3.1. Erweiterung der Nominalphrase
Morphosyntaktische Erweiterungen von Funktionsverbgefügen werden in der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen mit einem bestimmten Typ von Nomen-Verb-Verbindungen behandelt: Unterschieden werden Nomen-Verb-Verbindungen nach dem Grad ihrer Festigkeit und Lexikalisierung (vgl. Helbig/Buscha 2011: 85). Dies manifestiert sich auf morphosyntaktischer Ebene beispielsweise in der Attribuierungsfähigkeit des Funktionsnomens, d.h. es existieren Gefüge, die nicht attribuiert werden können, wie z.B. * in guten Gang bringen ; andere Gefüge, wie z.B. einen guten Beitrag leisten , lassen verschiedene Erweiterungen des Funktionsnomens zu (vgl. Heidolph et al. 1984: 441f.; Helbig/Buscha 2011: 87ff.; s. Kap. 1.1; 4) . Der Festigkeits- und Lexikalisierungsgrad des jeweiligen Konstruktionstyps bestimmt, ob und inwieweit die Funktionsnomen erweitert werden können (vgl. Helbig/Buscha 2001: 89; Heine 2005: 44; Kamber 2008: 28f.). Die Funktionsverbgefüge der vorliegenden Arbeit Frage stellen , Antwort geben und Entscheidung treffen gehören zu den weniger festen und lexikalisierten Gefügen und können mit unterschiedlich komplexen sprachlichen Einheiten verknüpft werden (vgl. Burger 2015: 57), wie z.B. mit Artikelwörtern, Adjektiven, Nomen und Sätzen (Schmidt 1968, Gautier 1998, Storrer 2013), auf die ich im Folgenden in Bezug auf weitere Subklassen und ihre Bedeutung für den Textzusammenhang eingehe.
Syntaktisch variable Gefüge, wie Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen können durch Artikelwörter erweitert werden (vgl. Helbig/Buscha 2001: 89; Heine 2005: 44; Kamber 2008: 28f.) und werden nach ihrer Artikelklasse subkategorisiert (vgl. z.B. Hinderdael 1985: 145/260ff.; Schmidt 1968: 50ff.), wie z.B. einen oder den Vortrag halten (Hinderdael 1985: 145), diesen Befehl geben, ihren Einfluss üben und keinen Befehl geben (Schmidt 1968: 50/52), vgl. die folgenden Beispiele aus dem Wikipedia-Korpus (Hervorhebung S.K.):
1 Die Fragen sind symmetrisch gestellt […].1
2 […] gab Peter Altenberg eine gefährliche Antwort […].2
3 Die Instanz trifft ihre Entscheidung auf Basis des Gewinnerwartungswertes.3
4 […] werden diese Fragen im Folgenden an die Mutter von zwei Kindern gestellt […].4
5 Sechs Prozent gaben keine Antwort.5
In den aufgeführten Beispielen werden die Funktionsnomen Frage , Antwort und Entscheidung durch bestimmte (1) und unbestimmte Artikel (2), Possessiv- (3) und Demonstrativartikel (4) sowie Negationsartikel (5) erweitert (z.B. Hinderdael 1985: 145/260ff., Schmidt 1968: 50ff.; Storrer 2006b). Für die Ebene des Textes sind Artikelwörter als Erweiterungen der Funktionsnomen wesentlich, weil sie die Bedeutung von Nomen spezifizieren, Bezüge anzeigen und auf Textreferenten verweisen können (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 53; Adamzik 2016: 268; Żmigrodzki 2000: 140; Engel et al. 1999: 61f.; s. Kap. 4.2.5). In (3) werden die Entscheidungen durch ihre als jemandem zugehörig markiert (vgl. Engel et al. 1999: 61f.) und durch keine in (5) kann verneinend zusammengefasst werden (vgl. grammis online 2019: Quantifikativ-Artikel6). Diese/ die Fragen in (1) und (4) sind spezifisch und der Demonstrativ- bzw. bestimmte Artikel zeigen an, dass es sich um bereits bekannte, vorerwähnte oder im Kontext identifizierbare Fragen handelt, d.h. die und diese markieren geteilte Wissensbestände zwischen Textrezipient*in und -produzent*in (vgl. Adamzik 2016: 252f./256; Ágel 2017: 200; Engel et al. 1999: 61f.; s. Kap. 3.4; 4.2.5). Indefinite Artikelwörter, wie in (2), können Informationen im Text dagegen als unbekannt kennzeichnen. In (2) wird durch eine markiert, dass die Antwort nicht vorerwähnt ist, sondern als neuer Textreferent eingeführt wird (vgl. Engel et al. 1999: 802f.; Schwarz-Friesel/Consten 2014: 53ff.), wodurch die Analyse der Artikelwörter von Funktionsnomen für die Untersuchung von Leistungen von Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang relevant wird.
Artikelwörter sind auf der Textebene wesentliche Marker, die die Bedeutung von Nomen je nach Art des Artikels spezifizieren, Inhalte im Text in Relation setzen sowie Textreferenten als neu oder bekannt markieren können. In Bezug auf Artikelwörter wird das Annotationsschema in Artikelwörter nach ihrer Subklasse weiter unterteilt. Im Folgenden gehe ich auf adjektivische Erweiterungen ein.
Adjektiverweiterungen bilden im Zusammenhang mit Funktionsverbgefügen insgesamt ein häufiges Thema in Forschungsliteratur zu Nomen-Verb-Verbindungen. Adjektivische Erweiterungen der Funktionsnomen können zum einen semantisch nach qualifizierenden und quantifizierenden Funktionen unterteilt werden (vgl. z.B. Daniels 1963: 230; Schmidt 1968: 50f.; Popadić 1971: 43f.; Heidolph et al. 1984: 442; Hinderdael 1985: 257; Heine 2005: 163; Storrer 2013: 202; Żmigrodzki 2000: 113ff.), z.B. in
Qualitätsadjektive, wie eine verwunderliche Feststellung machen (Daniels 1963: 230), einen wesentlichen Beitrag leisten (Popadić 1971: 43f.),
Zahladjektive, wie 1.147 Anzeigen erstatten (Gautier 1998: 131; s.a. Schmidt 1968: 51)
und Verbalableitungen als partizipiale Adjektive, wie in […] nie dagewesene[r] Gefährdung sein (Hinderdael 1985: 258; s.a. Popadić 1971: 42).
Zum anderen können die Adjektiverweiterungen der Funktionsnomen unterschiedlich komplex sein, wie z.B. ein heiteres, ruhiges Leben führen (Daniels 1963: 231), gesellschaftlich nützliche Arbeit leisten (Seifert 2004: 106) oder in einer bisher noch nie dagewesenen Gefährdung sein (Hinderdael 1985: 258; s. dazu auch Schmidt 1968: 50f.; Heidolph et al. 1984: 442; Heine 2005, Storrer 2006b, 2007, 2013; s. Kap. 4.2.2), vgl. die folgenden Belege aus dem Wikipedia-Korpus (Hervorhebung S.K.):
1 […] und sie haben erkannt, dass sie frei sind, kleine Entscheidungen zu treffen […].1
2 […], gaben sie zur Abwechslung auch falsche Antworten oder legten auf.2
3 Aufbauend […] können die geeigneten Fragen gestellt […] werden.3
4 Dem anderen Kandidaten wurden drei Fragen […] gestellt.4
5 […] verwaltungs- und kommandotechnische Entscheidungen […] getroffen wurden, […].5
6 […] gab er jedoch ganz unterschiedliche Antworten.6
Die Funktionsnomen werden in den Beispielen um Qualitätsadjektive, wie klein (6) und falsch (7), um Zahladjektive, wie drei (9), und um partizipiale Adjektive, wie geeignet (8), erweitert; die Adjektive können in Adjektivphrasen koordiniert werden, wie verwaltungs- und kommandotechnische in (10); oder aber die Phrasen enthalten weitere subordinierte Elemente, wie z.B. die Gradpartikel ganz in ganz unterschiedliche Antworten (11), wodurch die Informationen im Text „bereichert“ oder „abgetönt“ werden können (Popadić 1971: 42). Qualitätsadjektive können Nomen durch Eigenschaftszuschreibungen modifizieren und spezifizieren, wodurch Inhalte subjektiv bewertet werden können (vgl. Popadić 1971: 42f., Schmidt 1968: 49; Heine 2005: 166; Storrer 2006a: 172; Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 171; Kaczor 2003: 21; s. Kap. 4.2.1). Zahladjektive können Inhalte nicht nur in Bezug auf ihre Anzahl determinieren, sondern – wie Gautier (1998) zeigt – auch auf Textpassagen verweisen und diese zusammenfassend wiederaufnehmen (Gautier 1998: 131). Partizipiale Adjektive, wie geeignet von sich eignen , kodieren als „verbo-adjektivische Zwitterformen“ sowohl temporale als auch qualifizierende Informationen (vgl. Engel et al. 1999: 619ff.; Ágel 2017: 708). Zudem kann durch partizipiale Adjektive auf vorerwähnte oder aktivierte Inhalte geschlossen werden, vgl. z.B. von die Fragen sind geeignet zu die geeigneten Fragen , wodurch Informationen im Text wiederaufgenommen und weitergeführt werden können (vgl. Ágel 2017: 764/717f.). Durch komplexe Adjektivattribute, wie z.B. verwaltungs- und kommandotechnische Entscheidungen (10) oder ganz unterschiedliche Antworten (11), können die Funktionsnomen nicht nur mehrfach modifiziert und spezifiziert werden, sondern die Inhalte können auch weiter kommentiert werden, wodurch die Informationen im Text einerseits stark verdichtet werden können (vgl. Daniels 1963: 227; Hinderdael 1985: 217; Helbig/Buscha 2001: 93f.; Seifert 2004: 106, 195; Storrer 2013: 206). Andererseits können durch die Art der Adjektive und Kommentare auch subjektive Einstellungen und Wertungen zum Ausdruck kommen, wodurch Informationen im Text unterschiedlich perspektiviert werden können (vgl. Schwarz-Friesel/Consten 2014: 137; Adamzik 2016: 301/255; Ágel 2017: 764).
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