Harald Zilka - Die Reise des Clowns

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Der Clown Fellini verbringt seinen Lebensabend im kleinen Wanderzirkus Barboni, der zu seiner Familie geworden ist.
Leider steht der Zirkus mit Schulden von 168.532 Euro kurz vor dem Bankrott. Da erhält Fellini den Brief eines Notars, der ihn über eine Erbschaft informiert. Sein verstorbener Onkel Serpacio Grillo hat ihm eine Zirkuskiste und 168.532 Euro vererbt. Um die Erbschaft anzutreten, muss er in die Stadt reisen.
Dort lernt er das Clown-Mädchen Lilly kennen. Doch Lilly hat einen schweren Herzfehler und benötigt eine Operation in den USA, die mit Aufenthalt und Reha 168.532 EUR kostet. Fellini muss sich entscheiden. Kann der Zirkus Barboni trotzdem gerettet werden? Als er darüber nachdenkt, wird er von drei grauen Männern der Kunstmafia entführt, die nach einem gestohlenen Rembrandt-Gemälde suchen, das sich in Serpacios Besitz befinden sollte. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

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Die Reise des Clowns

von Harald Zilka

Roman

Impressum:

›Die Reise des Clowns‹ von Harald Zilka

1. Auflage

Lektorat: Elisabeth Scherer

E-Book für Kindl & E-Book Reader:

ISBN: 978-3-7375-4358-3

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der

Vervielfältigung und Verbreitung.

Covergestaltung & Satz: Sound & Visual Project

Copyright: © 2012-2014 by Harald Zilka

Homepage: http://soundandvisual.beepworld.de/

Verlag & E-Book: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Inhaltsverzeichnis

Der Zirkus

Bankrott

Paris

Der Brief

Die Reise

Die Fußgängerzone

Der Notar

Die Herberge

Das wunderbare Clown-Mädchen

Das verrückte Dinner

Die grauen Herren

Fellini in Nöten

Flucht und andere Verwirrungen

Die griechische Taverne

Verhaftet

Barboni hat einen Plan

Der Koffer von Serpacio Gilli

Das Lied des Fantinis

Der Antiquitätenladen

Überraschender Besuch

Der Bürgermeister lässt bitten

Fellini als Medienstar

Rückkehr nach Paris

Nachwort

Zirkus Barboni

Paris, Montmartre

›Remember Him‹ von Harald Zilka

Für Heinz Zuber

Der Zirkus

Kurz vor Beginn der Vorstellung sah Zirkusdirektor Barboni aus dem Fenster seines Wohnwagens und erblickte das Grauen. Fünfundzwanzig Menschen, Erwachsene und Kinder standen auf dem Platz vor dem Hauptzelt, begutachteten die Tiere in den ausgestellten Käfigen und warteten auf die Show. Fünfundzwanzig Zuschauer würden in einem Zelt sitzen, das dreihundert Menschen fasste.

»Heute sind wir wieder übervoll!«, grummelte Barboni und kratzte seinen Bart. Sorgenfalten überzogen seine Stirn, die Enttäuschung legte sich wie ein Stein auf seine Magengrube. Vielleicht war es dumm gewesen, voll Hoffnung auf den heutigen Abend zu warten und zu denken, dass irgendetwas passieren würde, was das Ruder herumriss.

Es war ja auch dumm gewesen. Auch ein ausverkauftes Zelt an einem einzelnen Abend hätte nichts an dem Problem geändert, dass der Zirkus in der Kreide stand. Mit einer Schuldenlast von 168.532 Euro und einem Stapel nicht bezahlter Rechnungen, stand der Zirkus Barboni vor dem Bankrott. Der Clown Fellini ging durch den Hof, trötete mit einer Trompete und streute Konfetti über die wartenden Gäste. Einige hatten Zuckerwatte oder Popcorn in der Hand. Die Menschen lachten über Fellini, aber richtige Stimmung kam nicht auf. Stimmung entsteht schließlich in der Menge.

»Keine Menge, keine Stimmung!«, sagte Barboni zu sich selbst und ließ sich auf den Stuhl fallen, der hinter seinem Schreibtisch stand. Der Stuhl protestierte mir einem lauten Knarren. Der Schreibtisch war ein Kunstwerk, auf dem sich Ordner, Unterlagen und vor allem Rechnungen türmten. Diese wurden weniger. Denn statt Einzel-Rechnungen gab es schon die ersten Inkasso-Briefe, die Einzelforderungen zusammenfassten. Sein Blick schweifte durch den Wohnwagen, die gerahmten Plakate an den Wänden und einige Fotos, die säuberlich auf der Kommode in kleinen Bilderrahmen standen. Gerahmte Zeitungsausschnitte aus ganz Europa dokumentierten eine andere Zeit. Glanzvolle Abende mit hunderten Besuchern, Gastauftritte von weltweit geachteten Artisten wie den Magier Jack Blaine oder den russischen Seiltänzer Ivanov. Dieser Zirkus hatte eine lange Geschichte und bis 1985 eine gute Zeit. Dann war es bergab gegangen. Langsam, aber stetig. Die vergangenen fünf Jahre hatte man keine einzige Vorstellung mehr gespielt, welche die Kosten abdeckte. Nicht am Land und nicht in der Nähe von großen Städten. Zuletzt hatten sie gar nicht mehr in größeren Städten gastiert, weil die Standkosten viel zu hoch waren. Es schien, als wäre der Zirkus Barboni einfach verpufft. Verschwunden, wie das Kaninchen eines Zauberers. Natürlich hatte man versucht Einsparungen vorzunehmen, doch alleine die Winterquartiere kosteten mehr, als der Zirkus im Sommer einspielte. Dabei gab es nur mehr wenige Tiere. Ein Zirkus war aber nun mal auch kein Betrieb, den man verkleinern oder einsparen konnte. Die Futtermittel, die Werbung, die Platzkosten, die Instandhaltung der Fahrzeuge, die Umzüge, alles kostete Geld. In zwei Tagen würde der Masseverwalter kommen und das Unternehmen auflösen. Die Frist zur Eigenrettung, wo der Zirkus einen Plan zum weiterbestand vorlegen konnte, war dann verstrichen. Barboni lehnte sich zurück, schloss die Augen. Er registrierte, dass es vorbei war. Sie waren pleite. Zwischen den Gefühlen der Trauer und Demütigung mischte sich auch Erleichterung. Trügerisch, aber ein typisches Kennzeichen von aussichtslosen Situationen. Barboni, der aus einer Familie von Feuerschluckern und Zirkusartisten kam, die seit mindestens drei Generationen im Sand der Manege aufgewachsen war, würde er der letzte Barboni sein, der die Tür in diesem Kapitel abschloss. Der Letzte macht das Licht aus, das war bitter. Er stand auf, setzte seinen Hut auf den Kopf mit dem spärlichen Haar und schritt hinaus über den Platz, um die Vorstellung zu eröffnen. Kaum hatte er Blickkontakt mit den Zusehern, die gerade in das Zelt gingen, schrie er ›HOHOHO‹. Mit voller, kräftiger Stimme. Diesen Ausruf hatte er vom Weihnachtsmann gestohlen und niemand bemerkte, was wirklich in seinem Kopf vorging. Es war wie ein letzter Reflex, den Menschen, die heute gekommen waren, noch einen schönen Abend zu bereiten. Immerhin hatten sie sich nett angezogen und waren den weiten Weg aus der Stadt gekommen, um seinen Zirkus zu besuchen. Die Platzanweiser und Artisten, die er auf den Weg zur Manage traf, merkten es schon. Sie konnten eins uns eins zusammenzählen und waren deprimiert. Die drei Musiker der ›Kapelle‹ spielten die Eröffnungsmelodie. Die Hälfte der Instrumente kam vom Band. Viele Bläser, laute Trommeln. Barboni wusste nicht einmal, ob man drei Musiker als ›Kapelle‹ bezeichnen konnte oder eher als Trio. Früher waren es elf gewesen, doch ein paar waren gestorben. Zwei hatte er entlassen müssen, weil er ihre Gage nicht bezahlen konnte. Vier waren in Pension gegangen und verbrachten ihren Lebensabend nun in einem Künstlerheim in der Schweiz. Die Platzanweiser schlossen den Eingangsbereich, das Licht wurde gedämpft.

Zwei Pensionisten, die zuvor Eintrittskarten verkauft hatten, wechselten schnell das Sakko und führten die Gäste zu den Plätzen. Zumindest taten sie so, denn das Zelt war ja leer. Wenn es etwas gab, was hier reichlich vorhanden war, dann eine freie Platzwahl. Barboni hatte das Zelt umrundet und stand nun im Sattelgang, der hinter dem Künstlereingang lag. Hier wurden Requisiten gelagert oder eben Pferde gesattelt und von hier traten die Artisten auf. TATARATA spielte die Kapelle und der Zirkusdirektor Barboni trat ins Scheinwerferlicht. Verhaltener Applaus. Die Gäste bemühten sich, so gut sie konnten. War ein Zirkus voll, schallten die Publikumsreaktionen von allen Seiten. War ein Zirkus leer, konnte man die wenigen Rufer und Klatscher sofort lokalisieren. Barboni, der sechzig Jahre alt war und fünfundvierzig davon im Zirkusgeschäft gewerkt hatte, spürte, wie sich seine Brust zusammenschnürte. Er keuchte kurz, räusperte sich und begann dann mit der Begrüßung. Fellini saß hinter dem Vorhang, unter der Bühne der Band und spielte mit einem Stock im Sand der Manege. Er zeichnete einen Clown mit traurigem Mund. Obwohl Fellini als trauriger Clown geschminkt war, sah er unterhaltsam aus. Früher hatte er Zeichnungen von Kindern bekommen, die ihn stets mit einem lachenden Mund zeigte. So konnte man durch die schwarz geschminkten Augenringe auch nicht sehen, dass seine Augenhöhlen wirklich dunkel waren. Die rote Blume auf seinem Hut hing etwas schlapp hinunter Sie sah nicht fröhlich aus. Der Pferdedompteur stand nur wenige Meter daneben und wippte mit der Peitsche.

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