James White - Die letzte Diagnose

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ORBIT HOSPITAL

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James White

Die letzte Diagnose

Orbit Hospital Band 10
HEYNE SCIENCE FICTION FANTASY Band 065114 Titel der englischen - фото 1

HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY

Band 06/5114 Titel der englischen Originalausgabe Code FINAL DIAGNOSIS

Copyright © 1996 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

ISBN 3-453-13336-6

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

1. Kapitel

Der orligianische medizinische Offizier sagte keinen Ton, während er Hewlitt durch den Bordtunnel hindurch zum Hospitaleingang begleitete, und das war dem Terrestrier auch nur recht so. Er mochte nämlich keine Extraterrestrier, und bei den seltenen Gelegenheiten, wo ein Kontakt unvermeidlich war, zog er es vor, sich mit ihnen auf möglichst weite Distanz per Kommunikator und ohne eingeschalteten Bildschirm zu unterhalten. An diesem Orligianer widerten ihn insbesondere dessen aus dem bräunlich grauen Fell hervorstehenden Stacheln an, die hin und wieder ekelerregend zuckten. Allein bei dem Gedanken an all die Parasiten, die auf dieser Kreatur siedeln mochten, bekam er einen Juckreiz. Deshalb fielen ihm etliche Steine vom Herzen, als sie endlich die enge Tunnelröhre verließen und den Empfangsbereich betraten, denn nun konnte er zu diesem haarigen und unansehnlichen Wesen einen größeren Abstand einhalten.

Ein anderer Extraterrestrier, dessen Herkunft und Erscheinung ihm völlig unbekannt war, stand neben einer mit Schwerkraftneutralisatoren ausgerüsteten Trage und erwartete sie offenbar schon. Dieser ET war sehr groß, kräftig gebaut und stand auf sechs Tentakeln, von denen einer mit einer Art Armbinde ausgestattet war, die vermutlich zur Bestimmung des Dienstgrads oder der Identität des Wesens diente. Ansonsten war dieser Alien unbekleidet und zu Hewlitts großer Erleichterung unbehaart, wenngleich er auf der im Grunde glatten Lederhaut etliche Stellen hatte, die wie abbröckelnde Farbe aussahen und alles andere als hygienisch wirkten. Zwar konnte Hewlitt noch zwei lidlose, vertiefte Augen erkennen, die von einer festen, durchsichtigen Schicht überzogen waren, doch bis auf eine fleischige Membran, die wie ein Hahnenkamm oben aus dem Kopf wuchs, besaß das Wesen keine hervorstechenden Merkmale. Als es sich ihm näherte und mit ihm sprach, vibrierte die Membran heftig; offensichtlich diente sie als Sprechorgan.

„Eigentlich erwarte ich die Ankunft eines DBDG-Patienten. Nun sind Sie zwar eindeutig ein Terrestrier der physiologischen Klassifikation DBDG,aber Sie scheinen weder verletzt zu sein, noch irgendwelche anderen Krankheitssymptome aufzuweisen. Vielleicht ist mir ja ein Fehler unterlaufen, und Sie sind gar nicht der Patient, den ich…“

„Das hat schon alles seine Richtigkeit, Schwester“, mischte sich der Orligianer ein. „Ich bin Stabsarzt Turragh-Mar vom Monitorkorps-Versorgungsschiff Treevendar, das eigens abgestellt wurde, um Ihren Patienten von seinem Heimatplaneten zum Orbit Hospital zu transportieren. Aber jetzt muß ich unverzüglich zu meinem Schiff zurückkehren. Es handelt sich übrigens um Patient Hewlitt, und das hier ist seine Krankenakte.“

„Danke, Doktor.“ Die Schwester nahm das Band entgegen und steckte es in eine Aussparung auf dem Kontrollpult der Trage. „Gibt es noch irgendwelche aktuellen Informationen, die der diensthabende Arzt wissen sollte?“

Turragh-Mar zögerte, bevor er antwortete: „Seit der Patient vor sechs Tagen von seinem Heimatplaneten auf die Treevendar überstellt wurde, hat sich sein Zustand nicht verändert. Wie man sehen kann, wirkt er auf den ersten Blick völlig gesund. Ganz unabhängig von seiner langen und komplizierten Krankheitsgeschichte bin ich während der letzten Tage immer mehr zu der Überzeugung gelangt, daß bei dem Problem des Patienten auch eine psychologische Komponente eine gewisse Rolle spielt.“

„Ich verstehe, Doktor, aber ich kann dem Patienten Hewlitt versichern, daß wir all seine Probleme, so kompliziert diese auch sein mögen, lösen werden.“

Turragh-Mar gab ein kurzes Bellen von sich, das vom Translator nicht übersetzt wurde, und fügte hinzu: „Na, dann wünsche ich Ihnen viel Glück dabei.“ Mit diesen Worten verschwand der Orligianer imBordtunnel.

„Bitte steigen Sie jetzt auf die Trage, und machen Sie es sich bequem, Patient Hewlitt“, forderte die Schwester den Neuankömmling auf. „Ich werde Sie auf die Station sieben im neunundzwanzigsten Stock bringen, wo man Sie …“

„Ich werde auf gar nichts steigen!“ protestierte Hewlitt, wobei seine Stimme durch die Mischung aus Zorn, Verunsicherung und instinktiver Abneigung gegenüber dieser monströsen Kreatur lauter als beabsichtigt klang. „Mit mir ist alles in bester Ordnung, insbesondere mit meinen Beinen. Deshalb werde ich zu Fuß gehen!“

„Bitte glauben Sie mir, Patient Hewlitt, auf der Trage werden Sie sich sehr viel wohler fühlen.“

„Vor allem würde ich mich sehr viel wohler fühlen, wenn Sie mich nicht wie ein Kind behandeln würden. Diese Witzfigur von einem orligianischen Arzt hat mich auch schon die ganze Zeit wie ein Mündel behandelt, wenn er sich mit den anderen Schiffsoffizieren über mich unterhalten hat! Und kaum bin ich hier, geht das schon wieder los. Denken Sie also freundlicherweise in Zukunft daran, daß ich ein erwachsener Mensch bin, Schwester!“

Eine ganze Weile zeigte die Schwester keinerlei Regung, dann antwortete sie: „Ich weiß, daß Sie kein Kind, sondern ein erwachsenes Wesen sind. Aufgrund meiner Ausbildung in fremdweltlerischer Anatomie weiß ich auch, daß Sie ein männlicher Terrestrier der Klassifikation DBDG sind, dennoch muß ich Sie, wie jeden anderen Patienten auch, ganz neutral behandeln. Würden Sie jetzt also bitte auf die Trage steigen?“

„Sagen Sie mal, ist Ihre Spezies schwer von Kapee?“ fuhr Hewlitt die Schwester an. „Ich habe gesagt, daß ich zu Fuß gehen will!“

Statt zu antworten, lehnte sich die Schwester zurück, so daß ihr enormes Gewicht auf die mittleren und hinteren Tentakel verlagert wurde. Die zwei vorderen Gliedmaßen streckten sich plötzlich aus, und bevor Hewlitt reagieren konnte, hatte sich eine davon um seinen Bauch gewickelt, während die andere seine Beine in Kniehöhe umschlang. Dann wurde er hoch in die Luft gehoben und sanft auf der Trage abgesetzt. Er versuchte erst gar nicht, sich aus dem festen, aber nicht unangenehmen Griff zu befreien, da die kräftigen Tentakel, die sich wie warmes, biegsames Metall anfühlten, jeden Widerstand zwecklos erscheinen ließen.

Während des kurzen Augenblicks in der Luft hatte Hewlitt erkennen können, daß die Gliedmaßen, die sich um ihn herumgewickelt hatten, der Schwester gleichzeitig als Arme und Beine dienten. Auf der Rückseite der beiden vorderen Tentakel befanden sich aufgerauhte Knöchel, auf denen das Wesen ging, während es die komplizierteren Extremitäten, die in Fingern endeten, nach oben hin einrollte.

Dann wurden die gepolsterten Befestigungsbügel der frei schwebenden Trage nach innen geschwenkt, so daß er die Oberschenkel nicht mehr bewegen konnte. Schließlich fuhren an beiden Seiten zwei durchsichtige Verschalungen heraus, die sich oben zu einer Art Kuppel verbanden, die aber nicht ganz verschlossen wurde, und dank einer hochklappbaren Rückenlehne saß er nun aufrecht. Wenigstens durfte er hören und sehen, was sich um ihn herum abspielte.

Da er sich nur allzu gut an die vielen Fahrten mit Rolltragen in terrestrischen Krankenhäusern erinnern konnte, bei denen es stets nichts anderes als die Neonröhren an den Decken endlos langer weißer Korridore zu sehen gegeben hatte, wußte er diesen Umstand sehr zu schätzen.

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