Abb. 2.1: Qualitätsdomänen und Dimensionen der CLASS-Toddler
Die CLASS-Toddler ist ein standardisiertes Beobachtungsverfahren mit einer siebenstufigen Likert-Skala. Sie unterscheidet niedrige (< 3), mittlere (3–5) und hohe (> 5) Qualität, die in acht Dimensionen erfasst wird. Diese Dimensionen wiederum werden jeweils zu den zwei Qualitätsdomänen »Unterstützung von Emotion und Verhalten« und »Aktive sprachlich-kognitive Lernunterstützung« zusammengefasst (
Abb. 2.1). Die Beobachtungsübereinstimmung wurde anhand von 52 Cycles ermittelt. Diese war für die zwei CLASS-Domänen Unterstützung von Emotion und Verhalten (one-way, ICC = .59) und aktive sprachlich-kognitive Lernunterstützung (one-way, ICC = .72) für die vorliegende Stichprobe zufriedenstellend. Zur Veranschaulichung der Qualitätseinschätzung findet sich je eine beispielhafte Qualitätsdimension erläutert in Tabelle 2.1.
Tab. 2.1: Beispiele für die Qualitätserfassung mit der CLASS-Toddler
QualitätsdomäneBeispieldimensionNiedrige QualitätHohe Qualität
Anmerkungen. * Jeweils operationalisiert über verschiedene beobachtbare »behavior markers« und ausführliche Beispielbeschreibungen.
Der allgemeine Fachkraft-Kind-Schlüssel (allgemeines administratives Zuständigkeitsverhältnis für Kinder pro Fachkraft) wurde mittels Fragebogen erhoben. Weiter wurde durch die Erheberinnen und Erheber vor Ort erfasst, wie viele Kinder an der mit der CLASS beobachteten Aktivität mit der Zielfachkraft teilnahmen (Anzahl der Kinder in der Aktivität) und wie viele Fachkräfte beteiligt waren, um einen Fachkraft-Kind-Aktivitätenschlüssel zu bilden. Dieser liegt für jeden Beobachtungscycle vor und wird gemittelt über den Erhebungstag oder situationsbezogen als Einzelwert in die Analysen einbezogen.
Die Persönlichkeit der pädagogischen Fachkräfte wurde mittels einer Kurzversion des Big Five Inventory (BFI-K) bestehend aus 21 Items von Rammstedt und John (2005) erhoben. Die Fachkräfte schätzen auf einer fünfstufigen Likert-Skala (1 = sehr unzutreffend bis 5 = sehr zutreffend) ihre Persönlichkeit in den Dimensionen »Extraversion«, »Verträglichkeit«, »Gewissenhaftigkeit«, »Neurotizismus/geringe emotionale Stabilität« und »Offenheit für neue Erfahrungen« ein. Die internen Konsistenzen für die aktuelle Stichprobe waren mit einem Cronbachs α = .73 für Extraversion und α = .71 für Neurotizismus zufriedenstellend. Die Dimensionen Verträglichkeit (α = .35), Gewissenhaftigkeit (α = .44) und Offenheit (α = .33) stellten sich hingegen als nicht hinreichend reliabel in der vorliegenden Stichprobe heraus. Für die Analysen der Fragestellungen wurden daher ausschließlich die Skalen Extraversion und Neurotizismus verwendet.
Mittels der Kurzskala zur Erfassung allgemeiner Selbstwirksamkeitserwartungen (ASKU; Beierlein, Kovaleva, Kemper & Rammstedt, 2012) gaben die pädagogischen Fachkräfte auf einer fünfstufigen Likert-Skala (1 = trifft gar nicht zu bis 5 = trifft voll und ganz zu) in drei Items ihre kontextübergreifende Erwartungshaltung an, kritische Anforderungen aus eigener Kraft bewältigen zu können. Die interne Konsistenz in der vorliegenden Stichprobe betrug α = .79.
Pädagogische Orientierungsqualität
Die pädagogischen Fachkräfte wurden gebeten, Aussagen zu Erziehungszielen auf einer sechsstufigen Likert-Skala (1 = stimme nicht zu bis zu 6 = stimme völlig zu) von Keller et al. (2006) zu beurteilen. Dabei wurden die Ausprägungen auf den Subskalen Prosoziales Verhalten (5 Items, α = .81), Gehorsam (4 Items, α = .82) und Autonomie (4 Items, α = .77) untersucht.
Zur Erfassung berufsbezogener sozialer Kompetenzen wurden die Subskalen Sensitivität (12 Items) und Soziabilität (15 Items) des Bochumer Inventars zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung BIP herangezogen (Hossiep & Paschen, 2003). Die Fachkräfte schätzen auf einer sechsstufigen Skala (1 = trifft überhaupt nicht zu bis 6 = trifft voll zu) ein, inwieweit die Aussagen auf sie zutreffen. Nach Prüfung der internen Konsistenz wurde eine neue Skala für Sensitivität aus insgesamt sieben Items (sechs aus der Skala Sensitivität und eines aus der Skala Soziabilität, welches rücksichtsvollen Umgang mit anderen abfragt) gebildet, welche inhaltlich plausibel und ökologisch valide das Konstrukt Sensitivität in sozialen Interaktionen abbildet (α = .72, mittlere Item-Inter-Korrelation = .28). Für Berechnungen zum Zusammenhang zwischen pädagogischen Orientierungen und der Prozessqualität wurde die neu erstellte Skala »Sensitivität_soz« herangezogen. Die Sensitivität beschreibt ein abgestimmtes Handeln in Interaktionen und das Gespür für die Dynamik sozialer Situationen, wie z. B. das Wahrnehmen von Emotionen und Konflikten, das Einstellen auf schwer zugängliche Personen sowie auf die Bedürfnisse des sozialen Umfelds.
Zusammenhänge zwischen Strukturqualität, Persönlichkeitsmerkmalen, Orientierungsqualität und der Qualität pädagogischer Interaktionen wurden anhand von Produkt-Moment-Korrelationen nach Pearson (r) berechnet. Zur Ermittlung von Mittelwertunterschieden wurden t-Tests durchgeführt. Im Anschluss wurde anhand von Regressionsanalysen vertieft untersucht, ob und inwiefern auch die Interaktion signifikanter Bedingungsfaktoren einen Einfluss auf die Prozessqualität hat. Für die statistischen Analysen wurde die Statistiksoftware SPSS 22 (IBM, 2013) verwendet.
4 Ergebnisse
4.1 Deskriptive Ergebnisse potenzieller Bedingungsfaktoren
Strukturqualität: Der Fachkraft-Kind-Schlüssel (nach Angabe der Fachkräfte im Fragebogen) variierte stark zwischen einer Zuständigkeit für 1.60 bis 13.00 Kindern pro pädagogischer Fachkraft in den untersuchten Krippensettings (M = 5.69, SD = 1.89). Analysiert man die Ergebnisse auf Grundlage der empfohlenen Schwellenwerte nach Viernickel und Schwarz (2009) von 1:4 Kindern pro Fachkraft, so gaben nur 12.20 % der Fachkräfte im Fragebogen an, dass dieser empirisch abgeleitete Schwellenwert grundsätzlich eingehalten wird. Der von den externen Erheberinnen und Erhebern beobachtete Fachkraft-Kind-Aktivitätenschlüssel während der CLASS-Cycles (wie viele Kinder waren in die Aktivität mit der Zielfachkraft einbezogen) lag über den Vormittag hinweg durchschnittlich bei 5.25 (SD = 1.73) Kindern pro Fachkraft. Nur 25.60 % der Zielfachkräfte erreichten den Schwellenwert von bis zu 1:4, was bedeutet, dass nur wenige Fachkräfte unter den empfohlenen Bedingungen arbeiten. Der am Erhebungstag beobachtete (über den Tag gemittelte) Fachkraft-Kind-Aktivitätenschlüssel und der von den Fachkräften im Fragenbogen angegebene Fachkraft-Kind-Schlüssel zeigten keinen statistisch signifikanten Unterschied (t = -1.55, df = 40, p = .13, d = 0.24) und hingen moderat miteinander zusammen (N = 41, r = .44, p < .01). Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Personalausstattung an den Erhebungstagen relativ normal war. Betrachtet man die Bilderbuchaktivitäten als spezifische Sprachfördersituationen genauer, zeigt sich, dass es hier den Fachkräften durch Binnenorganisation (d. h. mehr Kinder im Zuständigkeitsbereich der Kolleginnen und Kollegen, dafür weniger in der Bilderbuchbetrachtung bei der Zielfachkraft) häufiger gelingt, den empfohlenen Schwellenwert einzuhalten (55.00 %). Im Durchschnitt liegt hier der Fachkraft-Kind-Aktivitätenschlüssel bei 1:3.75 (SD = 2.08).
Читать дальше