Das Geheimnis der Bergkuppe
Ungehindert erreichte Hahnfeld durch den kurzen Tunnel hinter der Panzertür einen mächtigen Aufzugschacht. Er betätigte wiederum in bestimmter Reihenfolge eine Zifferntafel, die ihm erst nach Eingabe des richtigen Codes Zugang zur Fahrstuhlsteuerung gewährte. Brummend kam die als Schwerlastlift ausgelegte Transportplattform aus der dunklen Tiefe nach oben gefahren und hielt. Hahnfeld zerrte das Metallgopf der Innensteuerung. Ruckend setzte sich der Aufzug wieder in Bewegung. Es ging aufwärts. Die Fahrt dauerte nur wenige Minuten, in denen sich der Fahrkorb in Richtung Bergspitze bewegte. In der obersten Etage angekommen, öffnete Hahnfeld wieder die Gittertür und betrat erneut einen kleinen Tunnel. In diesem brannte eine spärliche Notbeleuchtung. Vorsichtig ging er in Richtung einer weiteren massiven Stahltür, die nach etwa zehn Metern am Ende des Ganges in der Wand eingelassen war. Der Kommandant betätigte wiederum ein durch Zahlencode gesichertes Schloß. Die Tür fuhr diesmal automatisch zur Seite. Mit der Handlampe leuchtete er in die sich aufgetane Öffnung hinein, bevor er selbst in die hinter der Tür liegende Halle eintrat. Im Schein der Lampe konnte er nichts Auffälliges feststellen. Dennoch setzte er seinen Weg sehr vorsichtig fort. Die Halle, die er jetzt betrat, war eine Art hoher Felsendom, der tief und sicher in der Bergkuppe lag. Vorsichtig tastete er nach den Schaltern, die nahe des Türschotts in der Felswand eingelassen waren. Sekunden später flackerte eine gedämpfte Deckenbeleuchtung auf.
Ihr Licht fiel auf den dunklen, mit stumpfen Tarnfarben gestrichenen und mit alten Hoheitszeichen versehenen Rumpf der Flugscheibe, die in diesem unterirdischen Hangar stand. Der Kommandant schaute sich noch einmal aufmerksam um, bevor er in respektvollem Abstand das ungewöhnliche Fluggerät umrundete. Die ganze Zeit tastete der helle Strahl seiner Handlampe das kreisförmige Aggregat ab. Die Scheibe stand auf einem breiten Sockel aus Beton. Sie hatte einen Durchmesser von sicher weit über 50 Metern. Über ihrem eigentlichen scheibenförmigen Grundkörper erhob sich ein konischer Sockel, in dem sich mit Stahlklappen verdeckte Luken abzeichneten. In diesem Bereich befand sich auch der Einstieg. Er besaß zwar den Schlüssel, mit dem er das ungewöhnliche Fluggerät zumindest hätte betreten können, doch im Augenblick sah er sich erst noch genauer in der riesigen Felsenhalle um. An ihren Wänden erhoben zahlreiche Schaltschränke, Bedienungspulte und andere technische Einrich-tungen. In einem Winkel türmten sich in hohen Regalen verschiedenste Ausrüstungsgegenstände, Proviantkisten und zahlrei-che Kleinteile, deren Sinn ihm jedoch verborgen blieb. Eine Seite der Felsengrotte, die eine etwa 50 Meter breite schräge Wand bildete, war völlig frei von jedweden Gegenständen. Hier schimmerte eine stahlgraue glatte Fläche. Es war die Öffnung zur Außenwelt. Die massiven Stahlplatten konnten mittels schwerer Hydraulik-arme und dank sinnreich installierter Gegengewichte mit recht wenig Energie in Bewegung gesetzt werden, und so rasch eine weite Öffnung in der Bergwand freigeben. Außen war von all dem natürlich absolut nichts zu sehen. Durch eine perfekte Geländetarnung blieb die riesige Kippöffnung für jeden Fremden verborgen. Die Bergwand sah an dieser Stelle nicht anders aus, als wie sie sich sonst von Natur aus darstellte. Grasmatten, Büsche und ab und zu ein maroder Baumstumpf ließen niemanden erkennen, daß wenige Meter darunter sich eine der geheimsten und technisch aufwendigst eingerichteten Anlagen Europas befand. Doch nur einige Handgriffe wären erforderlich, um das riesige getarnte Tor in Minutenfrist zu öffnen. Noch während sich der gewaltige Kippflügel in der Bergwand aufschob, würde die zu diesem Zeitpunkt bemannte Flugscheibe im geheimen Silo wie von Geisterhand schon langsam von ihrem Startsockel abheben, um anschließend sekundenschnell im horizontalen Flug ihren Untergrundstartplatz zu verlassen. Kaum eine Minute später könnte niemand mehr etwas von diesem Vorgang mitbekommen. Die Natur der Bergwand würde ein so völlig unverändertes und unauffälliges Bild bieten, wie zuvor. Die Konstrukteure und Techniker der Anlage hatten auch bei ihren Tarnmaßnahmen ganze Arbeit geleistet.
Hahnfeld blieb an einem der dunklen Schaltpulte stehen, auf denen nur schwach aber regelmäßig wie der Uhrschlag das rote Blinken der Bereitschaftsanzeigen aufglomm und starrte fast andächtig zu der mächtigen Flugscheibe empor. Sie stellte das ultimativ Letzte dar, was der Mensch an Flug- und Antriebstechnik ersonnen hatte. Ihre Kräfte nahm sie aus Energien, von denen er nur in vagen Andeutungen gehört hatte. Geheimste Antriebsmechanismen wurden von den Technikern der ihm nur ansatzweise bekannten Vril-Leute in dem vor ihm stehenden technischen Wunder realisiert.
Doch auch innere Kreise der SS hatten durch das Studium alter Schriften und anderer Aufzeichnungen grundlegende Kenntnisse zu bis dahin unbekannten Energien erhalten, die schließlich zum Antrieb der Flugscheiben verwendet wurden. Dem voraus ging allerdings eine langjährige und streng geheime Entwicklungsarbeit. Und lange nicht alle Projekte krönte der Erfolg. Die „SS-Sondermannschaften“ waren teilweise in die Vorhaben eingeweiht. Sie stellten dann auch die Besatzung der Aggregate, die man in die so ferne Eisbasis flog, wobei zu Kriegsende viele Angehörige des „Inneren Kreises“ mitgenommen wurden. Diese Frauen und Männer sicherten so das Überleben des Reiches, trotz des alliierten Sieges auf dem europäischen Kriegsschauplatz. Eine bestimmte Anzahl der Ordensangehörigen verblieb jedoch in Europa und ging vor Ort in den Untergrund. Sie warteten und sicherten unauffällig sehr wichtige unterirdische Anlagen und Einrichtungen. Dazu zählten auch die genutzten Naturhöhlensysteme im Reichsgebiet, die zum Teil als Basen und Verstecke für bestimmte Dinge dienten.
Vertreter der Schulgeologie wären erstaunt, welche natürlichen Höh-lensystem man fand, nachdem der Kontakt mit Tibet sich gefestigt hatte. SS-Standartenführer Schäfer brachte von seinen Expeditionen ins Tibet nach und nach wertvollste Kontakte und geheimste Informationen mit, die den Weg ins tiefere Erdinnere, auch unter deutschem Gebiet, öffneten. Die Zugänge lagen in teilweise bekannten, zum Teil aber auch bis dahin völlig unbekannten Naturhöhlen. Oft drang man mittels extra konstruierter Klein-U-Boote in die bis dahin unerschlossenen Räume vor. Einige Zugänge fand man auch durch verborgene Hinweise in uralten Chroniken und Legenden, an die sonst kein Mensch glaubte, deren offensichtlicher Wahrheitsgehalt sich dann aber bestätigte. Die SS-interne Gruppe „Agartha“ hatte für die Auswertung zahlreicher Informationen, oft aus ominösesten Quellen, Jahre zugebracht. Im Ergebnis zeigte sich dann, daß unter anderem die Schwäbische Alb, Hunsrück und Taunus, der Thüringer Wald und das Alpenvorland die Zugänge zu den unterirdischen Welten bargen, die sich unter dem Reichsgebiet hinzogen und der Schulwissenschaft verschlossen blieben. Jeder einschlägige Schul-Geologe hätte ein solches unterirdisches System schlichtweg in den Bereich der Phantasie verwiesen. Hahnfeld, der sich mit diesen Dingen interessehalber etwas befaßt, mußte bei all‘ diesen Gedanken ein wenig grinsen. Viele, die glaubten, Wahrheit und Erkenntnis alleine mit Löffeln gefressen zu haben. Dazu zählte er auch die arroganten Parteibonzen. Jene bekämen einen heilsamen Schock, wenn ihnen das vielfältige geheime Wissen der „Inneren Kreise“ vor Augen geführt würde und sich so die daraus ergebenden Konsequenzen ausmalen könnten.
„Das wird natürlich nie eintreten“, murmelte Hahnfeld grimmig vor sich hin. „Man wirft keine Perlen vor die Säue. Sollen die in ihren Gelehrtenstuben bleiben. Auch so wird sich alles verändern ... Und das letzte Bataillon wird am Ende der Sieger sein, wenn die satanische Brut vom Angesicht der Erde gefegt ist“, so hoffte jedenfalls Hahnfeld noch verbissen.
Читать дальше