacht,
Für die Verführungskünste, Ihre reichen,
Für die fatale Macht,
Weil ich einst Ihnen, jähgestirnter Dämon,
Sage: Verzeih,
Weil Sie unrettbar sind – noch über Gräbern! –
Reiß dich entzwei!
Für dieses Zitternde – muss ich jetzt träumen?
Ist alles leer? –
Für diese Ironie, den Reiz, den neuen:
Sie sind – kein Er.
16. Oktober 1914
Unter dem Plüschplaid, mich liebkosend,
Denk ich an gestern, an den Traum.
Was war das? Mein Sieg, dein Sieg? Bloß die
Besiegte Frau?
Ich überdenke alles, leide
Noch immer alles nochmals neu.
In dem, wofür’s kein Wort gibt, keines!
War Liebe wohl dabei?
Wer war der Jäger? Wer die Beute?
So teuflisch alles und verrannt!
Was – lange schnurrend – wohl der Kater
Von alledem verstand?
In jenem Zweikampf zweier Willen
Wer war der Ball in wessen Hand?
Und wessen Herz – das meine, Ihres –
Ist plötzlich durchgebrannt?
Und – was nur war das? – immer wieder:
Was will man bloß, das dann nur trügt?
Ich weiß es nicht: Bin ich die Siegerin?
War ich besiegt?
23. Oktober 1914
Tauwetter jetzt, so dass ich heute
Am Fenster lange-lange stand.
Nüchtern der Blick, ich atme freier,
Besänftigt wieder, nach dem Brand.
Ich weiß gar nicht warum. Die Seele
Ist jetzt ganz einfach abgespannt,
Nicht mal den Bleistift, den Rebellen,
Möcht ich berühren mit der Hand.
So stand ich denn – fast wie im Nebel –
So weit von Gut und Böse, dass
Ich mit dem Finger sachte trommle
Ans kaum erklirrende Fensterglas.
Die Seele schlechter nicht, nicht besser
Als der Erstbeste, der da tappt –
Als schillernd alle Perlmutt-Pfützen
In die der Himmel sich verschwappt,
Als der vorüberfliegende Vogel
Oder der letzte Hund, verirrt.
Nicht mal die Sängerin, die bettelt,
Hat mich zu Tränen jetzt gerührt.
Die liebe Kunst namens Vergessen
Hat sich die Seele eingesaugt.
Und ein Gefühl, irgendein großes,
Hat heute tief in mir getaut.
24. Oktober 1914
Sich anzuziehen – keine Lust,
Sie wollten nicht mal aufstehn aus den Sesseln.
– Doch jeder Ihrer künftigen Tage muss
Von meiner Freude froh sein bis zum letzten.
Besonders waren Sie abgeneigt,
Noch rauszugehn in Nacht und Kälte.
– Doch jede Ihrer künftigen Stunden sei
Von meiner Freude jung-erhellte.
Sie haben das so ohne Falsch getan,
Unschuldig und nie gutzumachen.
– Ich war nur Ihre Jugend, kann
Nichts als vorübergehn, verlassen.
25. Oktober 1914
Heut abend war’s, gegen acht,
Hinweg über die Große Lubjanka,
Wie Schneebälle, Kugeln – sacht
Sausten die Schlitten und wankten.
Ein Lachen, das schon einmal war …
Mein Blick wie erstarrt, ohne Leben:
Das rötliche Fell – ihr Haar,
Und Jemand sitzt aufrecht daneben!
Mit einer Andern schon waren Sie,
Zogen Ihre Schlittenfährten,
Begehrten und lieben – wie?
Viel stärker als ich – begehrten!
Oh, je n’en puis plus, j’étouffe! –
Sie riefen es hell und laut
Und schoben schwungvoll mit dem Ruf
Die Pelzdecke an ihr hinauf.
Fröhlich die Welt, der Abend – schlimm!
Aus dem Muff Ihre Einkäufe wälzend …
So sausten Sie im Schneewind hin,
Blick an Blick, und Pelzchen an Pelzchen.
Ein Aufruhr, grausamster Schlag,
Der Schnee – weißes Weiß, niedertaumelnd.
Ich stand, zwei Sekunden lang –
Nicht mehr – hinterher euch schauend.
Und strich übers lange Haar
Meines Pelzchens – nicht zornig.
O Schneekönigin, jetzt ist es klar:
Dein kleiner Kay ist erfroren!
26. Oktober 1914
Überm Kaffeesatz schaut nachts dann
Weinend sie zum Orient.
Unschuldsmund, Mund voller Laster –
Ungeheure Blume: brennt.
Bald der Mond, ein junger, schlanker,
Löst die Purpurdämmerung ab.
Wie viel Ringe, wie viel Spangen
Schenk ich dir – soviel ich hab!
Junger Mond zwischen den Zweigen
Schützt, behütet keinen mehr.
Wie viel Armbänder und Kettchen
Schenk ich liebend gerne her!
Unter einer schweren Mähne
Blitzen die Pupillen weich.
Eifersucht deiner Gefährten?
Vollblutpferde sind so leicht!
6. Dezember 1914
Wie fröhlich leuchtete von Flocken
Ihr graues und mein Zobelfell,
Als durch den Weihnachtsmarkt wir zogen
Und Bänder suchten, lockend-hell.
Wie ich an rosig-ungesüßten
Waffeln mich voll aß – wie viel? Sechs!
Und mich die roten Pferdchen rührten,
Mich rührten doch nur Sie zunächst.
Als rote Mäntel, groß wie Segel,
Schwatzten sie uns bloß Lumpen auf,
Und staunten über Moskaus Mädchen –
Die Bauernweiber dumm und laut.
Und dann, als sich das Volk verstreute,
Gingen wir zögernd da hinein,
Wo auf der alten Gottesmutter
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