Nach Tagen strenger Verhöre bringt ein Beamter Bertha Hoffmann zurück zu ihrer Zelle. »Auf der halben Treppe vor der Tür 23 redete ich ihr nochmals in ihr Gewissen, worauf sie meine linke Hand an sich nahm und krampfhaft festhielt: In dem Paket war der Kopf des Conrad, ich schäme mich, aber ich kann es nicht sagen, er war verliebt, wir haben zusammen gekokelt – geliebt gemeint –, dabei fiel der Amboss herunter auf seinen Kopf. Vor Schreck und Angst raste ich auf ihn los, dann habe ich ihn mit dem Rasiermesser abgeschnitten und in das Paket getan … es war alles ein Unglück.«
Das Protokoll vermerkt: »Wieder vorgeführt berichtete sie erneut mit ihrer alten lächelnden Miene, sie wolle nun die volle Wahrheit sagen: Conrad habe, nachdem sie ihm 33000 Mark, teils in barem Gelde, teils in Wechseln, für das Haus in Lindenthal bezahlt habe und der Kaufvertrag von beiden Parteien unterschrieben war, ihrem Drängen, den Kauf mit einem Glas Grog zu beschließen, nachgegeben.« Nun habe Conrad zur Toilette gehen wollen und strauchelte, stieß an den Tisch und fiel. Und dabei sei ihm »plötzlich infolge des Unglücksfalls ein hochgelegener, schwerer eiserner Schraubstock auf den Kopf gefallen. Conrad sei sofort bewusstlos gewesen und habe sich nicht mehr gerührt. Aufs Höchste erschrocken, sei sie hinzugesprungen und habe den Schraubstock, der auf seinem Kopf liegengeblieben sein ›soll‹ aufgenommen. Er sei ihrer Hand abermals entglitten und sei zum zweiten Male auf den Kopf des Unglücklichen gefallen. Sie habe es danach in ihrer Verzweiflung und Bestürzung für das Beste gehalten, die Leiche heimlich zu beseitigen, und alle Schritte, die sie nun unternommen habe, sollen nun nicht dazu gedient haben, die Spuren des Verbrechens zu verwischen, sondern hätten nur den Zweck gehabt, zu verhüten, daß auf sie ein schlechtes Licht falle. Sie habe nunmehr die Weichteile des Halses mit dem Rasiermesser ihres Sohnes durchschnitten. Darauf habe sie den Kopf in die Küche getragen und mitsamt dem Rasiermesser in einen kleinen alten Blecheimer getan und den Kopf mit einem halben Ziegelstein beschwert. Alsdann habe sie den Eimer mit Inhalt in einen Jutesack gesteckt und diesen oben mit einem Bindfaden fest zugebunden. Alsdann habe sie das Zimmer vom Blut gereinigt.«
Es bleibt nicht ihre letzte Variante des Geschehens. Die Hoffmannsche sagt später, »bei Besprechung des Hauskaufs habe ihr Conrad nun zugesichert, dass sie in dem Lindenthaler Grundstück, in dem Conrad wohnen bleiben sollte, drei Zimmer und eine Küche als Wohnung für sich erhalten solle. Damit sei sie zufrieden gewesen, und es sei dann durch reichlichen Alkoholgenuss zu Zärtlichkeiten gekommen. Sie hätten in der Dunkelkammer den Beischlaf auf den Dielen vollzogen, da Conrad sich nicht habe in das Bett legen wollen. Aber nach dem Geschlechtsverkehr habe Conrad gesagt, dass seine Frau dagegen Einspruch erheben werde, wenn er ihr drei Zimmer und eine Küche ablasse, er könne ihr nur ein Zimmer geben, das genüge ja auch für sie. Gleichwohl habe er sie von neuem zum Beischlaf anregen wollen, habe sein Glied entblößt, sie nach der Dunkelkammer gezogen und sich wieder auf die Diele gelegt, während sie sich habe auf ihn legen und so den Beischlaf vollziehen sollen.«
Was Phantasie, was Wahrheit und bewusste Lüge lässt sich im Nachhinein nicht feststellen. Der Dresdner Landgerichtsdirektor Erich Wulffen, Verfasser von Schriften, die neue Erkenntnisse der Psychologie in die Kriminologie einführen, und Autor seinerzeit vieldiskutierter Bücher wie »Die Psychologie des Verbrechers« und »Die Psychologie des Hochstaplers«, meint: »Auch dieser Fall bietet einen Beitrag zum Studium der Verbrecherinitiative des Weibes. Dieselbe ist doch kriminell nicht so passiv, wie man anzunehmen gewohnt ist.« Wulffen präsentiert Bertha Hoffmann als eine der wenigen Mörderinnen, die aus sexuellen Motiven töteten.
Der kurze Prozess findet am 12. Juli 1922 statt. »Die Angeklagte wird wegen Mordes und schweren Raubes nach den §§211, 249, 251, 73, 32 StGB zum Tode und zum dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Sie hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.« Bertha Hoffmann wird zu lebenslanger Haft begnadigt, die sie im Zuchthaus Waldheim verbringt. Dort führt ihr Augenleiden zur Erblindung. Gnadengesuche werden abgelehnt. Am 3. April 1942 stirbt sie. Bertha Hoffmanns Grab auf dem Anstaltsgelände ist nicht mehr zu finden.
Der Kopf des Mordopfers wird just am Tage des Prozesses aus dem Elsterflutbett gezogen. »Der Fund wurde sofort dem Gericht übergeben.« Im rechtsmedizinischen Institut wurde er »eingeliefert früh 10h, stark gefault, jedoch überall unverletzt. So war dem Ermordeten doch kein Schraubstock auf den Kopf gefallen. Wurde ihm vielleicht im Zustand der Trunkenheit, nach einem sexuellen Exzess, des Schlafes, mit einem Rasiermesser ein tödlicher Halsschnitt beigebracht und der Kopf anschließend abgetrennt?«
Die Frage bleibt: Hatte Bertha Hoffmann tatsächlich denselben »Basic Instinct« wie einst Sharon Stone? Man mungkld ähm und mungkld.
Friedrich Karl Kaul
Der Tote in der Villa
Mord in der feinen Dresdner Gesellschaft
Am Abend des 11. April 1920 klingelte in der Wohnung des Dresdner Arztes Dr. Wohlrath das Telefon. Seufzend hob der Doktor den Hörer von der Gabel; hoffentlich würde er nicht jetzt noch, nach den fünf Stunden in der Praxis, zu einem Patienten gerufen. Mit einem »Ja, wer ist da?« meldete er sich.
»Hier ist Annemarie Donner.« Die Stimme der Frau klang dunkel wie der Ton einer Bratsche.
»Ja, gnädige Frau, was gibt es? Ist einem der Kinder unwohl?«
»Nein, die Kinder sind gesund. Es ist etwas Entsetzliches passiert …, mein Mann … Bitte, kommen Sie doch gleich hierher!«
Jetzt, um halb zehn Uhr abends, noch nach Niederlößnitz rausfahren, das fehlte mir noch, dachte der abgearbeitete Mann bei sich. Laut fragte er: »Was ist denn mit Ihrem Mann geschehen?«
»Ein Unfall, mit seinem Revolver …« Die Stimme brach ab.
»Ist Ihr Gatte schwer verletzt? Dann wird es doch richtiger sein, ihn gleich in ein Krankenhaus zu überführen …«
»Nein, das hat keinen Zweck mehr, mein Mann ist … tot!«
»Ach …« Ehrliches Mitgefühl schwang in der Stimme des Arztes. »Ich komme, in einer halben Stunde bin ich da!«
Als Dr. Wohlrath seine ärztlichen Instrumente zusammenpackte, hob er plötzlich überlegend den Kopf: Wenn der Assessor Donner tatsächlich tot war, offenbar erschossen, dann wäre es doch das Richtigste, gleich die Polizei zu informieren. Eine Viertelstunde später ratterte ein Benzwagen die regennasse Straße hinunter, die an der Elbe entlang in das schon ländliche Niederlößnitz führte. Im Fond saß neben Dr. Wohlrath ein Kriminalkommissar, der den Arzt aufgrund seines Anrufes beim Polizeipräsidium mit dem Dienstwagen abgeholt hatte.
Auf die Frage des Kommissars bestätigte Dr. Wohlrath, dass er schon seit Jahren Hausarzt der Familie Donner sei.
»Wohlhabend?«, fragte der Kommissar kurz.
»Vor dem Kriege besaß Assessor Donner ein erhebliches Vermögen, an die dreimal hunderttausend Mark.«
»Im Frieden ein schönes Stück Geld!«
»Nicht wahr? Aber was davon nach der Geldentwertung noch übrig ist, weiß ich nicht.«
»Die Villa in Niederlößnitz gehört dem Assessor?«
»Ja, die hat er gekauft, als er 1912 heiratete.«
Als der Arzt mit dem Kriminalkommissar die Villa des Gerichtsassessors Otto Donner betrat, wurden sie schon am Eingang empfangen. Wenn auch die Erregung die Stimme der jungen Frau vibrieren ließ, so schilderte Annemarie Donner doch mit bemerkenswerter Sachlichkeit, was geschehen war.
Das Protokoll, das noch zu gleicher Stunde in der Villa aufgenommen worden ist, lautete in dem entscheidenden Abschnitt folgendermaßen: »Kurz nach 8 Uhr abends machte sich mein Mann fertig, um sich zu einer Übung der Einwohnerwehr zu begeben. Zu diesem Zweck ging er ins Schlafzimmer, das in der oberen Etage unseres Einfamilienhauses gelegen ist, um sich seine Uniform anzuziehen. Zu dieser Zeit lag ich auf dem Sofa in dem kleinen Wohnzimmer neben dem Schlafzimmer, da ich bereits seit nachmittag einen Migräneanfall hatte. Gegen halb neun Uhr kam mein Mann in das kleine Wohnzimmer, um sich von mir zu verabschieden. Dabei schnallte er sein Koppel um und rückte auch an der Revolvertasche, die er rechts am Koppel trug. In dieser Revolvertasche hatte mein Mann regelmäßig seine alte Armeepistole. Nachdem sich mein Mann von mir verabschiedet hatte, verließ er das Wohnzimmer durch die Tür nach dem Korridor, der zur Treppe führt. Ich bat ihn noch, die Tür nicht zu schließen, damit ich notfalls nach den Kindern hören konnte, die auf der anderen Seite des Korridors schliefen. Ich hörte nun noch durch die halb offengebliebene Tür die Schritte meines Mannes. Plötzlich knallte ein Schuss, auf den unmittelbar ein dumpfer Fall erfolgte. Ich sprang auf und lief zum Korridor. Auf der Treppe, die zum Hausflur führt, sah ich meinen Mann liegen. Als ich mich zu ihm herunterbeugte, sah ich vorn an der Stirn eine kreisrunde Wunde. Neben meinem Mann lag seine Pistole. Ich versuchte, den Kopf meines Mannes hochzuheben. Dabei rief ich ihn mehrfach an. Doch er antwortete nicht. Ich stellte dann fest; dass er bereits tot war …«
Читать дальше