Susanne Schnatmeyer - Verflixt und Zugenäht - Textile Redewendungen gesammelt und erklärt

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150 Redensarten, in denen sich alles um Nähen und Schneidern, Spinnen und Weben, Stricken und Knüpfen, Bänder und Seile dreht.
Ob wir ins Garn gehen oder ins Netz, den roten Faden suchen und aus dem Nähkästchen plaudern, ständig benutzen wir Bilder aus dem Bereich der Textilherstellung. Es macht Spaß, den Redewendungen auf den Grund zu gehen und dem heute fast vergessenen Wissen von Generationen nachzuspüren.

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Verflixt und Zugenäht

Textile Redewendungen

gesammelt und erklärt

von

Susanne Schnatmeyer

Textile Geschichten Ebook 2018 Susanne Schnatmeyer Berlin - фото 1

Textile Geschichten

Ebook © 2018 Susanne Schnatmeyer, Berlin

www.textilegeschichten.net

Lektorat Dr. Constanze Derham

Ein Buch der Kooperation

Schnatmeyer & Derham

www.schnatmeyerundderham.de

Gedruckte Ausgabe (mit zusätzlichen 11 Abbildungen) erschienen 2016, ISBN 978-3-00-052981-8

In der Reihe ebenfalls erschienen:

Am Rockzipfel - Redensarten rund um Kleidung und Stoff

Gedruckte Ausgabe: ISBN 978-3-00-052981-8

Ebook: ISBN 978-3-746767536

Inhalt

Spinnen »Bundespräsident darf NPD-Anhänger Spinner nennen« (dpa, 2014)

Von Kungelrunden, Spinnern und alten Knackern

Flachs » Lieber glorreich scheitern, als schäbig siegen.« (Vita Sackville-West)

Über das Raufen, Rüffeln und schäbig sein

Fäden

Vom Schicksalsfaden zum Forenthread

Weben

Von Webfehlern und fadenscheinigen Argumenten

Nähen

Verbrämt aus dem Nähkästchen geplauderte Sticheleien

Schneider

Wenn Maßgeschneidertes unter den Tisch fällt

Wolle

Von Wollmäusen, Scherereien und Flausen im Kopf

Netze

Über das Umgarnen und Netzwerken im Web

Knoten und Knüpfen

Von Mundgeklöppeltem und Knoten im Taschentuch

Stricke und Stränge

Vom Leine ziehen, Seiltanzen und über die Stränge schlagen

Bänder und Schnüre

Vom schnurgeraden Anbändeln und Gängeln

Zu diesem Buch

Index

»Bundespräsident darf NPD-Anhänger Spinner nennen«

(dpa, 2014)

Spinnen

Gedanken spinnen

Wenn wir Gedanken oder Ideen spinnen, dann lassen wir eine freie Kette von Überlegungen aufeinander folgen. Solches Spinnen im Kopf geht auf die uralte textile Technik des Spinnens von Fäden zurück.

Um Garn zu erhalten, muss aus Wolle oder Pflanzenfasern erst einmal ein Faden gezogen werden. Bis zum Beginn der Industrialisierung wurde das Faserbündel, der sogenannte Rocken, mit der Hand zu Garn gedreht. Dabei halfen eine Handspindel oder ein Spinnrad. Das Spinnen war für die Menschen seit Urzeiten eine lebensnotwendige Handwerkskunst, denn nur mit genügend Garn konnte Kleidung hergestellt werden, konnten Zelte, Segel und Decken gewebt oder Netze geknüpft und Seile gedreht werden. Entsprechend haben noch heute viele Redewendungen ihren Ursprung in diesem Bereich der Textilgewinnung.

Das Bild des Spinnens wird in vielen Sprachen für Worte und für Gedanken gebraucht, die wie Fäden aus dem Kopf heraus gesponnen werden. Im Englischen steht to spin a yarn für etwas erzählen. Schon bei Luther heißt es: »Gott hat es ihnen nicht befohlen, sondern sie spinnen es aus ihrem eigen Kopfe.« Sprach jemand sehr offen und ungehobelt, so wurde das ein grobes Garn spinnen genannt.

Spinnen war meist Gemeinschaftsarbeit und wurde traditionell den Frauen zugeschrieben. Ein Spinnrocken in der Hand galt als weibliches Attribut. Lange gebräuchlich war auch die Redensart miteinander ein Garn spinnen im Sinne von: Gut miteinander können. Wer in der Gemeinschaft spann, arbeitete gut zusammen.

Spinner

»Du spinnst ja!« ruft man, wenn jemand nicht ganz bei Verstand zu sein scheint oder etwas Unwahres behauptet. Ein wunderlicher Mensch ist spinnert oder versponnen, und wenn er Hirngespinste hat, dann ist er ein Phantast und bildet sich etwas ein. Anders als beim neutralen Gedankenspinnen steht das Spinnen hier als Bild für ein unsinniges Verhalten oder unglaubwürdiges Erzählen. Wie kommt es dazu, dass Spinnen als Verrücktheit bis heute in unserer Alltagssprache fest verankert ist?

Ein Erklärungsversuch verweist auf die Geschichten, Märchen und Gerüchte, die in den Spinnstuben erzählt wurden, während die Spinnräder surrten. Im 16. und 17. Jahrhundert wurden Märchen auch Spinnmärchen, Rockenmärchen oder Kunkelmärchen genannt. Solcherlei Geschichten erzählte man sich beim gemeinsamen Spinnen aus den Rohfasern, die, zum Bündel zusammengefasst und aufgesteckt, Rocken oder Kunkel hießen.

Dieses Vliesbündel, die Kunkel, wurde mit dem Kopf gleichgesetzt. So heißt es in einer Sammlung von Sinnsprüchen aus dem 19. Jahrhundert: »Meidlin hinter der Kunkel, du hast wilde Dinge im Kopf; könnte man dir sie aus dem Kopf spinnen, als du es aus der Kunkel spinnest, es würde ein verworren Gespunst.«

Das Spinnen der Fäden war außerdem von jeher im Volksglauben mit Geheimnis und Zauberei verbunden. Das Faserbündel aus dem der Faden entsprang stand für das menschliche Leben. In den Faden konnte Gutes und Böses hineingesponnen werden.

Es gab auch das Bild der Spinne, die aus sich selbst heraus spinnt. Wenn sich jemand eine Lüge ausdachte, hieß das: »Wie eine Spinne aus sich selbst Lügen spinnen« oder »Es ist sein eigen Gespunst.« Ähnlich sagen wir heute noch: »Er hat es sich aus den Fingern gesogen.«

Im Frauenzimmer-Lexikon von 1719 wird der Aberglaube erwähnt, dass Frauen beim Sieden des Garns zum Bleichen gute Lügengeschichten erzählen müssen, um es weiß zu bekommen.

Einer anderen Erklärung zufolge rührt der Bedeutungswandel des Spinnens zum Verrücktsein aus der Zeit, als in Zuchthäusern und Besserungsanstalten gesponnen werden musste. Seit 1600 gab es sogenannte Spinnhäuser, in denen auffällig gewordene Frauen durch das Spinnen wieder resozialisiert werden sollten. Aber auch Männer in Zuchthäusern mussten für den König spinnen . Dieser Spinnzwang war vor allem in der Zeit wichtig, als das Garn aufgrund der neuen Maschinenwebstühle knapp wurde.

Hirngespinst

Im Bild des Hirngespinstes klingen nicht nur die Märchen aus den Spinnstuben an. Gemeint sind auch die luftigen und unbeständigen Gewebe der Spinnennetze. Schon im Alten Testament stehen Spinnweben für Illusionen: »Sommerfäden gleich ist sein Vertrauen, ein Spinnengewebe seine Zuversicht.« Dazu passt auch eine Strophe aus »Der Mond ist aufgegangen« von Matthias Claudius:

»Wir stolzen Menschenkinder

Sind eitel arme Sünder

Und wissen gar nicht viel;

Wir spinnen Luftgespinste

Und suchen viele Künste

Und kommen weiter von dem Ziel.«

Seemannsgarn

Erzählen Seeleute übertriebene und unglaubwürdige Geschichten von ihren Abenteuern auf See, so werden diese Berichte Seemannsgarn genannt. Wie schon beim Spinnen im Sinne von verrückt sein steht auch hier das Garn für die Geschichten, die aus dem Kopf der Matrosen gesponnen werden und in den Bereich der Märchen geraten. Der Ausdruck Seemannsgarn kommt wohl vom Schiemannsgarn, das zum Schutz vor Verschleiß um dickeres Tauwerk gewickelt wurde. Solches Schiemannsgarn mussten die Matrosen in ruhigen Zeiten an Deck aus alten Tauen drehen. Beim Auflösen der gebrauchten Seile und eintönigen Verzwirnen zu Garn erzählten die Seeleute sicher viele wilde Geschichten. Solche maritimen Flunkereien nennen wir heute Seemannsgarn.

Spinnefeind

Wenn zwei überhaupt nicht miteinander können, wenn sie vielleicht sogar Todfeinde sind, dann sind sie sich spinnefeind. Mit Ärger in der Spinnstube hat der Ausdruck aber wohl nichts zu tun, eher mit den Spinnentieren. Einerseits drückt das Wort aus, wie sehr Spinnen bei vielen Menschen Ekel und Abwehr erregen. Zahlreiche Aberglauben ranken sich um böse Spinnen. Andererseits heißt spinnefeind auch so feind wie die Spinnen . Manche Spinnenarten fressen sich gegenseitig, wenn es der Nachkommenschaft dient. Die größeren Weibchen saugen die Männchen nach der Begattung aus und fressen sie. Umgekehrt suchen sich manchmal aber auch Spinnenmännchen ein Weibchen als Beute.

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