Besonders an Griet dachte ich, denn sie hatte mein Herz gebrochen, wenn ich so etwas Dramatisches einmal aussprechen darf. Sie war eine zarte Blondine mit großer, innerer Ruhe, die sie ihrer Yoga-Praxis verdankte. Jeden Morgen von fünf bis sechs, wenn ich noch schlief, meditierte sie, machte Atemübungen und Asanas. Das gab ihr Balance und inneren Frieden – eine Stärke, von der ich nur träumen konnte. Zwei Jahre lang war ich mit ihr zusammen gewesen. Ich fühlte, zum ersten Mal, dass es Zeit für mich sei, in der Liebe sesshaft zu werden. Heiraten, Kinder bekommen, ein Haus bauen. Das volle Programm. Doch Griet war nicht frei. Sie hatte einen Ehemann, der daheim in Belgien auf sie wartete. Ein Europabeamter, sterbenslangweiliger Typ, der ihr Sicherheit bot. Ich wurde eifersüchtig auf diesen Kerl, verlangte die Scheidung. Ich provozierte Szenen, brach Streit vom Zaun und strengte mich danach im Bett doppelt an, weil ich wusste, dass der Belgier einen kleinen Schwanz hatte und mir wenigstens in diesem Punkt nicht das Wasser reichen konnte. Ich machte Griet einen Heiratsantrag. Und ich begann, als sie sich immer wieder Bedenkzeit ausbat, wieder mit meinen Affären. Das konnte sie nicht verstehen. Und deshalb trennte sie sich.
An die jungen Mädchen im Pomidori hätte sie Kondome verteilt. Ich tat nichts dergleichen, hockte still an meinem Tisch und trank ein Bier nach dem anderen. Zwei Bilder sind mir von jenem Abend lebendig geblieben: der Glücksflaum auf Jamie Durhams Gesicht und Julias Rücken. Der Rücken war nackt, getaucht in ein Licht, das man nachts auch an Straßenküchen in Thailand findet, auf den Toiletten amerikanischer Flughäfen, auf Krankenhausfluren. Nur von hinten sah ich das Mädchen, denn als Jamie mit ihr hereinkam und sich an einen Tisch auf der anderen Seite des Raums setzte, hatte er sie abgeschirmt mit seinem Körper. Ihre Schulterblätter steckten wie Flügelchen unter der Haut. Jamie führte das Gespräch mit Händen und Füßen. Die Sommersprossen in seinem Gesicht waren aufgeblüht. Das war der Glücksflaum, wie ich ihn nannte.
Und wirklich, er musste glücklich sein. Ich freute mich über seinen Erfolg. Schließlich hatte ich meinen bescheidenen Teil dazu beigetragen. Diese Typen im Hostel, dachte ich, Charles Spretzer, Löckchen-Rob, Stevie und wie sie sonst heißen, die haben ja keine Chance. Die konnten vielleicht eine Ehefrau kaufen, mit Geld und der Aussicht auf ein Leben im Westen. Jamie aber würde noch seinen Enkelkindern erzählen, wie er durch die ukrainische Plattenbauwüste gestapft war, auf der Suche nach Julia. Auch mich müsste er fairerweise erwähnen in seiner Story. Eine Zufallsbekanntschaft, ohne die er sein Ziel vielleicht nicht erreicht hätte. Eine Hilfe vom Universum, vom lieben Gott. Und, was war das für einer?, würden die Enkel mit den türkisblauen Augen fragen. Wo kam er her, wo wollte er hin? Keine Ahnung, würde ihr Opa antworten. Er war so ein Rucksacktyp, der durch die Welt zog. Ein harmloser Kerl.
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