Um passgenaue Lösungen für diese und weitere Fragestellungen zu finden, werden die Einrichtungen vor Ort durch eine externe Beraterin oder einen externen Berater unterstützt. Der Einsatz der qualifizierten Beratungspersonen wird hinsichtlich der erforderlichen fachlichen und methodischen Expertise speziell auf die Anforderungen der Einrichtungen abgestimmt. Die Bilanz der Rückmeldungen und Erfahrungen aus den Vor-Ort-Beratungen ist durchweg positiv: Die Einrichtungen werden bei der Planung individueller Maßnahmen zielgerichtet unterstützt, Entwicklungsprozesse werden angeregt und methodische Hilfestellungen gegeben.
Entwickelt sich eine Kindertageseinrichtung zum Kinder- und Familienzentrum, verändert sich auch das Aufgabenprofil der Mitarbeitenden. Die Leitungen und Koordinatorinnen und Koordinatoren der Kinder- und Familienzentren sind dabei wichtige Schlüsselpersonen. Sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, Fachkräften eine verbindliche Orientierung für ihre Arbeit zu geben, sie in ihrer professionellen Weiterentwicklung zu fördern und sie dabei zu begleiten, eine familienorientierte Haltung einzunehmen. Eine nachhaltige Weiterentwicklung kann dann erreicht werden, wenn das gesamte Team daran mitwirkt, Lösungen und Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die zur jeweiligen Einrichtung mit ihren individuellen Voraussetzungen passen. Damit Veränderungen gelingen, muss die Leitung und/oder Koordination nicht nur geeignete Maßnahmen zur Personalentwicklung umsetzen und die interne Teamentwicklung steuern, sondern auch den Austausch und die Zusammenarbeit mit dem Träger und Kooperationspartnern fördern.
1.2.6 Herausforderungen und Chancen
Herausforderungen auf dem Weg von der Kindertageseinrichtung zum Kinder- und Familienzentrum sind neben der Entwicklung einer familienorientierten Haltung des gesamten Teams und der Erhebung, Planung und Umsetzung passgenauer, bedarfsorientierter Angebote für die Kinder und Familien der Einrichtung häufig ein Ressourcenmangel in Form von Finanz-, Zeit-, Raum- und Personalmangel.
Trotz aller Herausforderungen bietet die Arbeit als Kinder- und Familienzentrum immense Chancen. Neben Präventionsmöglichkeiten und der Förderung von Chancengerechtigkeit werden vor allem eine verbesserte Erziehungspartnerschaft sowie vielfältige Vernetzungsmöglichkeiten und dadurch entstehende Synergieeffekte bewirkt. Darüber hinaus bieten Kinder- und Familienzentren Fachkräften die Chance, ihre Kompetenzen zu erweitern und ihre Arbeitszeiten flexibler zu gestalten. Dies macht sie zu einem attraktiven Arbeitsplatz mit der Möglichkeit, den Beruf als Berufung auszuüben.
Weiterführende Informationen sowie den Qualitätsrahmen und die Förderrichtlinien zum Landesförderprogramm „Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Kinder- und Familienzentren “ unter https://km-bw.de/,Lde/Startseite/Fruehe+Bildung/Kinder-_und_Familienzentren .
2 Wissenschaftliche Grundlagen (Foto: KD4126)
2.1 Unterstützung (mehr)sprachlicher Entwicklungsprozesse in der Kindertageseinrichtung
Jens Kratzmann
Zusammenfassung: Die sprachliche Entwicklung von Kindern in Kindertageseinrichtungen (Kitas) war in den vergangenen beiden Jahrzehnten ein viel beachteter Gegenstand wissenschaftlicher und bildungspolitischer Diskussionen. Während zunächst zu Beginn des 21. Jahrhunderts Förderprogramme zur Vorbereitung auf die Schule im Fokus der Aufmerksamkeit standen, vollzog sich in der Pädagogik der frühen Kindheit ein Wandel in Richtung einer Betrachtung der Entwicklung von Kindern aus einer stärkenorientierten Perspektive. Unabhängig von dieser Stärkenorientierung ist die Unterstützung der Entwicklungsprozesse von Kindern, insbesondere mit Blick auf heterogene Entwicklungsbedingungen in der Familie, auch weiterhin eine zentrale Aufgabe der Kitas. Die pädagogischen Fachkräfte bewegen sich damit in einem Spannungsfeld, innerhalb dessen sie agieren müssen. Anliegen dieses Beitrags ist es, grundlegende Diskussionslinien zur Unterstützung der (mehr)sprachlichen Entwicklung von Kindern in Kitas nachzuzeichnen.
2.1.1 Grundlegendes zum Spracherwerb
Es steht heute kaum mehr in Frage, dass beim Spracherwerb von Kindern sowohl anlagebedingte (Inside-out Theorien) als auch umgebungsbedingte Faktoren (Outside-in Theorien) eine Rolle spielen. Die heute in der Spracherwerbstheorie dominante interaktionistische Theorie geht davon aus, dass Sprache in einem Wechselspiel aus anlagebedingten Entwicklungsprozessen und der Interaktion des Kindes mit seiner sozialen Umgebung erworben wird (Bruner, 1983; Tomasello, 2003). Zu unterscheiden sind dabei verschiedene Ebenen des Spracherwerbs. Adler (2011) differenziert bspw. die semantisch-lexikalische, die morphologisch-syntaktische, die phonetisch-phonologische und die pragmatisch-kommunikative Ebene. Die semantisch-lexikalischemeint die Fähigkeit, Wörter und ihre Bedeutung zu kennen sowie Wörter unter begriffliche Konzepte zuordnen zu können. Unter der morphologisch-syntaktischenEbene werden Kenntnisse der Struktur von Wörtern und Sätzen sowie des Zusammenfügens von Wörtern zu Sätzen verstanden. Die phonetisch-phonologischeEbene bezieht sich auf Laute als kleinste bedeutungsunterscheidende Elemente von Sprache sowie deren akustische Merkmale. Das Verstehen und Interpretieren sprachlicher und nicht-sprachlicher Inhalte in konkreten Situationen, die Fähigkeit zur situationsangemessenen Reaktion sowie sach- und inhaltsadäquate Gespräche initiieren, aufrechterhalten und zu einem Ergebnis führen zu können wird schließlich als pragmatisch-kommunikativeEbene bezeichnet.
Eine Vielzahl längsschnittlicher Studien hat Bedingungsfaktoren der sprachlichen Kompetenzentwicklung in der Kindheit und deren Wechselspiel differenziert nach Spracherwerbsebene in den Blick genommen. Sowohl individuelle Faktoren auf Ebene der Kinder, wie z. B. das Arbeitsgedächtnis, als auch Faktoren der Umgebung, wie z.B. die Qualität der Unterstützung der sprachlichen Entwicklung, zeigen sich dabei als bedeutsam. Weiter zeigen sich Zusammenhänge des sprachlichen Kompetenzstands der Kinder vor der Einschulung mit dem sprachlichen Kompetenzstand in der Grundschule (z. B. Guhn, Gadermann, Almas, Schonert-Reichl & Hertzman, 2016). Ebenso gut belegt sind Unterschiede im sprachlich-kognitiven Entwicklungsstand von Kindern, die mit der sozialen Herkunft in Zusammenhang stehen und bereits in der frühen Kindheit deutlich werden (z. B. Ip et al., 2016). Ursachen hierfür sind sowohl in den strukturellen Lebensbedingungen wie z. B. Lärmbelastungen oder der zur Verfügung stehende Wohnraum, als auch den prozessualen Entwicklungsbedingungen wie z. B. ein lernanregender Umgang mit Sprache in der Familie zu suchen (Kluczniok, Lehrl, Kuger & Rossbach, 2013; Garrett-Peters, Mokrova, Vernon-Feagans, Willoughby & Pan, 2016). Angesichts dieser Befunde wird der Unterstützung der sprachlichen Entwicklung der Kinder in der Kita eine hohe Bedeutung zugemessen. Unter anderem wird dabei der Anspruch formuliert, zu einer Verringerung von Bildungsungleichheit nach sozialer Herkunft beizutragen (Burger, 2010; Ip et al., 2016).
Bezüglich der Sprachentwicklung mehrsprachig aufwachsender Kinder zeigt die Forschung beim Eintritt in die institutionelle Kindertagesbetreuung einen niedrigeren Kompetenzstand in der Instruktionssprache1 im Vergleich zu einsprachig aufwachsenden Kindern auf (McLeod, Harrison, Whiteford & Walker, 2016; Relikowski, Schneider & Linberg, 2015). Zentral für den Sprachstand mehrsprachiger Kinder im Kindergartenalter ist die Sprachverwendung in der Familie. Die Qualität und Quantität des sprachlichen Inputs durch die Eltern steht neben dem Sprachstand auch mit der Weiterentwicklung der Sprachen der Kinder in Zusammenhang. Wie eine US-amerikanische Studie zeigte, steht mehrsprachig aufwachsenden Kindern in der Familie eine geringere Zahl von Kinderbüchern zur Verfügung als einsprachigen Kindern, außerdem finden in den Familien seltener Literacy-Aktivitäten wie gemeinsames Singen, Bücherlesen und Geschichtenerzählen statt. Dies erklärt einen großen Teil der Unterschiede bzgl. Fähigkeiten wie Schriftwissen, Buchstabenkenntnis und phonologische Bewusstheit, die zwischen ein- und mehrsprachig aufwachsenden Kindern im Kindergartenalter festzustellen sind (Feng, Gai & Chen, 2014; vgl. auch Lewis, Sandilos, Hammer, Sawyer & Mendez, 2016). Tiefer gehende Analysen zeigen aber auch einen bedeutsamen Einfluss der Geschwister und der Peer-Group auf den Spracherwerb mehrsprachig aufwachsender Kinder (Rojas et al., 2016; Hindman & Wasik, 2015).
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