Susanne Kabatnik
Leistungen von Funktionsverbgefügen im Text
Eine korpusbasierte quantitativ-qualitative Untersuchung am Beispiel des Deutschen und des Polnischen
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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Die Veröffentlichung beruht auf einer Dissertation der Philosophischen Fakultät der Universität Mannheim.
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT.
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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen
ISSN 1860-7373
Print-ISBN 978-3-8233-8421-2
ePub-ISBN 978-3-8233-0245-2
„Seitdem ich denken kann
Will ich dem Schicksal diese eine Frage stellen, ob man es lenken kann
Als ich sechs war
Mussten wir unsre Sachen packen und unendlich weit wegfahr’n“
KC Rebell: Leer; Album: Abstand, 2016 (Hervorhebung S.K.)
Den Gegenstand der Untersuchung bilden in der vorliegenden Arbeit die deutschen und polnischen Funktionsverbgefüge Frage stellen , Antwort geben und Entscheidung treffen, zada(wa)ć pytanie , da(wa)ć odpowiedź und podjąć/podejmować decyzję (Kamber 2008, Klinger 1983). Die Konstruktionen bestehen aus einem Funktionsverb und -nomen und korrespondieren mit einem Basisverb, wie z.B. fragen . Zu Funktionsverbgefügen existieren jedoch unterschiedliche Auffassungen: In Stilratgebern finden sich seit über einem Jahrhundert abwertende Äußerungen – gegenwärtig auch auf Schreibblogs, in Universitätsrichtlinien für Abschlussarbeiten sowie in modernen Textanalysetools im WWW –, die Funktionsverbgefüge als schlechtes und unverständliches Behördendeutsch abtun und dazu raten, die Gefüge mit einfachen Verben zu ersetzen (vgl. Wustmann 1891: 416f.; Mackowiak 2011: 72; Textwende: Schreibtipps1; s. Kap. 1.2.1). In Lehrwerken für den DaF-Unterricht finden Funktionsverbgefüge keine oder nur wenig Beachtung (vgl. Giacoma 2017; s. Kap. 1.2.2). In der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen werden Konstruktionen, wie Frage stellen , in Gegenüberstellung mit dem Basisverb als bedeutungsgleich aufgefasst – die Substitution mit dem Basisverb, wie z.B. in Er stellt ihr eine Frage vs. Er fragt sie etwas , würde lediglich mit stilistischen Veränderungen einhergehen (vgl. Hoffmann 2017: 225). Das einführende Zitat des Rappers KC Rebell lässt jedoch bereits vermuten, dass Funktionsverbgefüge, wie Frage stellen , spezifische kommunikative Leistungen entfalten können: Mit diese eine Frage bezieht sich KC Rebell auf eine ganz bestimmte Frage, die in Anschluss mit ob man es lenken kann spezifiziert wird. Solche Gefüge weisen nämlich syntaktische Leistungen auf, zu denen die Möglichkeit zur Attribuierung, Änderungen der Valenz und der kommunikativen Struktur sowie die Referenzfähigkeit gehören (Żmigrodzki 2000; Hinderdael 1985). Auf der Textebene zeichnet sich ein Zusammenspiel der Konstruktionen mit anderen sprachlichen Einheiten, wie Artikelwörtern und Nebensätzen, ab und Informationen können so nicht nur unterschiedlich modifiziert und fokussiert, sondern auch anders in den Textverlauf eingebettet werden als mit dem Basisverb (vgl. Klinger 1983; Storrer 2013). Bislang fand die Textebene in der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen jedoch wenig Beachtung und es fehlt eine systematische Klassifikation nach textuellen Leistungen. Die Forschungsfragen beziehen sich in der vorliegenden Untersuchung auf die Verknüpfung von Funktionsverbgefügen mit anderen sprachlichen Einheiten sowie ihre Leistungen im Textzusammenhang und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Deutschen und im Polnischen.
In Kapitel 1 werden verschiedene Typen von Funktionsverbgefügen sowie unterschiedliche Zweige der germanistischen Forschungsliteratur der vergangenen sechzig Jahre zu Funktionsverbgefügen vorgestellt und mit den verschiedenen Auffassungen in Stilratgebern sowie dem gegenwärtigen und durch eine Lehrwerkanalyse ermittelten Stand zu Funktionsverbgefügen in DaF-Lehrwerken in Verbindung gebracht. Zudem wird der theoretische Hintergrund der vorliegenden Arbeit erläutert: Wesentliche Theorien und Konzepte aus der linguistischen Teildisziplin der Textlinguistik werden eingeführt und erklärt.
In Kapitel 2 gehe ich auf die Datengrundlage und die Untersuchungsmethoden der vorliegenden Arbeit ein. Der Untersuchungsgegenstand wurde mithilfe einer Kookkurrenzanalyse durch die automatische Generierung von statistisch signifikanten deutschen Funktionsverbgefügen eingegrenzt, die polnischen Funktionsverbgefügen zugeordnet wurden (s. Kap. 2.1). Die Untersuchung der generierten Funktionsverbgefüge auf ihre Leistungen im Textzusammenhang wird auf der Datengrundlage von polnischen und deutschen Artikeln aus den Wikipedia-Korpora des IDS durchgeführt. Methodisch geleitet wird die vorliegende Arbeit vom korpusbasierten, quantitativ-qualitativen Ansatz nach Lemnitzer/Zinsmeister (2015). Unter Anwendung des traditionellen Substitutionstests mit dem Basisverb werden die Leistungen von Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang sichtbar gemacht.
In Kapitel 3 wird auf Basis der Forschungsliteratur für die quantitative und qualitative Analyse der Treffer(kon)texte ein mehrdimensionales, textgrammatisches und -semantisches Kategoriensystem entwickelt. Ausgehend vom Deutschen übertrage ich die Annahmen in der Analyse der Daten auf das Polnische. Die textuellen Analyseebenen beziehen sich auf Erweiterungen, Valenz, Position und die Referenz der Funktionsverbgefüge, für die weitere Subklassifizierungen im Zusammenhang mit der Ebene des Textes vorgestellt werden.
In Kapitel 4 werden die quantitativen Ergebnisse zur Korpusuntersuchung vorgestellt. Ich gehe dabei auf die Bereinigung der Treffer sowie die einzelnen textgrammatischen und -semantischen Analyseebenen der Funktionsverbgefüge-Paare ein. Hierbei werden anhand von empirischen Ergebnissen kommunikative Leistungen von Funktionsverbgefügen überprüft. Im qualitativen Ergebnisteil der vorliegenden Arbeit werden die Funktionsverbgefüge unter Anwendung des Substitutionstests auf ihre Leistungen im Textzusammenhang untersucht, nämlich auf die Anreicherung, Verdichtung, Perspektivierung, Gewichtung und Wiederaufnahme von Informationen im Text.
Im fünften und letzen Kapitel der Arbeit werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst, diskutiert sowie Schlussfolgerungen sowohl für die linguistische Forschung an Funktionsverbgefügen als auch die didaktische und schulpraktische Aufarbeitung der Gefüge abgeleitet. Die Erkenntnisse werden in den gegenwärtigen Forschungskontext gesetzt. Die vorliegende Arbeit ist relevant für die empirische Auseinandersetzung mit Funktionsverbgefügen in der Polonistik, der kontrastiven Linguistik, für die Textlinguistik und für DaF-Verlage. Die Arbeit richtet sich an Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Studierende dieser Bereiche, als auch an Stilkritiker*innen und auch Software-Entwickler*innen im texttechnologischen Bereich, da sich wiederholende Forderungen aus Schreib- und Stilratgebern in modernen Tools zur automatischen Analyse und Korrektur von Texten wiederfinden (s. Kap. 1.2.1).
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