Aber wie auch immer man diese Bemühungen um das Herausarbeiten der wahren menschlichen Natur auch nennen mag, sie sind ein würdiger und auch unverzichtbarer Mittelpunkt des Öko-Habitat-Gedankens, denn wenn sich die menschliche Natur, wie sie sich derzeit ausdrückt, nicht grundlegend wandelt, sind alle Bemühungen, das Dasein auf diesem Planeten auf neue, zukunftsträchtigere Beine zu stellen, vergebens. Wissenschaft und Technologie haben in den letzten beiden Jahrhunderten Gewaltiges vollbracht, jetzt ist es endlich an der Zeit, dass das menschliche Bewusstsein deren Vorsprung einholt und sich die nötige Reife für den verantwortungsvollen Umgang mit diesen Technologien und Kräften erarbeitet.
Diese Ausarbeitung eines zumindest planetaren Humanismus, welcher Ökologie, Ökonomie, globales Denken, die Entfaltung der Seele und der Gewissensstimme, Spiritualität und Bewusstseinsausweitung mit dem Streben nach Schönheit, Harmonie, Weisheit, Kraft, Freude, Mut und Liebe vereint, ist ein umfassenderes, stärkeres, dauerhafteres und verbindlicheres Bindeglied als purer Öko-Aktivismus, und er ist auch dann noch aktuell und zukunftsweisend, wenn die technische Seite eines Öko-Habitats längst abgeschlossen ist.
Das weltweit wahrscheinlich einzige Projekt, das sich aufgemacht hat, ein einem Öko-Habitat entsprechendes Konzept in vollem Umfang zu verwirklichen, ist das in Italien entstehende Mirapuri, die Stadt des Friedens und des Zukunftsmenschen in Europa. Mirapuri wurde 1978 auf Anregung von Mira Alfassa von dem Künstler und Bewusstseinsforscher Michel Montecrossa gegründet. Die innere Grundlage bilden Erkenntnisse und Menschenbild von Sri Aurobindo, einem indischen Dichter, Philosophen und Revolutionär, und von Mira Alfassa, einer französischen Malerin, Pionierin und Bewusstseinsforscherin.
Und es war Mira Alfassa, die vor bald hundert Jahren ihren Traum wie folgt formulierte: „Es sollte irgendwo auf der Erde einen Platz geben, den keine Nation als ihr Eigentum beanspruchen kann, einen Platz, an dem alle gutwilligen Menschen, ehrlich in ihrem Bestreben, frei als Bürger der Welt leben können und einer einzigen Autorität folgen, der höchsten Wahrheit. Ein Platz des Friedens, der Eintracht, der Harmonie, wo alle kämpferischen Instinkte des Menschen ausschließlich dazu benützt würden, die Ursachen seines Leidens und Elends zu bewältigen, seine Schwäche und sein Unwissen zu überwinden, über seine Grenzen und Unfähigkeiten zu triumphieren. Ein Platz, an dem die spirituellen Bedürfnisse und die Sorge um Fortschritt Vorrang hätten vor der Befriedigung von Verlangen und Leidenschaften, dem Suchen nach materiellem Vergnügen und Genuss. An diesem idealen Ort wäre Geld nicht mehr der unumschränkte Herrscher. Individueller Wert hätte größere Bedeutung als der Wert, der aus materiellem Reichtum und sozialer Stellung kommt. Arbeit würde nicht dazu dienen, seinen Lebensunterhalt zu erwerben. Sie wäre das Mittel, um sich auszudrücken, um seine Fähigkeiten und Möglichkeiten zu entwickeln, während man gleichzeitig einen Dienst für die Gemeinschaft tut, die ihrerseits für die Lebensbedürfnisse und das Tätigkeitsfeld des Einzelnen sorgen würde. An diesem idealen Platz wären Kinder in der Lage, ganzheitlich heranzuwachsen und sich zu entwickeln, ohne die Verbindung mit ihrer Seele zu verlieren. Ausbildung würde nicht im Hinblick auf Prüfungen und Zeugnisse und Positionen erteilt, sondern um die vorhandenen Fähigkeiten zu bereichern und neue hervorzubringen. Kurz, es wäre ein Platz, an dem die Beziehungen zwischen den Menschen, die gewöhnlich fast ausschließlich auf Konkurrenz und Streit begründet sind, durch Beziehungen des Wetteiferns um das Bessertun ersetzt würden, des Wetteiferns um Zusammenarbeit und Beziehungen wahrer Brüderlichkeit.“
Diesen Traum versucht Mirapuri zu verwirklichen, und dieser Traum kann auch bei der Geburt weiterer Öko-Habitate Pate stehen.
Wenn ich alleine träume, ist es nur ein Traum. Wenn wir zusammen träumen, ist es der Anfang der Wirklichkeit.
Brasilianische Weisheit
Kapitel 5
Bauformen
Öko-Habitate stellen einen Schritt in ein neues Leben auf der Erde und in die Zukunft dar. Neue Anforderungen, neue Materialien und neue Technologien werden zwangsläufig zu neuen Bauformen führen. Neubauten werden nicht mehr im Hinblick auf primäre Kosteneffizienz errichtet, sondern unter anderem unter den Gesichtspunkten von Ästhetik, Wohnqualität, Energieeffizienz, Dauerhaftigkeit, Integrierbarkeit in die umgebende Natur und Förderung der Gemeinschaftsbildung.
Die bisherigen Bauten sind für dieses zukunftsträchtige Vorhaben allerdings nicht geeignet. Andererseits werden Öko-Habitate keine Retortenstädte sein und vor allem in der Anfangszeit nicht am digitalen Reißbrett entstehen. Die Habitate werden langsam wachsen und sich nach und nach entfalten, vor allem die Pionier-Habitate. Wenn nicht gerade ein großer Geldtopf darauf wartet, in futuristische Bauwerke umgesetzt zu werden, wird man anfangs nicht umhinkommen, auf die vorhandene Bausubstanz zurückzugreifen. Und wenn man gar in einem Land lebt, in dem Neubauten genehmigungspflichtig sind und die Vorstellungen der Genehmiger am Kleinbürgertum orientiert sind, dann sind die Möglichkeiten für fortschrittliche Neuerungen eher begrenzt.
Also wird die erste Bauform meist das Update-Haus sein. Dieses ist ein Haus von eher herkömmlicher Bauform, das den Umständen entsprechend so gut und so bald wie möglich den erhöhten Ansprüchen angepasst wird.
Das bedeutet eine bessere Isolierung der freien Außenwandflächen und dort auch Einbau von Isolierglasfenstern. Auf das Dach kommen Sonnenkollektoren für Brauchwassererwärmung und evtl. Heizung oder Zusatzheizung. Die Möglichkeiten der Nutzung der Sonnenenergie und anderer natürlicher Energiequellen sind vielfältig und längst noch nicht ausgenutzt. Wissenschaft und Industrie sind stetig am Forschen und Weiterentwickeln der Möglichkeiten. Diese werden zum Beispiel von Mirasolaris in das Mirasolaris Bausystem integriert und praxistauglich gemacht, vor allem im Hinblick auf den Einsatz in Öko-Habitaten.
Die Sonnenseiten können mit einem durchaus auch zweistöckigen Anlehngewächshaus isoliert werden, das darüber hinaus die Erntesaison verlängert und ein wenig wetterunabhängig macht. Und für die heiße Luft in den oberen Bereichen findet sich sicher früher oder später auch eine Verwendungsmöglichkeit, z. B. als Zusatzbeladung für einen Erdwärmespeicher oder als Heizung für einen Biogasreaktor.
Flachdächer lassen sich, geeignete Statik vorausgesetzt, nach Aufbringung einer zusätzlichen Feuchtigkeitsisolierung und Dränage mit Erde auffüllen und zu einem Dachgarten umfunktionieren, oder gar zu einem Gewächshaus ausbauen.
Nahe beieinander stehende Häuser lassen sich durch den Anbau weiterer Räume, ein Brückengeschoss oder ein Gewächshaus zu einer Einheit verbinden.
Davon abgesehen, hat man natürlich immer die Möglichkeit, Wege leicht zu überdachen und an den Rändern Kiwis, Brombeeren oder Stangenbohnen anzubauen. Diese sind natürlich, zusammen mit Spalierobst, auch für die Begrünung von blanken Hauswänden geeignet.
Wenn man das Mauerwerk isoliert, kann man auch vor den Fenstern Hochbeete aufmauern und so z. B. auf Höhe des Küchenfensters einen Kräutergarten anlegen, den man dann natürlich auch verglasen kann.
Innengestaltung eines Anlehngewächshauses: Zum Haus hin gestufte Hochbeete und nach außen ein einfaches Hochbeet als zusätzliche Dämmung. Zusammen mit dem tiefergelegten Weg erleichtert diese Gestaltung auch das Arbeiten.
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