Adjektivattribute können Informationen auf der Ebene des Textes modifizieren, spezifizieren, perspektivieren und wiederaufnehmen sowie Inhalte durch unterschiedliche Komplexitätsgrade verdichten. Ich unterscheide Adjektivattribute in der vorliegenden Arbeit bezüglich ihrer Semantik nach qualitativen und quantitativen Eigenschaften sowie ihres Komplexitätsgrades in einfache, komplex-koordinierte und komplex-subordinierte Adjektivphrasen. Im Folgenden gehe ich auf ein Spezifikum der partizipialen Attribuierung ein.
3.1.3. Funktionsverb-Partizipien
Unter den gelisteten Erweiterungen der Funktionsnomen finden sich in der Forschungsliteratur Attribute, in denen das Funktionsverb das Funktionsnomen als partizipiales Adjektiv attribuiert, wie z.B. einen Kampf führen > ein geführter Kampf (Popadić 1971: 54f.; Hinderdael 1985: 213; Klinger 1983: 96), vgl. die folgenden Beispiele aus dem Wikipedia-Korpus (Hervorhebung S.K.):
1 Das Motiv der zu stellenden Frage: Fragen zur Überquerung der Brücke des Todes.1
2 Die gegebenen Antworten wurden mit der gezogenen Punktzahl multipliziert.2
In den Beispielen (12) und (13) fungieren die Funktionsverben der Gefüge als partizipiale Attribute zu ihren Funktionsnomen: Frage wird mit stellen attribuiert und Antwort mit geben . Die Funktionsverben kodieren dabei durch ihre Form als „verbo-adjektivische“ Zwitterformen (vgl. dazu z.B. Hentschel 2009: 273, zitiert nach Ágel 2017: 717) sowohl verbale als auch adjektivische Eigenschaften: zu stellende Fragen beziehen sich auf Zukünftiges im Sinne von ‚die Fragen sind zu stellen‘; die gegebenen Antworten verweisen dagegen auf Vergangenes in etwa durch ‚die Antworten wurden gegeben‘, d.h. die Funktionsverb-Partizipien können Funktionsnomen in Bezug auf temporale Informationen modifizieren und spezifizieren (vgl. Engel et al. 1999: 619ff.; Ágel 2017: 708) sowie auf Inhalte verweisen und diese wiederaufnehmen (vgl. Ágel 2017: 717f.; s. Kap. 4.2.5).
Derartige partizipiale Erweiterungen der Funktionsnomen werden in der Analyse gesondert betrachtet, weil die Funktionsverbgefüge nicht in ihrer ursprünglichen Form als Funktionsnomen und -verb verwendet werden, sondern als Ableitungen der Funktionsverbgefüge (vgl. Ágel 2017: 770ff.), die mit anderen Verben prädikatiert werden, wie z.B. die gegebenen Antworten wurden […] multipliziert , wodurch Informationen verdichtet werden (Popadić 1971: 54).
Funktionsverben können ihre Funktionsnomen als Partizipien attribuieren, wodurch die Informationen im Text modifiziert, spezifiziert, verdichtet und wiederaufgenommen werden können. Als Ableitungen von Nomen-Verb-Verbindungen werden Funktionsverb-Partizipien von anderen Adjektivattributen unterschieden. Im Folgenden gehe ich auf nominale Erweiterungen der Funktionsnomen ein.
3.1.4. Funktionsnomen-Komposita
Unter den Erweiterungen der Funktionsnomen finden sich in der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen Funktionsnomen-Komposita, wie z.B. ein gemeinsames Reiseleben führen (Daniels 1963: 231), einen Hauptbeitrag (Schmidt 1968: 51) oder Transportarbeiten leisten (Popadić 1971: 57; s. dazu auch Gautier 1998: 130; Seifert 2004: 105ff.; Heine 2005: 163; Helbig 1984: 176f.; Yuan 1987: 196ff.; Burger 2015: 162). In den untersuchten Korpusdaten kommen derartige Funktionsnomen-Komposita jedoch nur selten vor (s. Kap. 4.1), vgl. die folgenden Beispiele aus den Wikipedia-Korpora (vgl. Hervorhebung S.K.):
1 Der FDP Wirtschaftsminister verband die Lösung dieser Frage mit dem Stellen der Koalitionsfrage.1
2 Jeder bekommt sowohl Quizfragen als auch persönliche Fragen zu privatem Umfeld, Hobbys, Beruf und Bildungsgrad gestellt.2
3 […] deuten darauf hin, dass auch Veto-Entscheidungen unbewusst getroffen werden.3
Die Funktionsnomen Frage und Entscheidung werden in den Beispielen durch die Nomen Koalition , Quiz und Veto morphologisch erweitert und determiniert (vgl. Reimann/Kessel 2005: 104; Engel et al. 1999: 745), wodurch die Informationen im Text modifiziert werden. Interessant sind derartige morphologische Erweiterungen der Funktionsnomen, weil die Verknüpfungen der Nomen im Kompositum unterschiedliche Relationen der Nomen zueinander ausdrücken können (vgl. Engel et al. 1999: 745; Popadić 1971: 56; Hinderdael 1985: 264): Eine Quizfrage ist beispielsweise eine Frage in oder aus einem Quiz; eine Koalitionsfrage ist eine Frage zur Koalition – entweder in Bezug auf mögliche Regierungspartner oder das Fortbestehen einer Regierungseinheit (vgl. Duden online 2019: Koalitionsfrage4). Durch Funktionsnomen-Komposita können also nicht nur spezifische Informationen ausgedrückt werden (vgl. Popadić 1971: 56; Hinderdael 1985: 265; Ágel 2017: 569), sondern diese spezifischen Informationen können auch modifiziert und komprimiert werden (vgl. Daniels 1963: 231; Schmidt 1968: 71; Popadić 1971: 55f.; Hinderdael 1985: 580; Seifert 2004: 107). Die Verdichtung der Information kann weiter durch Attribuierungen des Funktionsnomens fortgesetzt werden, wie z.B. ein gemeinsames Reiseleben führen (Daniels 1963: 231; s. dazu auch Popadić 1971: 56; Hinderdael 1985: 264). Durch die nominale Form der Erweiterung können zudem phorische Bezüge im Text hergestellt werden, z.B. kann Quiz in Quizfragen auf ein vorerwähntes Frage-Antwort-Spiel verweisen und dieses thematisch wiederaufnehmen (vgl. Wildgen 1981: 3; Wolf 2007; s. Kap. 3.4).
Funktionsnomen können durch Komposition zu Funktionsnomen-Komposita erweitert werden, wodurch Informationen im Text modifiziert, spezifiziert, verdichtet und wiederaufgenommen werden können. Funktionsnomen-Komposita bilden deshalb in der vorliegenden Arbeit eine Subkategorie nominaler Erweiterungen von Funktionsverbgefügen. Im Folgenden gehe ich auf nominale Attribute in Form von Genitivphrasen ein.
Unter den Erweiterungen der Funktionsnomen finden sich in der Forschungsliteratur Nominalphrasen im Genitiv, die die Funktionsnomen nominal attribuieren (Engel et al. 1999: 922; Żmigrodzki 2000: 119), wie z.B. ein Leben der Sorgen und Arbeit führen (Daniels 1963: 231), eine Analyse der Situation geben (Schmidt 1968: 51) oder im Besitz der bekannten Wahrheit bleiben (Hinderdael 1985: 261), vgl. die folgenden Beispiele aus den Wikipedia-Korpora (Hervorhebung S.K.):
1 In jeder Sendung wird eine Frage der Woche gestellt […].1
2 Entscheidungen des Arbeitskreises werden […] getroffen.2
3 […] woraus der Mensch befähigt ist, in Freiheit eine Antwort der Liebe zu geben […].3
Die Funktionsnomen Frage , Antwort und Entscheidung werden in den Beispielen (17)–(19) mit den Genitivphrasen der Woche , der Liebe und des Arbeitskreises erweitert, wodurch die nominal realisierten Inhalte zum einen zueinander in Beziehung gesetzt werden können: In (17) handelt es sich um eine Frage aus einer Woche im Sinne von ‚jede Woche gibt es eine andere Frage‘, wodurch die Fragen einer bestimmten Woche zugehörig sind. In (18) werden die Entscheidungen mit einem Arbeitskreis verknüpft – ‚der Arbeitskreis verursacht die Entscheidungen‘, wodurch das Funktionsnomen um Informationen zum Urheber spezifiziert wird. In (19) wird Antwort durch der Liebe näher beschrieben, im Sinne von Liebe als Eigenschaft der Antwort (vgl. Ágel 2017: 759f.; Engel et al. 1999: 927f.). Durch die Verknüpfung von Funktionsnomen und Genitivphrase können Informationen im Text durch zusätzliche Bedeutungsaspekte angereichert werden, d.h. Genitivattribute können Inhalte modifizieren und spezifizieren und tragen so zur Evaluierung im Text bei (vgl. Daniels 1963: 230ff.; Schmidt 1968: 49; Hinderdael 1985: 261; Schwarz-Friesel/Consten 2014: 140). Durch die nominale Form können Genitivattribute zum einen durch weitere sprachliche Einheiten, wie Artikelwörter (s. Kap. 3.1.1), Adjektive (s. Kap. 3.1.2), andere Nomen (s. Kap. 3.1.4–3.1.6) und Sätze (s. Kap. 3.1.7), erweitert werden und dadurch Informationen weiter verdichten sowie auf vorerwähnte Textreferenten verweisen, z.B. Entscheidungen des Arbeitskreises (18), und diese im Textverlauf wiederaufnehmen (vgl. Ágel 2017: 432f./759ff.; Adamzik 2016: 264; s. Kap. 3.4). Genitivattribute können Informationen durch Erweiterung nicht nur modifizieren oder verdichten, sie wiederaufnehmen und fortführen, sondern auch perspektivieren, denn je nach Art des Genitivattributs werden selegierte Relationen zum Ausdruck gebracht.
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