2 Die ich liebe führ ich zum Weg 2 Die ich liebe führ ich zum Weg, Singe Lieder für ihr Gedenken – Sollen sie’s nehmen, leicht gewebt: Was sie selber mir einmal schenkten. Über grünende Pfade hin Sie zum Wegkreuz hinaus begleitend – Unermüdlich nun sing, du Wind, Werde, Weg, ihnen immerzu leichter! Blaue Wolke, du wein jetzt nicht, Denn sie gehen in ihren schönsten Schuhen! Du Schlange, verkneif dein Gift – Räuberchen, lass dein Messer ruhen! Vorbeigehende Schönheit, sei Ihre Braut, die stets fröhliche-frohe. Du beweg meine Lippen – frei, Unser Himmlischer Herr wird’s dir lohnen! Lodert, Feuer, jetzt auf im Wald Und verscheucht alle wilden Gestalten, Muttergottes im Himmelsgewand – Beschütz meine lieben Passanten! 17. Februar 1916
3 Du wirfst den Kopf zurück beim Reden 3 Du wirfst den Kopf zurück beim Reden – Du Stolzkopf, immer lügenschwer. Welch einen lustigen Gefährten Hat mir der Februar beschert! Gefolgt von abgerissenen Hemden Den blauen hellen Dunst verpafft, Gleich feierlichen Fremden, Fremden Gehn wir dahin durch unsre Stadt. Und wessen sanfte Hände rührten Die Wimpern dir, du Schönheit – und Seit wann, schon oft? und wer wohl küsste Dir deine Lippen, deinen Mund? Ich frage nicht. Mein Geist wie gierig Hat diesen Traum besiegt in sich. Den zehnjährigen Jungen lieb ich In dir, den göttlichen! verehre ich. Den Fluss entlang, dem bunten wirren Glasperlenspiel der Lichter nah, Will ich dich nun zum Platz hinführen Der schon die Knabenzaren sah … Den jungenhaften Schmerz – für immer Hinaus, das Herz zur Hand, nun geh Mein Kaltblut du, mein Ungestümer, Mein Freigelassener – ade! 18. Februar 1916
4 Woher nur solche Zärtlichkeit 4 Woher nur solche Zärtlichkeit? Die ersten sind’s nicht, die Locken Die ich dir streichle, auch Lippen Hab ich schon dunklere gekannt. Gehen auf und verlöschen Sterne, Woher nur solche Zärtlichkeit? Gehen auf und verlöschen Augen Ganz nah mir an den meinen. Hab so viele andere Hymnen schon Gehört in den dunklen Nächten, Getraut – vor Zärtlichkeit! – An ihn, an den Sänger geschmiegt. Woher nur solche Zärtlichkeit? Und was mit ihr tun, du Junge Und Schelm, hergereister Sänger Mit Wimpern die’s länger nicht gibt. 18. Februar 1916
5 Zerflogen zu silbernen Scherben 5 Zerflogen zu silbernen Scherben Der Spiegel und in ihm – der Blick. Schwäne, o meine Schwäne Sie fliegen nach Hause zurück! Aus wolkiger Höhe eine Feder Die still auf mich niederfällt. Ich streute im Traum, alles gebend Feines Silbergeld. Ein silberner Ruf – sacht verklungen. Befiehlt, dass ich silbern – sing! Mein Nestling! Mein Schwanenjunges! Fliegst du, wo fliegst du hin? Ich gehe und sag es keinem Nicht Mutter, nicht allen Verwandten. Ich gehe und bet zu den heiligen Knechten Gottes und seinen Gesandten Um einen jungen Schwan. 1. März 1916
6 Unheil kommt von einer Frau 6 Unheil kommt von einer Frau. In der Hand Steht dir, Jüngling, das Zeichen. Die Augen gesenkt! Bete! Nie gebannt In der Nacht wachen Feinde. Das Himmelsgeschenk Lied – keine Frist, Keine Rettung dir, deinen hochmütigsten Lippen. Darum muss ich dich lieben Weil du himmlisch bist. Ach, dein zurückgeworfener Kopf, Halboffene Augen – was? – verbergend, Ach, zurückgeworfen einst dein Kopf Von ganz anderen Schergen. Mit nackten Händen packen sie dich – Starrkopf! Gehetzt! Von deinem Schreien wird die Nacht weithin hallen! Die Flügel in alle vier Winde – zerfetzt, Lichtengel! Junger Adler! 17. März 1916
7 Es geschah, er war sonderbar krank 7 Es geschah, er war sonderbar krank Und fiel in den süßesten Schrecken. Steht da und schaut nur hinauf Und sieht nicht Sterne noch Morgenröten Der Knabe mit seinem scharfen Aug. Er fällt in Schlaf – mit reißendem Schrei Fliegen her zu ihm schwirrende Adler Und führen herrlich um ihn Streit. Der eine – Felsengebieter – zerzaust Ihm die Locken mit seinem Schnabel. Die dunklen Augen zu – er schläft Den Mund noch halb geöffnet … Und hört nicht die nächtlichen Gäste Und sieht nicht: den goldäugigen Vogel Seinen sehenden Schnabel schärfend. 20. März 1916
8 Seltsamer Bruder, nimm aus meiner Hand 8 Seltsamer Bruder, nimm aus meiner Hand Die Stadt, die nicht von Menschenhand entstand. Vierzig mal vierzig Kirchen schenk ich dir Und über jeder: Tauben, flatternd, wirr. Nimm das Erlöser-Tor – mit Blumen – wo Der Gläubige den Hut zieht seelenfroh. Die Sternkapelle soll vor Asche schützen, Ihr Boden abgewetzt – von all den Küssen! Fünf Kathedralen – wundervoller Kreis – Nimm an, uralter Freund du, göttlich-heiß. Zur Unverhofften Freude ohne Hast Führe ich meinen fremden, fremden Gast. Die rötlichgoldnen Kuppeln geben Glanz, Schlafloser Glocken lauter heller Tanz. Von Purpurwolken lässt herab auf dich Die Muttergottes ihren Schutz, ihr Licht, Und du stehst auf voll Wunderkraft von neuem … Dass du mich liebtest, wirst du nie bereuen. 31. März 1916
9 Vorbei an Türmen den stillen 9 Vorbei an Türmen den stillen Haben die Plätze uns gejagt. Ach, dieses schreckliche Brüllen Junger Soldaten bei Nacht! Du Herz, schlag schon, lauter! Küss heiß, wie die Liebe es tut! Ach, dieses Tierbrüllen, schaudernd Das freche – ach! – das Blut. Mein Mund brennt lodernd, Mag die Miene – heilig sein. Es glüht, ein Kästchen, golden Die Iwerskaja-Kapelle mein. Lass den Übermut, entzünde Eine Kerze für uns still, Damit uns beiden in der blinden Nacht nicht werde, was ich will. 31. März 1916
Verse an Blok Verse an Blok Dein Name – ein Vogel in der Hand: verwundet, Dein Name – Stückchen Eis auf der Zunge, Eine einzige Bewegung der Lippen nur. Dein Name – vier Buchstaben als Spur. Ein Ball, gefangen rasch im Flug, so rund, Eine silberne Schelle in meinem Mund, Ein Stein, geworfen in einen stillen Teich, Schluchzt so, wie nur dein Name heißt. Im leichten Klappern der Hufe nachts Dein dröhnender Name – Donner-Ersatz. Genannt uns an der Schläfe, im Genick, Wenn der Hahn am Gewehr leise klickt. Dein Name – unmöglich zu glauben! – Dein Name – ein Kuss auf die Augen, Auf zartesten Frost unbeweglicher Lider, Ein Kuss in den Schnee, ins Gefieder. Quellklar, ein Schluck, eisig und blau, Mit deinem Namen – schlaftief genau. 15. April 1916
Dein Name – ein Vogel in der Hand: verwundet Verse an Blok Dein Name – ein Vogel in der Hand: verwundet, Dein Name – Stückchen Eis auf der Zunge, Eine einzige Bewegung der Lippen nur. Dein Name – vier Buchstaben als Spur. Ein Ball, gefangen rasch im Flug, so rund, Eine silberne Schelle in meinem Mund, Ein Stein, geworfen in einen stillen Teich, Schluchzt so, wie nur dein Name heißt. Im leichten Klappern der Hufe nachts Dein dröhnender Name – Donner-Ersatz. Genannt uns an der Schläfe, im Genick, Wenn der Hahn am Gewehr leise klickt. Dein Name – unmöglich zu glauben! – Dein Name – ein Kuss auf die Augen, Auf zartesten Frost unbeweglicher Lider, Ein Kuss in den Schnee, ins Gefieder. Quellklar, ein Schluck, eisig und blau, Mit deinem Namen – schlaftief genau. 15. April 1916
Für Anna Achmatowa Für Anna Achmatowa O Muse der Klage, du herrlichste der Musen! O wahnsinnige Brut aus lauter weißen Nächten! Den Schneesturm schwarz schickst du herab auf Russland, Und deine Schreie: die wie Pfeile uns durchbrechen. Wir weichen jäh zurück, und ein dumpfes: Ach! Das hunderttausendfache – schwört auf Anna Achmatowa! Der Name: großer Seufzer, macht Sich los, fällt in die Tiefe, in die unbenannte. Gekrönt sind wir, dass wir mit dir hier unten Auf Erde treten, unter einem – Himmelsdach! Und wen dein tödliches Schicksal verwundet, Hat sich ein letztes Lager ohne Tod gemacht. In meiner klingenden Stadt brennen lockende Kuppeln, Der blinde Bettler preist den Licht-Erlöser gut … Ich aber schenk dir meinen Glockenjubel, Achmatowa! – mein Herz leg ich für dich dazu. 19. Juni 1916
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