1 ...7 8 9 11 12 13 ...20 Eine Bewegung unter den Bäumen lenkte seinen Blick in die Schatten. Feuer spiegelte sich auf einer Klinge. Ansonsten war alles schwarz. Orkzahn hob mit der anderen Hand den Bratspieß. Auf einen zappelnden Ork mehr oder weniger kam es auch nicht mehr an.
Weitere Gestalten lösten sich aus den Schatten des Waldes und stürmten auf Orkzahn zu. Sie bleckten die Zähne, doch aus ihren Kehlen kam kein Kriegsgeschrei. Wiedergänger waren stumm. Die Stille war Orkzahn unheimlich. Er brüllte, um sie zu zerreißen, wie er die Untoten zerreißen würde, und warf sich ihnen entgegen.
Dem Vordersten rammte er den Bratspieß durch die Brust und schob ihn vor sich her, bis die Spitze der kruden Waffe in einen Baumstamm fuhr. Sollte er dort mit dem Braten um die Wette zappeln, bis ihnen das Fleisch von den Knochen faulte! Von der Seite schwang ein Untoter die rostige Axt. Orkzahn kam ihm zuvor und schleuderte ihn mit einem Keulenhieb davon. Kein lebender Gegner hätte sich nach einem solchen Schlag wieder erhoben, doch dieser würde zurückkommen. Drei weitere umringten den Troll und drangen gleichzeitig auf ihn ein. Orkzahn fegte zwei von ihnen mit dem Knüppel von den Beinen, während er blindlings mit der freien Hand nach dem Dritten griff. Das Kurzschwert des Wiedergängers schnitt in seinen Arm, bevor er ihn um den Hals packte und in die Luft riss. Ein kurzer Druck mit dem Daumen gegen das Kinn, und das Genick des Orks gab knirschend nach. Dennoch hackte der verfluchte Leichnam wieder mit dem Schwert nach ihm. Orkzahn konnte ihn gerade noch fallen lassen. Hastig trat er auf den Untoten, dessen Rippen unter dem Gewicht brachen, und hielt ihn so am Boden fest, während sich die anderen wieder auf ihn stürzten. Er musste sie entwaffnen. Schnell.
Wieder wehrte er einen der Orks mit einem Keulenhieb ab. Den anderen schnappte er sich mit beiden Händen, riss ihm den Schwertarm aus und warf die Gliedmaße weit von sich, sonst setzte sich der Wiedergänger sofort wieder zusammen. Scharfe Stiche im Bein warnten ihn, dass der Gegner unter seinem Fuß mit der Klinge nach ihm stieß. Doch schon rannten wieder zwei Orks gegen ihn an. Krähen hatten ihnen bereits die Augen ausgepickt, aber ihre Geister sahen Orkzahn offenbar deutlich genug.
Der Rechte schwang ein Beil, der Linke eine mit Stacheln bewehrte Keule. Ohne nachzudenken, entschied sich Orkzahn für den Axtschwinger, packte ihn beim Waffenarm und schleifte ihn zu dem abgestorbenen Baum hinüber, an dem er sonst seine Beute zum Ausbluten aufhängte. Unter den Schlägen des Keulenträgers, der von hinten auf seine Nieren eindrosch, entwand er dem Untoten das Beil und schleuderte es davon. Dann hob er den Kerl empor, um ihn mit Schwung auf einen abgebrochenen Ast zu spießen.
Noch immer prügelte der Knüppelschwinger auf seinen Rücken ein. Knurrend fuhr Orkzahn herum und fällte den Untoten mit der bloßen Faust. Wie Schmeißfliegen kamen der zertrampelte und der einarmige Ork zurück. Orkzahns Blick fiel auf einen Felsbrocken nahe des Höhleneingangs. Genau das, was er brauchte. Er ignorierte den Einarmigen, schleuderte den anderen mit einem Tritt in den Leib durch die Luft und trampelte über einen am Boden liegenden Wiedergänger hinweg. Sie alle würden erneut aufstehen. Wieder und wieder.
Der Felsblock war groß wie ein Trollschädel und doppelt so schwer. Zumindest kam es Orkzahn so vor, als er den Stein mit beiden Händen hob und dem erstbesten Untoten entgegenwuchtete. Flüchtig hörte er das Bersten der Knochen, bevor der Fels am Boden aufschlug. Die Erde zitterte unter dem Aufprall. Arm und Unterleib des Zermalmten ragten unter dem Steinblock hervor. Die untoten Beine strampelten, doch Orkzahn blieb keine Zeit, seinen Triumph auszukosten. Der Ork mit dem Kurzschwert war schon wieder heran und schnellte auf den Stein, um Orkzahn anzuspringen. Der Troll fegte den Angreifer mit bloßem Arm zur Seite, dass der Untote an die Felswand klatschte, in der sich der Eingang zur Höhle befand. Rasch bückte sich Orkzahn nach einem weiteren Felsblock und hievte ihn auf den Gegner.
Noch während er den Stein fallen ließ, tauchte der Keulenschwinger neben ihm auf und drosch den Stachelknüppel in die Wunde am Bein.
Orkzahn brüllte vor Wut und Schmerz. Mit der Faust schlug er dem Untoten den Schädel ein. Der Ork wankte, doch er fiel nicht, holte stattdessen zum nächsten Hieb aus. Vor Zorn trübte sich Orkzahns Sicht. Dennoch fanden seine Hände den toten Körper und zerrissen ihn, schleuderten die kalten, schlaffen, blutlosen Teile in alle Richtungen. Kleiner und kleiner wurde die Masse aus Knochen und Fleisch, Haut und Innereien, bis seine Finger mit einem Mal ins Leere griffen. Es war nichts übrig. Der Wiedergänger lag in zuckenden Fetzen über die Lichtung verstreut.
Keuchend sah sich Orkzahn um und ließ mit einem Grunzen die Arme sinken. Für den Augenblick hatte er alle Gegner besiegt. Die beiden Aufgespießten kämpften noch darum, sich aus ihrer Lage zu befreien. Der auf dem Baum hatte es fast geschafft. Orkzahn ging hinüber und stieß ihn zurück. Um eine frische Leiche zu verbrennen, war sein Feuer zu klein. Wenigstens die unter den Felsbrocken Eingeklemmten saßen für die Ewigkeit fest. Aber der Zerrissene würde sich zusammensetzen, als ob sich seine Teile auf magische Weise gegenseitig anzogen. Es war nur eine Frage der Zeit.
Orkzahn begann, die Fetzen in die Flammen zu werfen. Wenn er diesen erledigt hatte, würde er sich um die anderen kümmern. Er brauchte ein größeres Feuer. Es war möglich, dem Spuk ein Ende zu bereiten, indem er sie aß. Stiernacken hatte es in Theroia getan. Aber was sollte er mit so viel Fleisch anfangen? Er konnte Rotwange keinen untoten Braten bringen. Vielleicht fuhr dann der Geist eines Orks in sie. Widerspenstiges Pack! Sie waren tot und hatten es gefälligst zu bleiben.
Es hat Vorzüge, Kaysar zu sein. Genüsslich brummend ließ sich Athanor in die Bronzewanne aus dem zerstörten Fürstenpalast sinken. Die Flüchtlinge hatten sie in ein anderes Anwesen getragen, dessen einziger halbwegs bewohnbarer Trakt nun als Residenz für den Kaysar diente. Wie alle Herrenhäuser Dions war auch dieses um einen Innenhof herum angelegt worden, der unter eingestürzten Mauern begraben lag. Von der einstigen Pracht kündeten nur noch rußgeschwärzte Malereien an den Wänden. Nach dionischem Brauch gab es nicht einmal Fenster, und ein Vorhang ersetzte notdürftig die im Feuer vergangene Tür.
Nemera schloss ihn, nachdem die letzte Magd mit leerem Eimer gegangen war. Da die Sonne noch hoch am Himmel stand, fiel genug Licht durch den dünnen Stoff, um den Raum zu erhellen. Für einen großen Mann war die Wanne etwas zu eng, doch Athanor machte es sich so gemütlich wie möglich. Für eine Weile wollte er die Menschen dort draußen samt ihren zahllosen Problemen vergessen. Schweren Herzens hatte er ihnen gestattet, den verdursteten Priester in einem der Totenhäuser vor der Stadt beizusetzen. War der Kerl nun endgültig tot? Athanor traute der Sache nicht, doch nachdem Rhea den letzten Wunsch des Toten verkündet hatte, wäre ein Scheiterhaufen zu grausam gewesen. Soll sich Laurion darum kümmern. Vielleicht war der Magier so übel gelaunt, weil er sich nutzlos fühlte.
»Du siehst durch mich hindurch«, stellte Nemera amüsiert fest. Schon ihre dunkle Stimme ging Athanor unter die Haut. Sie trug das schwarze Haar aufgesteckt, was ihren langen Hals und das schmale, fast schon hagere Gesicht betonte. Ihr Kleid ließ die Arme unbedeckt und wurde nur von zwei Spangen auf den Schultern gehalten. »Was kann einen Mann mehr beschäftigen als eine Frau, die sich vor ihm auszieht?«
»Wenig«, gestand Athanor schmunzelnd. Durch halb geschlossene Lider sah er zu, wie sie die erste Spange löste und der Stoff bis unter eine der kleinen Brüste hinabfiel. Vielleicht war er doch nicht so müde, wie er geglaubt hatte. »Es ist nur manchmal nicht leicht, ein Gott zu sein.«
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