Martin Arz • Die wilde Reise des unfreien Hans S.
Ein historischer Roman frei nach Motiven von Johannes Schiltberger
Grafische Gestaltung von Hirschkäfer Design/Coriander P.
Cover von Coriander P. unter Verwendung des Gemäldes Pelzhändler in Kairo (1869) von Jean Leon Gerome, Privatsammlung (Art Renewal Centre), sowie einer türkischen Landkarte von Zentralasien aus dem 19. Jh.
Illustrationen (soweit nicht anders angegeben) von Coriander P.
© Hirschkäfer Verlag, München 2017
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ISBN (eBook) 978-3-940839-54-1
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Mit Liebe gemacht.
Karte zu Schiltbergers Reisen, 1394–1427
Erklärung der historischen Ortsnamen siehe hier
Ein lustiges Abenteuer soll es werden, als der Knappe Johannes Schiltberger im zarten Alter von 14 Jahren seine Heimatstadt München verlässt und sich 1394 dem letzten Kreuzzug anschließt. »Bis ans Ende der Welt und dann immer weiter!«, scherzen er und seine Kumpels. Doch das christliche Heer wird von den Osmanen in einem blutigen Gemetzel aufgerieben, Schiltberger gerät in türkische Gefangenschaft. Fortan dient er als Militärsklave in fremden Heeren – erst bei den Osmanen, dann bei den Mongolen unter der ›Geißel Gottes‹, dem gefürchteten Schlächter Tamerlan. Hans sieht Städte, Länder und Regionen, die selbst heute noch exotisch klingen: Delhi, Samarkand, Konstantinopel, Astrachan, Kairo, Damaskus, Teheran und, und, und. Mehr noch: Schiltberger dringt als erster Europäer bis in die endlosen Weiten Sibiriens vor. Er erlebt die Hölle, aber auch den Himmel auf Erden, begegnet großen Männern wie erbärmlichen Wichten und steht manchmal staunend, manchmal zitternd vor den steinernen oder lebendigen Wundern der Welt.
Schiltberger gelang nach 33 Jahren in der ›Heidenschaft‹ die Flucht. Er kehrte 1427 nach München zurück, wo er seine Erlebnisse veröffentlichte. Martin Arz hat mit »Die wilde Reise des unfreien Hans S.« einen fulminanten Roman über den deutschen Marco Polo geschrieben. Frei nach Schiltbergers Reisebericht entführt Arz den Leser auf einen rasanten, abenteuerlichen Trip quer durch den mittelalterlichen Orient und Zentralasien.
Martin Arz, geboren 1963 in Würzburg, schrieb als freier Autor für zahlreiche Magazine und arbeitete als PR-Berater, bevor er sich ganz der Malerei und dem Schreiben widmete. Martin Arz veröffentlichte zahlreiche Krimis, allein sechs davon mit seinem Hauptprotagonisten Max Pfeffer, und mehrere Sachbücher über die Stadt, in der er lebt und arbeitet: München. »Die wilde Reise des unfreien Hans S.« ist sein erster historischer Roman.
Max-Pfeffer-Krimis im Hirschkäfer-Verlag:
Das geschenkte Mädchen · Max Pfeffers 1. Fall
Reine Nervensache · Max Pfeffers 2. Fall
Die Knochennäherin · Max Pfeffers 3. Fall
Pechwinkel · Max Pfeffers 4. Fall
Westend 17 · Max Pfeffers 5. Fall
Geldsack · Max Pfeffers 6. Fall
Johannes Schiltberger in der Heidelberger Handschrift (ca. 1480)
Karte zu Schiltbergers Reisen
1 An der Donau
2 Das Schlachten
3 Tricktrack
4 Janitscharen
5 Schwarze Dämonen
6 Tulpen
7 Der Plan des Untoten
8 Ghul und Ghula
9 Der Weiße Hammel
10 Der falsche Eunuch
11 Flucht
12 Der Schlangenkampf
13 Die Sperberburg
14 Hamam
15 Mumienfeuer
16 Das Fest der Frauen
17 Der große Sultan
18 Das Schienbein des Riesen
19 Kaffeepause
20 Hochzeitspläne
21 Angora
22 Die Geißel Gottes
23 Der Skorpion
24 Ein Zoobesuch
25 Auf Buddhas Haupt
26 Jesus mit dem Elefantenkopf
27 Der Drache
28 Zarafa
29 Die schwarze Göttin Kali
30 Der barmherzige Monarch
31 Der Dreihundertfünfzigjährige
32 Der Garten Eden
33 Hin und her
34 Gott ist tot
35 Bauernjahre
36 Hundeschlitten
37 Das Eismonster
38 Jahrmarkt
39 Amazonen
40 Das Einhorn
41 Räuber
42 Das Goldene Vlies
43 Piraten
44 Der Kaiser
45 Der Vampir
46 München
Nachwort
Personenverzeichnis und weitere Anmerkungen
Bayezids Familie im Überblick
Tamerlans Familie im Überblick
Liste der Mamelukensultane und Khane
Historische Orte und ihre heutigen Namen
Lektüre
1 An der Donau
Ich, Johannes Schiltberger, zog von meiner Heimatstadt München, gelegen in Bayern, aus zu der Zeit, als König Sigismund in Ungarn gegen die Heidenschaft zog. Das war im Jahr 1394 nach Christi Geburt«, las Josef laut vor und ließ die Papiere sinken.
»Ausbaufähig. Ein bisschen trocken. Klingt aber ganz gut als Einstieg«, sagte Max und zupfte ein wenig auf seiner Laute. »Aber viel ist es noch nicht, Hans.«
»Natürlich nicht«, entgegnete Hans eingeschnappt. »Viel haben wir ja auch noch nicht erlebt. Das wird ein Reisebericht. Ich schreibe auf, was alles passiert, damit ich dann, zurück in München, davon berichten kann.«
Max und Josef tauschten einen abschätzigen Blick. »Willst wohl berühmt werden, Hans«, spottete Josef.
»Immerhin kann er schreiben, der Hans«, sagte Max und spielte eine kleine Melodie.
»Kann ich auch«, antwortete Josef. »Lesen und schreiben!«
»Das eine bedingt doch das andere«, sagte Hans.
»Mein Herr hält das nicht für nötig«, sang Max zu der Melodie seiner Laute. So gut er spielte, so schlecht sang er.
»Mein Herr auch nicht, aber ich habe trotzdem schreiben und lesen gelernt«, sagte Hans Schiltberger. »Er hat damals gesagt, er bringt mir das nicht bei, ich solle es aber können, wenn ich sein Knappe werden will. Also hab ich es gelernt.«
»Bei den Pfaffen?«
»Wo sonst? Mein Vater hat dafür teuer gezahlt.«
»Bei den Pfaffen kann man bloß saufen und huren lernen«, sagte Josef, und alle lachten.
Die drei Burschen lagen nackt auf einem Felsen am Donaustrand und ließen sich von der Sonne trocknen. Rings um sie herum lagerten in größeren oder kleineren Gruppen unzählige weitere Knappen. Eben rannten rund zwanzig Jungs mit wilden Anfeuerungsrufen in die Donau, stürzten sich auf eine Gruppe, die im flachen Wasser gesessen hatte, und schnell entflammte eine spielerische Wasserschlacht. Ein sauertöpfischer Pfaffe schlurfte laut schimpfend vorbei, Beichtvater eines schwäbischen Ritters und wider Willen mit auf den Kreuzzug gekommen, denn sein Herr wollte keinesfalls auf seinen persönlichen Beichtvater verzichten. »Sodom und Gomorra«, zeterte der Pfarrer. Doch mehr als »Sündenpfuhl«, »Todsünde« und irgendetwas mit »Verderbtheit der Nackten« verstanden die Burschen nicht von dem Gebrabbel. Man kannte den Geistlichen und seine Suada. Er streunte regelmäßig die Strände entlang. Doch für die Knappen war Nacktheit nichts Ungewohntes. Niemand wäre jemals in München auf die Idee gekommen, an einem heißen Sommertag angezogen in einen der vielen Stadtbäche zu springen. Bis zu einem gewissen Alter, und manchmal auch darüber hinaus, waren Buben und Mädels ganz selbstverständlich zusammen beim Baden, was die Geistlichkeit regelmäßig auf die Palme brachte und immer wieder Thema der Sonntagspredigten war. Doch der Pfarrer, der die Gottesdienste in der Peterskirche hielt, die Hans besuchte, lallte meist undeutlich. Und die wenigen Male, die er nüchtern war und sich klarer artikulieren konnte, wählte er andere Predigtthemen als die »teufflis-fisch-flissche Unssucht«. Nacktsein gehörte auch dazu, wenn Hans seinen Vater und später seinen Ritter ins Badehaus begleitete. Wo sahen die Pfaffen da nur das Problem?
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