Agilität ist ein Mindset, eine innere Einstellung, basierend auf den Werten und Prinzipien des agilen Manifests.
Das Herzstück der Agilität wird mit vier Werten im agilen Manifest beschrieben, über zwölf Prinzipien definiert und mit verschiedenen Rahmenwerken und Praktiken aus einem schier unüberschaubaren Werkzeugkoffer umgesetzt.
Nach Sichtung von Hunderten Ausarbeitungen aus Wissenschaft und Praxis und vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen aus der Beratung unterschiedlichster Organisationen und Menschen verwende ich am liebsten die folgende Definition, die im Hays HR-Report von 2018 vorgestellt wurde. Sie fasst aus meiner Sicht das Wesentliche gut zusammen und ist dabei konkreter und mehr »hands-on« als alle anderen Definitionen, die ich in den letzten Jahren kennengelernt habe:
»Agile Organisationen zeichnen sich durch eine hohe und schnelle Anpassungsfähigkeit an veränderte Rahmenbedingungen und Marktsituationen aus. Flexibilität hinsichtlich der Anpassungen von Produkten, Prozessen und vor allem der Mitarbeiter mit ihren Kompetenzen sind entscheidende Kriterien für erfolgreiche agile Organisationen. Agile Organisationen sind in einem hohen Grad vernetzt und die Mitarbeiter organisieren sich selbst. Zudem sind die Arbeits- und Projektteams in der Lage, in gewissem Umfang autonom Entscheidungen zu treffen. Dies erfordert eine Unternehmenskultur, die auf Vertrauen basiert – auf Vertrauen der Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern und der Mitarbeiter untereinander.« 1
Da der Fokus von Agilität auf flexiblen Vorgehensweisen liegt, die an den jeweiligen Kontext angepasst werden müssen, kann Agilität kein Pauschalrezept sein, wie etwas gemacht wird. Es gibt keine Schritt-für-Schritt-Anleitung, der man nur folgen müsste, um damit automatisch erfolgreich zu werden.
Das Konzept der Agilität bietet eher einen Rahmen, ein Mindset, bestehend aus den Werten und Prinzipien des agilen Manifests, die durch »Inspect & Adapt« in kleinen Schritten mit viel Hirnschmalz und Herzblut zum Leben erweckt und ständig weiterentwickelt werden müssen.
Agilität ist also eine Denk- und Handlungsweise, die – anders als bei klassischen Changeprojekten – nicht den Wandlungsprozess hin zu einem definierten Ziel, sondern konstanten Wandel ohne festgelegtes Ziel beschreibt.
Agilität ist auch nicht das Gleiche wie Flexibilität, denn Flexibilität wäre die Fähigkeit, wie ein Gummiband immer wieder in den Ausgangszustand zurückzuschnellen, ohne sich dabei zu verändern. Agilität ist zwar wie Flexibilität das Gegenteil von Starrheit, beschreibt aber die Fähigkeit von Unternehmen und Menschen, sich permanent auf neue Gegebenheiten umzustellen, sich zu wandeln und zu lernen, um dadurch stärker und überlebensfähig zu werden.
Im Februar 2001 trafen sich 17 Softwareentwickler in einer verschneiten Lodge in den Wasatch Mountains im US-Bundesstaat Utah. Sie wollten sich entspannen und Ski fahren, aber auch über ein anderes, besseres Arbeiten diskutieren, da sie mit den üblichen Projektmanagement-Methoden nicht zufrieden waren. Denn bei diesen war nicht vorgesehen, dass sich zwischen dem ursprünglichen Auftrag und der finalen Lieferung substanzielle Dinge veränderten. In der Arbeitsroutine der IT-Entwickler aber war es Normalität, dass während der Programmierung plötzlich neue Anforderungen an eine Software auftauchten. Deshalb suchten sie nach Ansätzen, die es ihnen ermöglichten, darauf schnell zu reagieren.
Was die Programmierer fanden, war der Startschuss für die agile Bewegung: Als »Agile Alliance« schrieben und unterzeichneten sie gemeinsam das »Manifest für agile Software-Entwicklung«, das weit über den IT-Bereich hinaus Auswirkungen auf das zukünftige Arbeiten in Organisationen haben sollte. Ihr Grundgedanke lässt sich in einem Satz zusammenfassen: »Je mehr du nach Plan arbeitest, desto mehr bekommst du das, was du geplant hast, aber nicht das, was du brauchst.« Im Kern basiert ihr »agiles Manifest« auf vier Werten, aus denen zwölf Prinzipien abgeleitet werden (im Original zu finden unter www.agilemanifesto.org ). Diese Werte sind in vier Leitsätzen formuliert, die deutlich machen, worauf es beim agilen Arbeiten in erster Linie ankommt – und worauf nicht:
1.Menschen und Interaktionensind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge.
2.Funktionierende Softwareist wichtiger als umfassende Dokumentation.
3.Die Zusammenarbeit mit dem Kundenist wichtiger als die ursprünglich formulierten Leistungsbeschreibungen.
4.Das Eingehen auf Veränderungenist wichtiger als das Festhalten an einem Plan.
Teil des Manifests ist auch das den Werten vorangestellte Statement: »Wir erschließen bessere Wege, Software zu entwickeln, indem wir es selbst tun und anderen dabei helfen. Durch diese Tätigkeit haben wir diese Werte zu schätzen gelernt« und der nicht ganz unwichtige Nachsatz: »Obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtig finden, schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein.«
Das heißt: Natürlich gibt es auch bei agilem Arbeiten Tools und Techniken, es muss dokumentiert werden, Verträge behalten ihre Wichtig- und Gültigkeit, und selbstverständlich gibt es einen Plan! Es bedeutet lediglich, dass dem vorderen (fett gedruckten) Teil der Wertepaare im Zweifelsfall Vorrang vor dem hinteren Teil eingeräumt werden soll.
1.Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Software zufriedenzustellen.
2.Heiße Anforderungsänderungen selbst spät in der Entwicklung willkommen. Agile Prozesse nutzen Veränderungen zum Wettbewerbsvorteil des Kunden.
3.Liefere funktionierende Software regelmäßig innerhalb weniger Wochen oder Monate und bevorzuge dabei die kürzere Zeitspanne.
4.Fachexperten und Entwickler müssen während des Projektes täglich zusammenarbeiten.
5.Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen, und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.
6.Die effizienteste und effektivste Methode, Informationen an und innerhalb eines Entwicklungsteams zu übermitteln, ist im Gespräch von Angesicht zu Angesicht.
7.Funktionierende Software ist das wichtigste Fortschrittsmaß.
8.Agile Prozesse fördern nachhaltige Entwicklung. Die Auftraggeber, Entwickler und Benutzer sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können.
9.Ständiges Augenmerk auf technische Exzellenz und gutes Design fördert Agilität.
10.Einfachheit – die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren – ist essenziell.
11.Die besten Architekturen, Anforderungen und Entwürfe entstehen durch selbstorganisierte Teams.
12.In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann, und passt sein Verhalten entsprechend an.
Agil ist ein Mindset
Auch wenn das agile Manifest nur über die Entwicklung von Software spricht und noch immer eine Mehrzahl an Unternehmen agiles Arbeiten zuerst oder ausschließlich in ihren IT-Abteilungen einsetzt, gibt es keinen Grund, Agilität auf die IT zu beschränken. Auch Dienstleistungen und Produkte können agil entwickelt werden.
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