1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 „Sie hat sich gewehrt. Sie hat überlebt. Nicht jede konnte sich so glücklich schätzen. Ich erzähle dir später alles genau.“
Ich schloss die Augen, um mich gegen den Schmerz zu wappnen, der weitaus schlimmer war, als ein paar Stichwunden. Einige meiner Leute hatten den Preis für das gezahlt, was als eine persönliche Vendetta angefangen hatte. Über die Jahre hatte es sich zu etwas viel Größerem entwickelt und das Calavera-Kartell hatte die Unterstützung von jedermann in den Badlands. Doch ich hatte sie im Stich gelassen. „Es tut mir leid“, sagte ich.
„Wir werden die Beerdigungen arrangieren“, sagte Alejo. „Sobald du dich erholt hast.“
Jetzt, wo Natalias Sicherheit gewährleistet war und meine unmittelbaren Befürchtungen abgemildert waren, drängten sich verschwommene Bilder von dem Angriff bei dem Hotel auf. Meine Wunden meldeten sich von selbst zu Wort, ziehend und pochend. In meiner Stirn breitete sich ein Kopfschmerz aus, der meinen Schädel fast zum Platzen brachte.
Ich hatte schon schlimmeres erlebt, aber dieser Angriff machte mich nervös. Ich war mir nicht sicher, wie oft der Parkwächter auf mich eingestochen hatte, aber sogar ein Mal war zu viel. Ich war nicht in der Lage gewesen, es aufzuhalten. Es hatte sich angefühlt, als dauerte der Angriff ewig, als wäre ich langsam auf der Schwelle des Todes abgelegt worden. Was hatte Max und Daniel aufgehalten?
„Warum bin ich nicht tot?“, fragte ich.
„Weil dein Angreifer tot ist.“
„Hat Max ihn erledigt?“
Alejandro zögerte. „Nein.“
„Daniel?“, fragte ich. „Ich glaube, ich erinnere mich an einen Schuss, aber ich habe das Bewusstsein verloren.“
Alejandro blickte auf den Boden, brauchte zu lange, um zu antworten.
„Was?“, fragte ich.
Er hob den Blick wieder. „Daniel ist tot. Man fand ihn um die Ecke vom Hotel. Seine Leiche ist auf dem Weg hier her, damit wir ihn ordentlich beerdigen können, zusammen mit den anderen.“
Fuck.
Mein Hals wurde eng. Es war schon eine ganze Weile her, seit meine unmittelbaren Mitarbeiter für mich eine Kugel eingefangen hatten. Die Dinge waren so schnell passiert, und dann auch wieder nicht. Es war ein organisierter Angriff gewesen. Ich ging meine letzten Momente mit Daniel im Geiste durch. Wie er mich geneckt hatte, weil ich Natalia gegenüber so überbehütend war. Seine Anspielungen, ich sei paranoid. Und doch hatte er immer genau das getan, was ich von ihm verlangte, bis zu seinem allerletzten Augenblick. „Und Maksim?“
Alejandro holte tief Luft. Sein Brustkorb hob sich. Ich versuchte, mich auf die gleiche Ankündigung vorzubereiten, aber es gelang mir nicht. Daniel war ein guter und loyaler Mann gewesen, aber Max war mehr als ein Kumpan. Er war das nächste zu einem Freund, dass ich jemals finden könnte. Wir waren von Anfang an zusammen gewesen und hatten viele geschlagen, die uns beide gern tot gesehen hätten.
Endlich atmete Alejandro aus. „Sie haben ihn.“
Ich brauchte einen Moment, diese Worte zu analysieren. Als es mir gelang, spielte das Herzfrequenzmessgerät verrückt.
„Was? Was redest du da?“
„Belmonte-Ruiz hat Max gefangengenommen. Das Gute daran ist, er lebt noch, was bedeutet, dass sie ihn brauchen. Ich habe ein Lebenszeichen von ihm.“
Ich setzte mich auf und das Blut rauschte in den Ohren. „Warum zum Teufel sitzen wir dann hier noch herum? Wir müssen ihn finden.“
Alejandros Brauen zogen sich zusammen. „Das werden wir. Aber zuerst müssen wir eine Strategie entwickeln. Und um das machen zu können, müssen wir herausfinden, warum sie versucht, oder eher laut Dr. Sosa versucht haben, dich und Max nicht umzubringen. Wenn er ein Lockvogel ist, dann müssen sie gewusst haben …“
Obwohl mein Oberkörper protestierte, schwang ich die Beine aus dem Bett und warf dabei beinahe eins der Gerätschaften herunter. „Wenn du glaubst, ich sitze hier herum, während Max in Schwierigkeiten ist …“ Ich riss mir den Tropf-Zugang aus dem Arm. „Dann kennst du mich schlecht, Alejandro. Ich würde für dich dasselbe tun.“
„Langsam, du musst dich ausruhen.“
„Sag mir nicht, dass ich mich entspannen soll.“
Alejandro schubste mich. Ich war schon so außer Atem, dass ich superleicht auf die Matratze zurückfiel. Die darauffolgenden Schmerzen reichten als Ermahnung, dass ich die Dinge immer noch schlimmer machen konnte.
„Ich würde das nie von dir verlangen. Und Max ebenso wenig“, sagte Alejandro. „Du nützt uns nichts, wenn du tot bist. Und das wirst du sein, wenn du nach Max suchst und nicht hundertprozentig auf den Beinen bist.“
„Du unterschätzt mich“, sagte ich und vergaß, meine laute Stimme zu bändigen. Mein Gesicht brannte bei dem Gedanken daran, dass Max schon über einen Tag lang weg war und wir nichts unternommen hatten.
„Du bist eine Gefahr für dich selbst und die Leute, die mit dir gehen würden“, erinnerte mich Alejandro. „Wir werden ihn befreien. Aber nicht heute.“
„Wir lassen niemanden zurück …“
Die Atmosphäre im Raum veränderte sich. Ich sah an Alejandro vorbei und meine Wut verflüchtigte sich sofort, als mein Blick auf Natalia fiel. Langes, dunkles, zerzaustes Haar. Atemlos mit rosa Wangen in einem weißen Satinmorgenmantel. Sie starrte mich an, als ob sie einen Geist sah.
„Du bist … wach.“
„Du bist am Leben.“
Natalia kam auf das Bett zu. Spürte sie auch diesen Magnetismus zwischen uns? Sie sah mich von Kopf bis Fuß an. „Und du blutest.“ Sie sah zu Alejo. „Warum blutet er?“
„Er hat versucht aufzustehen“, sagte Alejandro.
Dieser verfickte Verräter. Blut rann mir den Unterarm hinab. Ich spürte es nicht einmal. Ich wollte Natalia so schnell wie möglich in meinen Armen halten.
„Lass uns allein“, sagte ich zu Alejandro. „Ruf jeden im Haus zusammen, der kämpfen kann. Wir holen Max zurück.“
„Bei allem Respekt, Sir …“
„Du bist viel zu höflich, Alejandro. Die Antwort ist Nein“, sagte Natalia.
Ihre Stimme versagte dabei, aber nicht vor Zweifel. Ihre Stimmbänder klangen angespannt. Sie stellte sich gerade hin und jegliche Anzeichen von Unwohlsein verließen sie.
„Du wirst dieses Zimmer nicht verlassen, bevor du nicht komplett gesund bist.“
Ich blinzelte langsam. „Hast du mir gerade etwas verboten?“
„Das hat sie und sie hat recht.“ Alejandro hob das Kinn, zweifellos zufrieden darüber, dass er Unterstützung hatte. „Wir sind nicht bereit. Wir würden uns nur verwundbar für einen neuen Angriff machen und mehr Menschen einem Risiko aussetzen. Max ist sich dessen bewusst und Belmonte-Ruiz ebenfalls.“
Erschöpfung überkam mich plötzlich, zusammen mit dem Verlangen, Natalia zu versprechen, dass ich nie wieder von ihrer Seite weichen würde, solange sie mich dort haben wollte. „Berufe eine Versammlung ein“, sagte ich. Mir war noch schwindelig von was auch immer das für Medikamente waren, die man mir eingeflößt hatte. Ich konnte zugeben, dass ich nicht in der besten Verfassung war, Entscheidungen zu treffen. Aber bald. „Wir reden dann noch mal darüber.“
Alejandro verließ den Raum und ließ mich mit meiner Beschämung zurück. Mein Partner steckte meinetwegen in Schwierigkeiten und ich unternahm nichts. Und doch, Natalia war hier. Sie war in Sicherheit.
„Komm her“, sagte ich und federte meinen Befehl mit einem, „meine Liebe“, ab.
„Wie fühlst du dich?“, fragte sie, während sie langsam auf mich zukam. „Kann ich dir etwas bringen?“
Das Rasseln in ihrer Stimme vibrierte in meiner Brust. Ich konnte nicht zu ihr gehen. Ich hing immer noch an mehr als einer Maschine und selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, bewegte sich mein Körper nicht annähernd so schnell, wie ich es bräuchte. Meine Schwäche war sichtbar.
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