Sabine Otto
Das Schicksal und andere Zufälle
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Inhaltsverzeichnis
Titel Sabine Otto Das Schicksal und andere Zufälle Dieses ebook wurde erstellt bei
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MÄNNER
BEKANNTSCHAFTEN
ÄNGSTE
ZUFÄLLE
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ERKENNTNISSE
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BEZIEHUNGEN
ENTWIRRUNGEN
SCHICKSAL
ZUM SCHLUSS
Impressum neobooks
Das Wartezimmer war komplett überfüllt. Elli konnte sich zwar nicht erinnern jemals in einer leeren Arztpraxis gesessen zu haben, aber es war trotzdem nervig! Seufzend nahm sie sich eine Zeitschrift, setzte sich auf den einzig freien Stuhl und blätterte sich durch den neusten Promiklatsch! Von Zeit zu Zeit blickte sie neiderfüllt auf ihre Stuhlnachbarin, die nur noch aus Bauch zu bestehen schien.
Eine gefühlte halbe Ewigkeit später hörte sie die freundliche Stimme der Sprechstundenhilfe: „Frau Elisabeth Funk bitte!“ Dr. Witte war immer sehr verständnisvoll. Und so brachte er ihr auch diesmal sehr behutsam, nachdem er sie auf dem Stuhl untersucht hatte, bei, dass sich ihre Regel nur verspätet habe, aber jeden Moment einsetzen würde. Wenn sie ehrlich war, hatte sie auch nichts anderes erwartet. Sie wagte schon gar nicht mehr zu hoffen.
Zu Hause angekommen beschloss sie, sich erst einmal ein Entspannungsbad einzulassen und drehte mechanisch den Hahn auf. Das Geräusch des plätschernden Wassers weckte sie aus ihrer Trance und holte sie zurück in die Realität. Wie gut, dass Kai erst morgen Abend zurück kam. Ob sie Kati wohl schon zu Hause erreichen konnte? Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass ihre Freundin sicher noch im Feierabendverkehr steckte.
Genüsslich glitt Elli in die dampfende Wanne und fing langsam an, sich zu entspannen. Sie musste aufhören, sich jedes Mal so hinein zu steigern. Sie lebte nur noch von Eisprung zu Eisprung. Ihr kompletter Terminkalender schien nur noch im 28-Tage-Zyklus abzulaufen. Seit drei Jahren versuchten sie es nun schon. Aber alle vier Wochen bekam sie mehr oder weniger regelmäßig den Beweis präsentiert, dass es wieder nicht geklappt hatte. Alle Untersuchungen, die sie bisher geduldig über sich hatte ergehen lassen – und es waren nicht wenige – führten immer wieder zum gleichen Ergebnis. Mit ihr war alles in Ordnung! Leider war Kai nicht immer verfügbar, wenn der passende Zeitpunkt gekommen war. Durch seine Arbeit bei einer Werbeagentur war er sehr viel unterwegs. Sie hatte es auch schon längst aufgegeben, ihn auf dieses kritische Thema anzusprechen, so gereizt wie er mittlerweile darauf reagierte. Vor vier Jahren hatten sie sich bei der Arbeit kennen gelernt. Sie waren beide in der gleichen Agentur angestellt; er als Fotograf, sie als Werbetexterin. Bei der Erinnerung an den Beginn ihrer Beziehung wurde Elli ganz wehmütig zumute. Wo waren sie geblieben, diese unbeschwerten Tage von damals. Sie waren beide jung, verliebt und die Zukunft lag wie eine glückliche Verheißung vor ihnen. Ziemlich schnell zogen sie zusammen und schon bald wurde klar, dass sie eine Familie gründen wollten. Doch dann hatte Kai eine neue Stelle angeboten bekommen. Sie sahen sich nicht mehr so häufig und er war immer öfter auf Reisen. War er dann doch einmal zu Hause, verbrachte er sehr viel Zeit in der Agentur.
Als Elli so im Wasser lag und ihre Haut an den Füßen und Fingern zu schrumpeln begann, musste sie sich eingestehen, dass ihre Beziehung schon bessere Zeiten gesehen hatte. Im tiefsten Inneren konnte sie Kai sogar ein bisschen verstehen. Kein Wunder, dass er sich zurückgezogen hatte, bei ihrer krampfhaften Fixierung auf dieses eine Thema. Zeit aus der Wanne zu steigen und sich bei ihrer Freundin Kati auszuheulen! Die musste inzwischen zu Hause angekommen sein.
Elli betrachtete sich im Spiegel. Gedankenverloren strich sie über ihren flachen Bauch, betrachtete ihren schlanken hochgewachsenen Körper, ihre langen feuchten Haare, die sich zu widerspenstigen Locken über ihren Schultern ergossen. Das Klingeln des Telefons ließ sie aufschrecken.
„Hallo Kati! Das ist ja Telepathie!“
„Wie sieht’s aus bei dir? Hast du Lust auf ein Glas Wein rüber zu kommen?“
„Tolle Idee! Bis gleich.“
Kai schlenderte durch die verwinkelten Gassen von Valdemossa. Genussvoll streckte er sein Gesicht den warmen Sonnenstrahlen entgegen. Im Oktober gefiel ihm Mallorca am besten. Während zu Hause schon die ersten Herbststürme tobten, konnte man hier noch die letzten Sommertage genießen. Außerdem war jetzt schon Nebensaison. Es gab kaum noch Touristen auf der Insel. Heute Mittag, nachdem das letzte Bild im Kasten war, hätte er eigentlich gleich mit den anderen nach Palma fahren können, um mit der letzten Maschine zurück nach Deutschland zu fliegen. Aber als er sich auf der Terrasse eines Cafés einen Cappuccino bestellte, bereute er seinen Entschluss noch eine Nacht zu bleiben, keine Sekunde. Allein der Gedanke an die Stimmung daheim, ließ ihn alle Bedenken über Bord werfen. Er liebte Elli, keine Frage. Aber die Situation, in die sie beide sich mit dem für seine Begriffe viel zu früh ausgesprochenen Kinderwunsch hinein manövriert hatten, war für ihn mittlerweile unerträglich geworden. Er hatte schon gar keine Lust mehr auf Sex. Jegliche Spontanität war auf der Strecke geblieben. Wenn Elli in letzter Zeit dieses Thema auch nicht mehr anschnitt, hing es doch wie ein Damoklesschwert über ihnen. Nie würde er den Abend von neulich vergessen. Elli hatte wieder einmal einen ihrer unzähligen Tests hinter sich gebracht. Sie hatten eine Flasche von ihrem Lieblings-Bordeaux geköpft, und es hätte ein gemütlicher Abend werden können. Aber da kam sie auf die Idee, ihm einzureden es läge womöglich an ihm, dass sich bei ihnen kein Nachwuchs einstellte. Er war ja bis jetzt sehr tolerant gewesen und hatte alle ihre Sperenzchen mitgemacht. Aber da hörte es auf! Er hatte noch immer seinen Mann gestanden! Einfach absurd der Gedanke, bei ihm sei etwas nicht in Ordnung! An jenem Abend waren sie wortlos nebeneinander eingeschlafen und hatten seither auch nicht mehr über dieses Thema gesprochen. Ab diesem Zeitpunkt hatte sich ihre Beziehung definitiv verändert.
Eine junge Spanierin lächelte ihn im Vorbeigehen kokett an. Mit einem Schlag waren alle seine trüben Gedanken wie weg geblasen. Er freute sich auf heute Abend. Ein paar Kollegen vom Team waren noch geblieben, ein paar der Models auch. Das würde sicher amüsant werden!
Kati war Innenarchitektin, was sich schwer leugnen ließ, wenn man ihre Wohnung betrat. Elli fühlte sich bei ihr immer sofort wohl. Allein diese hellen und freundlichen Töne, mit denen sie ihre Wohnung eingerichtet hatte, hoben gleich die Laune. Aber am besten gefiel ihr die Kuschelecke. Kati hat eine Nische in ihrem Wohnzimmer abgeteilt und hinter einem Paravent versteckt. Dahinter waren rote, gelbe und orangefarbene Kissen um einen Glastisch herum verteilt und in der Ecke stand eine kleine Getränkebar aus Chrom.
„So, dann lass uns mal einen Schlachtplan entwerfen.“ Kati entkorkte geschickt eine Flasche Rotwein. Sie kannte ihre Freundin gut genug, um gleich zu wissen, was diese bedrückte. „Ich schaue mir das ja schon eine Weile mit dir an, aber jetzt muss ich es dir doch einmal sagen. Ihr seid jetzt drei Jahre am Üben. Mit dir ist alles in Ordnung; es gibt also nur zwei Möglichkeiten. Entweder liegt das Problem bei Kai oder ihr beide passt biologisch einfach nicht zueinander.“
„Das gibt es doch gar nicht. Wir lieben uns. Wahrscheinlich haben wir nur nie den richtigen Zeitpunkt erwischt.“
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