Sie solle nur getrost sein und ihm vertrauen, erwiderte der Landgraf, jedermann wisse, dass er ein besonders Vertrauter des Kaisers sei; wenn es nicht anders gehe, werde er stracks nach Prag reisen und sich strenge Befehle vom Kaiser selbst holen, die ihm schon den Weg zu ihr bahnen würden. Inzwischen solle sie auf der Hut sein und sich demütig und fügsam anstellen; denn wenn ein Lamm von einem grimmigen Hunde bewacht werde, dürfe es ihm keinen Vorwand oder Anlass geben, es zu zerreißen. Jakobe schüttelte lachend den Kopf und sagte, sie sei nicht als ein Lamm, sondern als eine Fürstin geboren.
Lange wagten sie die Unterredung nicht fortzuführen, und mit nassen Augen sah Jakobe das winzige Fahrzeug verschwinden, um das herum der breite Fluss rollte und der hohe Himmel flutete und dem der Mond als eine Fackel voranschwebte.
Der Landgraf machte sein Wort wahr und fuhr schleunig nach Prag, wo er zunächst durchsetzte, dass das Endurteil des Prozesses bis auf weiteres verschoben wurde. Wie er dies nun aber dem Kurfürsten von Köln mitteilte, meinte dieser, bedenklich seine große höckerige Nase reibend, damit sei mehr geschadet als gewonnen; denn nun würde Schenkern daran verzweifeln, mit dem Prozess sein Ziel zu erreichen, und würde auf andere Mittel denken, denen niemand begegnen könne. Er habe kürzlich vernommen, fügte er hinzu, dass Schenkern einen berühmten Arzt aus England habe kommen lassen, um den Herzog zu heilen, der so schwach im Kopfe sei wie je, mit dem er aber sicherlich etwas vorhabe, sei es, dass er ihn verheiraten oder dass er nur beweisen wolle, wie gesund er sei, seit ihn Jakobe nicht mehr verzaubern könne. Es sei zu fürchten, dass die Herzogin in den Händen der Räte nicht mehr sicher sei, und es handle sich darum, ihnen das Opfer zu entreißen. Sie durch Gewalt oder List selbst zu befreien, sei ein zweifelhaftes und hochgefährliches Werk, dessen sie sich nicht unterfangen dürften; dahingegen könne man den Kaiser vielleicht dahin bringen, dass er anordne, die Herzogin solle bis zum endlichen Austrage des Prozesses einem Unparteiischen, etwa dem Landgrafen von Leuchtenberg, zur Bewachung übergeben werden.
Das, sagte der erschrockene Landgraf, getraue er sich wohl auszurichten, und machte sich wieder auf die Reise, nachdem er Jakobe Nachricht hatte zukommen lassen, sie solle getrost sein, in Bälde werde sie aus dem Elend und der Unwürdigkeit hinausgeführt werden.
Während dieser Zeit hatte Schenkern viel Arbeit und Mühe mit Jan Wilhelm, der, da er sich vor Fremden fürchtete, in der Meinung, sie könnten ihm etwas antun, von dem englischen Arzt durchaus nichts wissen wollte. Auch Sibylle und einige von den Räten meinten, dass es eine verfängliche Angelegenheit sei, bei der man schrittweise und mit wohlüberlegten Kautelen vorgehen müsse, umso mehr, als der verschriebene Engländer ein Ketzer sei. So wurde verfügt, er müsse seine Kunst zunächst an einem anderen erweisen, wozu der Sohn einer Bürgersfrau ausersehen wurde, der nach einem schweren Fall blödsinnig geworden war und allen Besprechungen, Beschwörungen und Arzneien bisher getrotzt hatte. Es zeigte sich, dass das dem Burschen verabreichte Mittel ihm gut anschlug; ja seine Mutter und andere Zeugen fanden ihn aufgeweckter, als er jemals gewesen sei. So hinderte denn nichts mehr, es mit dem Herzog gleichfalls zu versuchen, dessen angstvollen Widerstand Schenkern dadurch überwand, dass er ihm die längst versprochene schöne Frau in Aussicht stellte, wenn er sich der Kur unterzöge, die ihn vollständig wiederherstellen würde. Doch verlangte seine Furcht noch allerlei Sicherheitsmaßregeln, worin ihn Sibylle schwesterlich unterstützte, dass nämlich der Arzt selbst, Schenkern und mehrere andere Räte zuerst von der Arznei tranken, die Jan Wilhelm einnehmen sollte. Nachdem sie sich durch Gebet und das heilige Abendmahl darauf vorbereitet hatten, würgte ein jeder seinen Anteil an dem Schleim, der widerlich schmeckte, hinunter, worauf Jan Wilhelm nach Verordnung des Arztes vierundzwanzig Stunden lang, soweit möglich ohne Ruhepause, im Zimmer auf und ab gehen musste. Auch hierbei mussten mehrere Ratspersonen gegenwärtig sein, teils um die richtige Ausführung des Geschäftes zu überwachen, teils um den Kranken durch Gespräch zu zerstreuen und durch ihr Beispiel zu ermuntern.
In dieser Arbeit war Schenkern begriffen, als das Gerücht zu ihm gelangte, der Kaiser habe befohlen, dass die Herzogin dem Landgrafen von Leuchtenberg übergeben werde, und derselbe sei schon unterwegs, um die seinem Schutz Empfohlene abzuholen. Dass er dies nicht geschehen lassen dürfe, stand Schenkern sogleich fest. Um Jakobe würden sich alle scharen, die Anspruch machten, ihm die Herrschaft zu entreißen, und vielleicht würde die Rachsüchtige ihm nun ihrerseits die Schlinge eines Prozesses drehen und um den Hals werfen. Dagegen musste er eine eilige Anstalt treffen.
Jakobe lebte unterdessen fröhliche Tage. Sie träumte davon, dass sie nun bald frei und unter Freunden sein, Neues und Schönes sehen und wieder die Huldigungen genießen würde, die einer hochgeborenen, regierenden Herrin und einem schönen Weibe gebührten. Sie malte sich auch aus, dass sie ihren Gemahl wiederhaben und ihm seine Untreue vorwerfen würde, wie sich allmählich Angst und Liebessehnsucht in seinem hübschen Gesichte ausprägen, wie er weinen, sie ihm endlich vergeben und sich von ihm liebkosen lassen würde. Oder aber es würden ihr andere, viel herrlichere Männer begegnen und ihr neue, große Beseligungen geben und ihr zu ihrem Recht und ihrer Rache verhelfen. Ungeduldig indessen war sie nicht, sondern ließ, mit Beten und Sticken beschäftigt, die feuerhellen Herbsttage mit den Fluten des Rheins unter ihrem Fenster vorbeifließen, ohne sie zu wägen oder zu zählen.
So war es denn eine nachdenkliche Sache, dass die Herzogin am Morgen des 3. September 1597 von ihrer Kammerfrau, die wie üblich in ihr Gemach kam, tot im Bette gefunden wurde; denn niemand hatte Zeichen eines Übelbefindens am vorhergehenden Abend an ihr wahrgenommen. Bevor das Ereignis noch recht bekannt wurde, ließ Schenkern das Begräbnis vornehmen, hastig und schändlich, wie es sich für geringe, namenlose Leute oder Armesünder geschickt hätte. Zweifelte nun auch niemand daran, dass es bei diesem Todesfall etwas gewaltsam zugegangen sei, so hütete sich doch ein jeder, den Verdacht öffentlich zu äußern oder gar den mutmaßlichen Mörder zur Rechenschaft zu ziehen; denn ohne Beweise hätte man sich damit in eine dornige Sache eingelassen.
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