Dietrich Schulze-Marmeling
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2. Auflage Mai 2010
Copyright © 2010 Verlag Die Werkstatt GmbH
Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen
www.werkstatt-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt
ISBN 978-3-89533-796-3
Prolog
Vorwort
1Hans „Joan“ Gamper oder: Vom „Klub der Fremden“ zum Symbol Kataloniens
2Ein Fußballklub, ein Diktator und erste Stars
3Fußball und Bürgerkrieg
4Ein Superstar, ein Superstadion und ein Team der fünf Pokale
5Kulturtransfer: Der „totale Fußball“ kommt nach Katalonien
6El Salvador: Ein Niederländer erlöst Katalonien
7Ein Baulöwe und ein „blonder Engel“
8Die Rückkehr von El Salvador
9Ein „Poet unter Machos“ und eine „permanente Stimme aus dem Off“
10Die „katalanische Republik des FC Barcelona“
11Die Kunst des schönen Spiels
Bilder zum FC Barcelona
Daten zum FC Barcelona
Zeittafel zum FC Barcelona
Literatur
Danksagung
Der Autor
Zum Weiterlesen
„Für uns Nichtgläubige ist Barça ideal. So haben wir etwas, woran wir glauben können. Barça verspricht uns ein Leben nach dem Tod.“ Sergie Pàmies
„Barça-Anhänger erleben bei Siegen ein fast orgiastisches Glücksgefühl und fallen bei Niederlagen in schwerste Depressionen. Das Irrationale ist ein Bestandteil des menschlichen Bewusstseins, man sollte immer einen irrationalen Aspekt in sich pflegen. Warum beispielsweise sollte es nicht die fußballerische Religiosität als Alternative zur Religiosität in der Politik geben können?“ Manuel Vázquez Montalbán
„Für den Klub zu sein hieß, gegen das Regime zu sein. Deshalb wird Barça immer mehr sein als nur ein Verein.“ Sergie Pàmies
„Francos Besatzungstruppen betraten die Stadt. Auf dem vierten Platz der Liste der Organisationen, die nun verfolgt wurden, stand hinter den Kommunisten, Anarchisten und Separatisten der Barcelona Football Club. (…) Barça ist die epische Waffe eines Landes ohne Staat. Barças Siege sind wie die Athens über Sparta.“ Manuel Vázquez Montalbán
„Während der Franco-Zeit waren Barças Siege ein Placebo, um den Hunger nach Freiheit zu stillen.“ Sergie Pàmies
„Selbst wenn Claudia Schiffer und Naomi Campbell zusammen splitternackt im Camp Nou flanierten, wie lange würden die Menschen wohl hinschauen? Zehn, zwanzig Sekunden vielleicht, bis zum nächsten aufregenden Angriff über Laudrup oder Stoichkov oder Guardiola oder wen auch immer in dieser großartigen Mannschaft, die damals den aufregendsten Fußball der Welt spielte.“ César Luis Menotti (über Johan Cruyffs Dream-Team)
„Sehr viele Leute, die hier eine Jahreskarte für Barça haben, haben hier auch eine Jahreskarte für das Konzerthaus oder die Oper. Die Katalanen interessiert beides, und sie sehen darin auch keinen Widerspruch. Das wiederum merkt man an der Stimmung im Stadion, die ist ganz anders als in England. Viel zurückhaltender, viel opernhafter.“ José Carreras
„Was diese Jungs können, ist magisch. Das ist Kunst. Kunst hat heute so viele verschiedene Ausprägungen. Einer wie Ronaldinho liegt irgendwo zwischen bildender Kunst und einem Künstler auf der Bühne.“ José Carreras
„Natürlich ist Barcelona in erster Linie ein Fußballklub: Wie alle Klubs versucht man, Spiele zu gewinnen und Prestige aufzubauen und zu bewahren. Doch es ist auch ein Verein mit einer Geschichte von 105 Jahren, die eng mit Werten wie Sportlichkeit, Fairness, Universalismus und Gemeinwohl verknüpft sind. Außerdem wird der Klub auch eng mit seinem Territorium in Verbindung gebracht. Wir respektieren jeden, der die gleichen Werte respektiert: Barcelona ist ein wichtiger Integrationsfaktor für die Menschen, die zum Leben und Arbeiten nach Katalonien kommen. Menschen aus vielen verschiedenen Ländern sehen in Barça eine Integrationsmöglichkeit. Hier können sie Gemeinschaft erleben und haben ein Forum, wo sie mit der katalanischen Gesellschaft in Kontakt kommen können. Barcelona ist in gewisser Weise ein Abbild der Stadt und der Region Katalonien. Daher sind wir mehr als ein Klub.“ Joan Laporta, Februar 2005
„Das Vereinsmotto ‚Mehr als ein Klub‘ stimmt. Barça ist eine Weltanschauung.“ Udo Lattek
„Es ist, als bleibe für Barcelona die Welt stehen.“ Thierry Henry
Am 29. November 1899 wurde in einer Turnhalle in Barcelonas Altstadt der Football Club Barcelona aus der Taufe gehoben. Initiator der Gründung war der Schweizer Hans Gamper, erster Präsident wurde der Engländer Walter Wild. Die Gründungsmitglieder waren in ihrer Mehrheit Ausländer und Protestanten, Fremde in einem Land, dessen Verfassung die „katholische, apostolische, römische Religion“ zur Staatsreligion erklärte und einzig deren Zeremonien und öffentliche Kundgebungen zuließ.
Barcelona wurde in diesen Jahren zum Manchester Spaniens, eine Stadt, deren Rhythmus von Handel und Industriearbeit bestimmt wurde. Hunderttausende zogen in die staubige, graue und laute Industriestadt voller Schlote und Elendsquartiere, die damit einen vorzüglichen Nährboden für den Fußball bot. Denn Fußballhochburgen entstanden oftmals dort, wo viele Menschen Einwanderer waren und nur einen schwachen Bezug zum Territorium hatten, wie etwa im Ruhrgebiet. Der Fußball füllte hier eine emotionale Lücke und wirkte identitätsstiftend.
Dies galt auch für den FC Barcelona. Barça, wie der Klub auch kurz gerufen wird, war schon frühzeitig „més que un club“ (mehr als ein Klub), wie das offizielle Vereinsmotto heute lautet.
Bereits 1908, ein knappes Jahrzehnt nach der Gründung, führte Hans Gamper, der seinen Vornamen zu „Joan“ katalanisieren ließ, den FC Barcelona an den Katalanismus heran, der nach politischer und kultureller Unabhängigkeit vom Zentralismus des kastilischen Madrid trachtete.
1935 wurde Josep Sunyol Präsident des FC Barcelona, ein Aktivist der katalanischen Linken. Sunyol, der im August 1936, wenige Wochen nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs, ermordet wurde, war Herausgeber der Zeitung La Rambla, die mit dem Untertitel „esport i ciutadania“ („Sport und Bürgerrecht“) erschien und eine Melange aus Sport und Politik anstrebte.
Sein Image, mehr als nur ein Klub zu sein, „verdankt“ der FC Barcelona aber vor allem den Jahren der Franco-Diktatur. Als die katalanische Sprache verboten war und die eigenständigen Strukturen Kataloniens zerschlagen wurden, avancierte Barça zur letzten katalanischen Institution und das Stadion Camp Nou zum Parlament Kataloniens. „Für den Klub zu sein hieß, gegen das Regime zu sein“, formulierte der Schriftsteller Sergie Pàmies nachbetrachtend.
Trotz internationaler Stars wie Ladislao Kubala und Trainern wie Helenio Herrera stand Barça in den Jahren der Franco-Diktatur zumeist im Schatten des großen Rivalen Real aus der Hauptstadt Madrid. In den Jahren 1956 bis 1966 wurde der Europapokal der Landesmeister von den fußballerischen Repräsentanten faschistischer Hauptstädte dominiert. Real Madrid und Benfica Lissabon vereinigten acht der elf in diesem Zeitraum vergebenen Titel auf sich.
Wenn vom spanischen Fußball jener Jahre gesprochen wird, ist noch heute viel von Schiedsrichter-Beeinflussung zugunsten Reals und auf Kosten Barças die Rede. Entscheidender war aber wohl, dass Real auf vielfältige Weise indirekt von Francos zentralistischer Politik profitierte, die Macht und Ressourcen in der Hauptstadt konzentrierte.
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