O Muse der Klage, du herrlichste der Musen Für Anna Achmatowa O Muse der Klage, du herrlichste der Musen! O wahnsinnige Brut aus lauter weißen Nächten! Den Schneesturm schwarz schickst du herab auf Russland, Und deine Schreie: die wie Pfeile uns durchbrechen. Wir weichen jäh zurück, und ein dumpfes: Ach! Das hunderttausendfache – schwört auf Anna Achmatowa! Der Name: großer Seufzer, macht Sich los, fällt in die Tiefe, in die unbenannte. Gekrönt sind wir, dass wir mit dir hier unten Auf Erde treten, unter einem – Himmelsdach! Und wen dein tödliches Schicksal verwundet, Hat sich ein letztes Lager ohne Tod gemacht. In meiner klingenden Stadt brennen lockende Kuppeln, Der blinde Bettler preist den Licht-Erlöser gut … Ich aber schenk dir meinen Glockenjubel, Achmatowa! – mein Herz leg ich für dich dazu. 19. Juni 1916
Hände sind mir gegeben – jedem beide entgegen Hände sind mir gegeben – jedem beide entgegen Zu strecken, beide! Lippen – um Namen zu geben, Augen – um nicht zu sehen, hohe Brauen darüber – Liebe zärtlich zu bestaunen, zärtlicher noch – Nicht-Liebe. Und die Glocke dort, schwerer als Kreml-Glocken, Unaufhaltbar schlägt sie und schlägt in meiner Brust – Was ist das – wer weiß? – ich weiß nicht – vielleicht – gewiss – Darf ich nicht zu lang Gast sein auf der russischen Erde? 2. Juli 1916
Weiße Sonne und niedrige, niedrige Wolken wie Zeichen Weiße Sonne und niedrige, niedrige Wolken wie Zeichen, Die Gärten, der Friedhof – vom Weiß einer Mauer umgrenzt, Und auf dem Sand diese Reihen von Strohvogelscheuchen Unterm Querholz so groß wie ein Mensch. Ich häng am Zaun, lehn mich über die Pfähle, Sehe: die Wege, die Bäume, Soldaten – verschanzt. An der Pforte ein Weiblein, steht ganz in der Nähe, Kaut schwarzes Brot, grob bestreutes mit Salz. Womit erzürnten sie dich, diese gräulichen Katen, Herr! Sag, wozu all den Menschen die Kugeln verpasst? Brüllend der Zug, und dann brüllen Soldaten, Hüllt sich in Staub das Geleise, das fernhin jetzt rast. Sterben, nein! Besser, erst gar nicht geboren Als dieses ärmliche, klägliche Sträflingsgeschrei Von schwarzäugigen Schönen. Ach, all diese Horden Singender Soldaten! O Herr, o mein Gott, steh uns bei! Alexandrow, 3. Juli 1916
Schlaflosigkeit 2
Hände zu küssen
Schlaflosigkeit 4
Nach der schlaflosen Nacht wird der Körper kleiner
Schlaflosigkeit 7
Zart-so-zart und leise-leise
Schlaflosigkeit 8
Schwarz wie eine Pupille
Und er blickte, wie zum ersten Mal
Ich erkämpfe dich bei allen Erden, allen Himmeln
Soll denn ich, die ich gar nichts mehr brauche
Auf der Welt, in dem Dunkel, werden alle Nomaden
Die Stirn küssen – verscheucht die Sorgen
Ich erinnere den ersten Tag, wie kindische Bestien
Psyche
1 Nicht als Usurpatorin, nein – nach Haus kam ich
2 Du trägst, mein Sanfter, nichts als Lumpen
Ich bin. Du wirst sein. Zwischen uns – ein Abgrund
Nah wie die rechte und die linke Hand
Ich bin die Seite dir und deiner Schrift
Der Komödiant
1 Keine Liebe, nein, ein Fieber
2 Befreundet sein – geht nicht, mich lieben
3 Ein Auflachen, kurz, dass die Zähne hell blitzen
4 Nein, ich brauch dich nicht mehr, Lieber
5 Du im Sessel, voller Faulheit
6 Ich liebe Sie mein Leben lang und jeden Tag
7 Zärtlich dein Mund – er ist das reine Küssen
8 Wir küssten nicht – wir legten uns zusammen
9 In meinem Ohr zwei Pfiffe: Seide, Schneegestöber
10 Es lebe das schwarze As
Gedichte für Sonetschka
1 Ans Fensterchen klopft jetzt der Regen
2 Kleine du, du Sigarrera
3 Deine Hände so braun von der Sonne
Ich küsste diesen Kopf
Für N. N. W.
1 Auf großen stillen Wegen
2 Eine Stunde, was uns bleibt an Zeit
3 Ein unerhörter Freund, ein niegesehener
4 Rein in den Sack, ins Wasser – oh, wie herrlich
5 Meine Vergänglichkeit, die findest
6 Sagst allen Leidenschaften: Ade
7 Angenagelt an den Schandpfahl
8 Am Schandpfahl stehend, vor Gericht
9 Du hast es so gewollt. Sei’s drum. Und Halleluja
10 Nicht so gemein und nicht gar so simpel
11 Der eine ist aus Stein, aus Lehm ist der andre
Auf Schiefertafeln schrieb ich’s, hieß die Hand
Lied
Noch gestern sah er mir ins Aug
Ich hab Bettler, Diebe, Bucklige geküsst
O Liebe! Liebe! In Zuckungen, im Sarg
Lob der Aphrodite
1 Selig, wer deine Töchter, Erde, schnell verließ
2 Von Göttern – nicht mehr dieselben Geschenke
3 Unnütz, von schonenden Zweigen gehalten
4 Wie viele, wie viele fressen dir aus der Hand
Jugend
Bald schon muss ich Schwalbe zu den Hexen
Nicht hübscher geworden in den Jahren der Trennung
Grausam: Jammertal irdische Liebesglut
Such dir zutrauliche Freundinnen am Ende
Ich grüße dich! Nicht ein Stein, nicht Pfeil
Ophelia an Hamlet
Du Hamlet – straff und streng – Enggeschnürter
Ophelia – zur Verteidigung der Königin
Prinz Hamlet! Die wurmstichigen abgelegten Reste
Phädra
1 Die Klage
Hippolyt! Hippolyt! Es schmerzt
2 Der Brief
Hippolyt von der Mutter – von Phädra
Eurydike an Orpheus
Für jene, die abgelegt haben die letzten Fetzen
Ariadne
1 Verlassen zu sein – heißt: eingelassen zu sein
2 Oh, mit allen Stimmen der Muschelgehäuse
Kabel
1 Durch die singenden Pfähle hin
2 Um dir es hier zu sagen … nein, gereiht
3 (Wege) Verlesen alles und – verworfen
4 Selbstherrliche Vorstadt: Machtgehabe
5 Keine Schwarze Magie! Im weißen
6 Stunde, wo hoch oben Magier
7 Als mein Bruder fortging, weit
8 Geduldig, wie man den Schotter schlägt
9 Das Frühjahr bringt den Schlaf. Komm, schlaf
10 Mit andern – in die rosigen Haufen
So hört man sich hinein
1 So hört man sich hinein (die Mündung)
2 Freund! Mach mir keinen Vorwurf für die Flucht
Hamlets Dialog mit dem Gewissen
Sie sank zum Grund, wo Schlamm
Die Spalte
Wie dieser Vorfall zum Ende schrumpfte
Das Treffen
Ich werde zum vereinbarten Treffen mich verspäten
Zu früh – um nicht zu sein
Die Stunde der Seele
1 Aus Seele und Nacht die tiefe Stunde
2 In der tiefen Stunde der Seele
3 Die Stunde der Seele gibt’s, des Monds
Lotos-Saft
Göttlich und kindlich-nackt
Neigung
Mütterliches – durch den Schlaf hindurch – Ohr
Die Muschel
Aus der Leprastation von Lüge und Bösem
Die Klinge
Zwischen uns die Klinge – zweifach verletzend
Magdalena
1 Zwischen uns – die zehn Gebote
2 Balsam, Salben, ihre Preise
3 Deine Wege will ich gar nicht wissen
Von diesem Berg wie vom Dach der Welt
Sei auch bitter deiner Rohre Rauch
Die Schlucht
1 Der Grund – der Schlucht
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