Mit Jack Greenwell als Trainer, Alcántara, Samitier und Zamora beginnt mit der Saison 1918/19 Barças erste goldene Dekade. Im Zeitraum 1918 bis 1924 gewinnt der Verein zunächst fünfmal den Campeonato de Catalunya sowie 1920 und 1922 den Copa del Rey.
Zamora, Kettenraucher (65 Stück pro Tag; bei Barça wird ihn allerdings später noch Johan Cruyff übertreffen), Cognac-Freund und Frauenschwarm, seit dem Olympischen Turnier nur noch El Divi (der Göttliche) genannt und einer der ersten Superstars des europäischen Fußballs, kehrt im Sommer 1922 nach einem Disput mit Hans Gamper zu Español zurück.
Jack Greenwell verlässt den FC Barcelona 1924 und trainiert anschließend noch CD Castellón, Español, RCD Mallorca, erneut Barça, den FC Valencia, Sporting de Gijon, den peruanischen Klub Universitario de Deportes und schließlich die Nationalelf des Andenlandes. Nur Johan Cruyff wird sich später beim FC Barcelona noch länger auf dem Trainerstuhl halten. Greenwells Nachfolger wird der Ungar Jesza Poszony, dem bis 1931 mit Ralph Kirby und James Ballamy wieder zwei Engländer folgen, bevor Greenwell noch einmal für zwei Spielzeiten das Zepter übernimmt.
Paulino Alcántara bleibt dem FC Barcelona bis zum 3. Juli 1927 erhalten. Dann hängt er seine Fußballschuhe an den Nagel, um den Beruf des Arztes nun in Vollzeit auszuüben. Der Goalgetter kommt in 357 Spielen für Barça auf sagenhafte 356 Tore, bis heute Klubrekord. In den Jahren 1931 bis 1934 sitzt Alcántara im Aufsichtsrat des FC Barcelona.
Samitier bleibt bis 1933 beim FC Barcelona und ist in den 1920ern der bestbezahlte Profi in Barças Team und gemeinsam mit Españols Zamora wohl auch in Spanien.
Unruhige Zeiten
1921 beginnt die vierte Amtszeit von Hans „Joan“ Gamper als Barça-Präsident. Gamper agiert erneut als Retter, die Existenz des Klubs ist von politischen Zerwürfnissen bedroht. Der mittlerweile zu Wohlstand gelangte Immigrant ermöglicht mit einer Unterstützung von einer Million Peseten den Bau des Stadions Les Corts im gleichnamigen Stadtteil, dessen Kapazität zunächst 20.000 (später: 60.000) beträgt und dem Klub bis 1957 bzw. bis zum Bau von Camp Nou als Spielstätte dient.
Vor dem Hintergrund des anhaltenden Chaos in Barcelona und der Krise im Kolonialkrieg in Marokko ruft König Alfonso XIII. 1923 den Generalkapitän von Barcelona, Primo de Rivera, nach Madrid. Um die permanente Staatskrise zu beenden, errichtet Primo de Rivera am 13. September 1923 in Absprache mit dem König eine Militärdiktatur. Ab 1925 werden auch Zivilisten in die bis dahin ausschließlich mit Militärs besetzte Junta aufgenommen, und Rivera tauft sich zum „Ministerpräsidenten“ um.
Primo de Rivera erfreut sich zunächst der Zustimmung der konservativen Katalanisten und des katalanischen Bürgertums – dank vager Autonomieversprechungen, die er allerdings nie einlösen wird, sowie der Unterdrückung der Arbeiterbewegung einschließlich des Verbots der CNT.
Doch die Stimmung dreht sich bald. Als die mancumunitat, die 1914 gewährte Union der vier katalanischen Provinzen, aufgehoben wird, als das Regime gegen die katalanische Sprache und katalanischen Symbole vorgeht, rückt das katalanische Bürgertum mehr und mehr auf Distanz zu De Rivera. Die Militärdiktatur und ihr hartes Vorgehen gegen separatistische Bestrebungen hat eine Radikalisierung und Popularisierung des katalanischen Nationalismus zur Folge.
In Barças Jubiläumsjahr 1924 beginnt die fünfte und letzte Amtszeit von Hans Gamper. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens schreibt die satirische Sportzeitschrift Xut (Der Schuss), dass „der glorreiche FC Barcelona in seiner Frühzeit richtiggehend ‚exotisch‘ war. So nach und nach wurde er katalanisiert, und 25 Jahre Hartnäckigkeit haben ausgereicht, das Volk für sich zu gewinnen“. Das Jubiläumsposter zeichnet der aus Valencia stammende Künstler Josep Segrelles, einer der fähigsten und prominentesten Illustratoren des 20. Jahrhunderts.
Erfolgreich verläuft Barças Kampagne zur Gewinnung neuer Mitglieder: 25 Jahre nach der Gründung sind es schon 12.207.
Eklat in Les Corts
Zur Saison 1924/25 verstärkt sich der FC Barcelona mit dem deutschen Abwehrspieler Emil „Emilio“ Walter. In Deutschland spielte Walter während des Ersten Weltkriegs bereits 16-jährig für die 1. Mannschaft des FC Germania Brötzingen. 1922 hatte der gelernte Kaufmann die inflationsgeplagte Heimat verlassen und war nach Katalonien ausgewandert. Dort schloss er sich zunächst Unió Esportiva Figueres an, bevor Barça auf ihn aufmerksam wurde. Walter wird bis 1933 242 Pflichtspiele für den FC Barcelona bestreiten und dabei dreimal den Copa del Rey gewinnen. Laut dem Fußballforscher Andreas Wittner wird Walter zeitweise als bester Verteidiger Spaniens gehandelt. Für die deutsche Nationalelf reicht es trotzdem nicht, denn der DFB mag keine Profis und Legionäre. Für Spanien wiederum kann Walter wegen seiner deutschen Staatsangehörigkeit nicht auflaufen. Nur in der Auswahl Kataloniens darf der populäre Deutsche mitwirken.
Am 14. Juni 1925 ist das Barça-Stadion Les Corts Bühne eines Benefiz-Spiels, bei dem sich der FC Barcelona und der ebenfalls in Barcelona beheimatete Klub Jupiter gegenüberstehen. 14.000 Zuschauer sind ins Stadion gekommen. Die Eintrittsgelder sollen dem Orfeó Català zugutekommen, einer 1891 von Lluís Millet und Amadeu Vives gegründeten Chor-Gemeinschaft mit Sitz in Barcelonas Palau de la Música Catalana, noch heute der berühmteste Chor Kataloniens. Orfeó Català war als Tribut an Josep Anselm Clave (1824-74) ins Leben gerufen worden, Chorleiter, Komponist und Poet sowie katalanisch-nationalistischer Politiker. Clave, dessen Name einem noch heute in vielen Orten Kataloniens auf Straßenschildern begegnet, hatte die Chormusik der Arbeiterschaft nähergebracht.
Die Chor-Gemeinschaft spielte beim Revival der katalanischen Kultur eine bedeutende Rolle, aber die Benutzung der katalanischen Sprache ist unter dem Militärregime verboten. Die Militärs erlauben die Begegnung, verbieten aber die Spende an Orfeó. Arthur und Ernest Witty haben eine Kapelle der britischen Royal Marines engagiert, die zu diesem Zeitpunkt im Hafen von Barcelona liegen. Nicht wissend, auf welch einem politischen und kulturellen Minenfeld sie sich bewegen, spielen die Musiker vor dem Anpfiff die spanische Nationalhymne, was das Barça-Publikum mit einem gellenden Pfeifkonzert quittiert. Daraufhin wechselt man mitten im Lied zur englischen Nationalhymne über – und das Publikum applaudiert.
Die Militärs, im Stadion vertreten durch den Generaloberst Milans del Bosch, spanischer Befehlshaber für Katalonien, fühlen sich brüskiert. Primo de Rivera lässt das Stadion des FC Barcelona für sechs Monate schließen. Auch der Orfeó Català darf eine Zeitlang nicht öffentlich auftreten.
Barça-Präsident Joan Gamper wird von den Machthabern „nahegelegt“, mit Rücksicht auf seine körperliche Unversehrtheit das Land für einige Zeit zu verlassen, was er dann auch für sechs Monate tut. Gamper legt sein Amt als Barça-Präsident nieder und formuliert in seiner Rücktrittserklärung, der FC Barcelona habe niemals aufgehört, sich „getreu der Situation nur an sportlichen Zielen zu orientieren“. Die gegenwärtige Situation entspräche nur dem Wunsch, „ein patriotisches Ziel zu erreichen“.
Im Exil kann sich Gamper nicht mehr ausreichend um seine Geschäfte kümmern, außerdem leidet er unter Depressionen. Gamper ist ein gebrochener Mann, der sein Lebenswerk FC Barcelona zerstört sieht. Zwar darf er nach Barcelona zurückkehren, aber nur unter der Bedingung, keinen Kontakt zum Klub zu unterhalten. Manuel Tomás: „Dieses Abseitsstellen konnte er kaum ertragen, und er fiel in eine schwere Depression.“
Der FC Barcelona verliert auch Arthur Witty, den die Politisierung des FC Barcelona stört. Witty bleibt zwar Barça-Fan, geht aber mehr und mehr auf Distanz zum Klub und widmet sich vornehmlich seinen Geschäften. Gemeinsam mit seinem Sohn Frederick sorgt er dafür, dass in den 1930ern Unternehmen wie Cadbury, Johnnie Walker, Unilever und Bovril den spanischen Markt betreten.
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