Tarzan litt wieder einmal sehr unter seiner ihn tief bedrückenden Schwermut, die in den Sorgen um sein und der Seinen Schicksal ihre Nahrung fand und seine sonst so scharfen Sinne gleichsam umschleierte. Daher hatte er es auch gar nicht bemerkt, dass er nicht mehr allein am Strande war; ja um ein Haar wären die Wilden unbemerkt über ihn hergefallen … Er war jedoch sofort auf den Beinen, als er mit einem Male merkte, dass irgendetwas hinter seinem Rücken vorging; denn etwas Verdächtiges hören und im Bruchteil einer Sekunde mit allen Fasern zum Handeln bereit zu sein, das steckte ihm in Fleisch und Blut. Mit gellendem Geschrei und geschwungenen Keulen stürmten die Wilden heran, doch gleich den vordersten erledigte er mit einem gewaltigen Schlag. Schon umringten sie den hochragenden, sehnigen Gegner, doch dessen wuchtiger Knüttel sauste rechts und links und überall auf sie nieder und warf ihre Reihen in wilder Panik zurück.
In einiger Entfernung berieten die Überlebenden, was nun zu tun sei. Der Affenmensch erwartete jedoch ruhig und mit verschränkten Armen ihren neuen Angriff. Diesmal rückten sie mit ihren verderbenbringenden Speeren an, und bald hatten sie Tarzan in einem engen Halbkreis vom Dschungel her umzingelt.
Wenn sie ihn jetzt alle auf einmal mit einem Hagel von Speeren überschüttet hätten, wäre er kaum lebend davongekommen. Wollte er also nicht die Kette der Wilden in rasendem Ansturm durchbrechen, so blieb ihm nur das Meer in seinem Rücken als einziger Rettungsweg.
Seine Lage war geradezu verzweifelt. Doch plötzlich verzog sich das Lächeln, das immer noch nicht von seinem Gesicht gewichen war, zu einem breiten Lachen. Die Schwarzen hielten sich immer noch zurück: Mit großem Getöse und unter gellendem Geheul sprangen sie in wildem Kriegstanze auf und nieder; man hörte dazwischen deutlich, wie die nackten Füße klatschend den Boden berührten. Ein seltsames Schauspiel!
Doch mit einem Male erhob der Affenmensch seine Stimme zu einem langanhaltenden unheimlichen Kampfruf. Wie vom Schlage gerührt brachen die Schwarzen ihre Tanzerei ab, und ängstlich fragend suchte einer des anderen Blick. Das war ein Brüllen, wie sie es bisher noch nie vernommen hatten, ein Brüllen, dem selbst ihr wütendes Kampfgeheul nicht gleichkam. Keiner Menschenkehle konnte solch furchtbarer Ruf sich entringen, das musste ein Raubtier gewesen sein –, und doch sahen sie es mit eigenen Augen, wie der weiße Mann immer noch aus weit geöffnetem Munde den schreckengebietenden Kampfruf über den Dschungel jagte.
Nach ein paar Sekunden freilich wich die Erstarrung, und in geschlossener Kette tanzten sie ihrem Opfer immer näher und näher. Ein plötzliches Brechen im Dschungelgestrüpp rückwärts hemmte von Neuem ihre Schritte. Was da auftauchte, ließ ihnen vor Entsetzen fast die Augen aus ihren Höhlen treten, und wohl manch mutigeres Herz, als es den Wagambi in der Brust schlug, würde bei diesem Anblick auch gezittert haben.
Ein stattlicher Leopard sprang mit funkelnden Augen und kampfwütigen Pranken vom Dschungelrande herab, und hinter ihm polternd eine Horde riesiger Menschenaffen, halbgebückt über ihren kurzen krummen Beinen, mit den langen Armen die Erde berührend. Schwer lastete ihr wuchtiger Oberkörper auf dem kantigen Unterbau, und unbeholfen kamen sie vom Dschungel herüber.
Tarzans Tiere waren dem Rufe ihres mächtigen Gefährten gefolgt!
Und noch ehe sich die Wagambi von ihrer Bestürzung erholen konnten, war ihr Schicksal besiegelt: Von beiden Seiten brach das Unheil über sie herein, hier die zähnefletschenden Tiere und dort der Affen-Tarzan.
Zwar empfing diese ein Hagel von Speeren und mächtigen Keulen, zwar mussten auch einige Affen ihr Leben lassen, aber – die Krieger von Ugambi waren nicht mehr.
Nur ein einziger Krieger war nach jenem grasüberwucherten Hügel entkommen …
Dieser eine war Mugambi, der Häuptling der Wagambi aus dem Lande Ugambi. Als er in dem üppigen Pflanzendickicht verschwand, folgten ihm nur die scharfen Augen des Affenmenschen, der vom Hügelkamm genau die eingeschlagene Richtung erkennen konnte.
Er nahm unverzüglich die Verfolgung des einzigen Überlebenden auf. Kaum war er am jenseitigen Abhang der Hügelkuppe, als ihm auch schon die Gestalt des Flüchtenden wieder in Sicht kam. Mit raschen Sprüngen suchte jener das lange Kanu zu erreichen, das an den Strand gezogen und so gegen die gischtende Brandung gesichert war.
Lautlos wie dessen eigener Schatten sprang der Affenmensch dem von Entsetzen gefolterten Schwarzen näher. Ein neuer Plan war bei dem Anblick des Bootes jäh in ihm aufgeschossen: Waren diese Leute von einer anderen Insel oder gar vom Festland hierher gekommen, warum sollte er da nicht alles nutzen, was in ihren Kräften stand, mit ihnen den gleichen Weg zurück einzuschlagen? Kamen sie von einer Insel, so würden sie ohne Zweifel ab und zu sicher einen Beutezug nach dem Festland unternehmen. Vielleicht aber hatten sie überhaupt festen afrikanischen Boden unter den Füßen.
Eine mächtige Hand legte sich schwer auf die Schulter des flüchtenden Mugambi, noch ehe er gewahr wurde, dass ihn jemand verfolgte. Er wandte sich um und wollte sich mit geballter Faust zur Wehr setzen. Doch im Augenblick, in dem er zum Verteidigungsschlag weit ausholte, wurde er von seinem riesigen Verfolger zu Boden geworfen.
Tarzan redete ihn in der Sprache der Westafrikaner an. Wer bist du? fragte er.
Mugambi, der Häuptling der Wagambi, erwiderte der Schwarze.
Ich will dich am Leben lassen, fuhr Tarzan fort, wenn du mir hilfst, von dieser Insel wegzukommen. Wie stellt du dich dazu?
Helfen will ich schon, entgegnete Mugambi, aber jetzt habt ihr mich um alle meine Krieger gebracht … Ich weiß nicht einmal, ob ich selbst je dies Land verlassen kann. Wer soll denn rudern? Und ohne viele kräftige Ruderer bringen wir das Kanu niemals über das große Wasser …
Tarzan erhob sich und bedeutete dem Schwarzen, das gleiche zu tun. Der Schwarze war ein wohlgebauter stattlicher Mann in voller Kraft, äußerlich so recht das Gegenstück zu der glänzenden Erscheinung des Weißen vor ihm.
Komm mit, sagte der Affenmensch. Er schlug die Richtung ein, aus der das Knurren und Schreien zu hören war. Mugambi fuhr zurück …
Sie werden uns zerreißen, sagte er.
Das denke ich nicht, erwiderte Tarzan. Die Tiere gehören mir …
Noch immer zögerte der Schwarze in der Vorstellung des Entsetzens, das ihn erwarten musste, wenn er sich in die Reichweite jener schrecklichen Bestien begäbe. Aber Tarzan zwang ihn zum Mitgehen, und bald hatten sie vom Dschungelsaum aus das ganze Schauspiel am Meeresstrande vor sich. Erst begrüßten die Tiere die beiden mit drohendem Geknurr, doch Tarzan ging unerschrocken an sie heran, den zitternden Wagambihäuptling nach sich zerrend.
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