Abb. 2: Anna-Pröll-Mittelschule Gersthofen: Behnisch Architekten, München
Deutlich zurückhaltender ist das zweigeschossige Foyer des Robert-Koch-Gymnasiums in Deggendorf (Arbeitsgemeinschaft Hornberger/Illner/Weny, Straubing, mit Dömges AG, Regensburg). Der transparente Charakter der Halle bezieht sich hier darauf, baukörperliches Bindeglied auf einem großen Campus mit vier Schulen (das Gymnasium: 900 Schüler, Fertigstellung: 2017) von ganz unterschiedlicher Ausrichtung zu sein. Die Halle, ausgestattet mit mobiler Bühne/Bühnentechnik, bietet Raum für die Veranstaltungen der Schulfamilie, wird aber auch zum Begegnungsraum zu den beiden noch anzuschließenden Berufsschulen und der Wirtschaftsschule Degendorf. Sie verbindet berufliche mit schulischer Bildung beider Sekundarstufen (vgl. Abb. 3).
Abb. 3: Robert-Koch-Gymnasium Deggendorf: Arbeitsgemeinschaft Hornberger/Illner/Weny, Straubing, mit Dömges AG, Regensburg
Im Gymnasium Donauwörth (Obel, Donauwörth)besitzt die Aula, neben den ihr zugeordneten multiplen Funktionen – inklusive zweigeschossiger Bühne und Mensa – auch eine stark ordnende Komponente. Der aus einer Berufsschule und dem gymnasialen Altbau aus den 1950er Jahren sukzessiv gewachsene Baukomplex des heutigen Gymnasiums, in dem bis zu 1.450 Schüler unterrichtet werden, entbehrte vor dem Umbau eines übersichtlichen Systems; eine räumliche Mitte fehlte. Mit dem Umbau (bis 2011) entstand ein für die Organisation des Ganzen fundamentaler und weitläufig angelegter, galerieartig eingefasster und für das soziale Gefüge der Schule wichtiger Raum, das kommunikative Herz (Wolfgang Schönig) 75der gesamten Anlage (vgl. Abb. 4).
Abb. 4: Gymnasium Donauwörth: Obel, Donauwörth
Von Klassenzimmern umgebene Foyers gibt es beim äußerst transparent wirkenden – ein roter Kubus wirkt auf dem in Glasflächen geöffneten Erdgeschoss wie schwebend – Willibald-Gluck-Gymnasium (1.400 Schüler, 2015) in Neumarkt/Oberpfalz (Berschneider & Berschneider, Pilsach). Große, freitragende Holzkonstruktionen aus gitter- und segmentbogenförmigen Brettschichtträgern überdecken zwei Lichthöfe, in die Schüler aus drei oberen Stockwerken durch gläserne Brüstungen hinein- und herabschauen können. Eine variable Möblierung lässt die rot eingefärbte Betonbodenfläche des dem Eingang nahen Atriums – sie ist Teil des schulgebäudebestimmenden Farbkonzepts 76– zur gern genutzten Aufenthaltszone werden. Das Foyer kann aber auch für Veranstaltungen umgerüstet werden. Die abgetreppte Galerie lässt sich dafür gut für weitere Sitzplätze nutzen (vgl. Abb.5). 77
Abb. 5: Willibald-Gluck-Gymnasium Neumarkt i. d. Oberpfalz
Die Möblierung von Schulen in Foyers und Atrien, also außerhalb der Klassen- und Fachsäle, muss erhöhten qualitativen Anforderungen genügen: stabil, robust, ergonomisch und flexibel aufstellbar soll sie sein. Im Gymnasium Wendelstein (Fuchs & Rudolph, München)sind in ihrer Grundform ganz vereinfachte, zur Aneignung durch die Schüler gut geeignete Möbel über das ganze Schulhaus verteilt. Sie transferieren damit den einladenden Aspekt aus Atrium und Freigelände in das ganze Gebäude. Die Einrichtung (und Infrastruktur) des Raumes ist für den Wissensprozess dabei ebenso wichtig wie seine technische Ausstattung (vgl. Abb. 6). 78
Abb. 6: Gymnasium Wendelstein: Fuchy & Rudolph, München; Fotograf: Oliver Heinl
Die Ausweitung von geöffneten, halböffentlichen Räumen innerhalb des Schulbaus etwa mit anschließenden Hofsituationen ist Teil des architektonischen Konzepts der Würmtal-Realschule in Gauting (Lamott & Lamott, Stuttgart). Hier setzt sich die Fläche eines Innenhofs – möbliert und mit einem eigenen Zugang vom Musikraum aus – nach innen als zentrale Halle fort, wo sie sowohl als Eingangshalle als auch als Zentrum der Schule fungiert. Mit den um sie zu erweiternden Räumlichkeiten für Musik und Mehrzweckaufgaben, aber auch für die Nachmittagsbetreuung und das Schülercafé, konnte so ein organisatorischer Mittelpunkt für die vielfältigen Veranstaltungsformate der Schulfamilie gewonnen werden (vgl. Abb 7).
Abb. 7: Würmtal-Realschule Gauting: Lamott & Lamott, Stuttgart; Fotograf: Werner Huthmacher
Ebenso wurde die Münchner Ernst-Barlach-Schule (Bauer/Kurz/Stockburger & Partner, München)mit großer Sensibilität entwickelt, denn von den rund 300 Schülern (zu den Ernst-Barlach-Schulen der Stiftung Pfennigparade gehören sowohl Grund-, Haupt-, Real-, und eine Fachoberschule, dazu kommen Verwaltung, Therapieräume und die Küche) nutzt etwa die Hälfte einen Rollstuhl. Im markanten, geschwungenen Neubau der Grund- und Hauptschule – er ist mit drei Geschossen um ein Stockwerk niedriger als der bestehende Baukörper – sollten daher eine auf individuelle Formen der Mobilität angelegte Infrastruktur wie auch eine lichthelle, jederzeit angenehme Raumatmosphäre angeboten werden. Das Atrium ist eine funktional sehr effiziente, in der Vertikalen durchgehend geöffnete Zone. Die Schüler erreichen sie über eine Rampe, wenn sie mit Kleinbussen oder der schuleigenen Buslinie an der Schule ankommen und die Fahrzeuge in der Unterzone verlassen haben. Vom Foyer aus führt sie der umlaufende Rampenweg zu ihren in den oberen Stockwerken gelegenen Klassenzimmern. Rampen boten in der Geschichte der Architektur von der Renaissance bis zu Le Corbusier immer wieder spektakuläre Raumlösungen, zudem ist die schräge Fläche ebenso Erschließungs- wie auch Kommunikationszone. Die Architektin und Autorin Elisabeth Blum nennt die Rampe deshalb ein Intensivierungsinstrument von Wahrnehmung (…) . 79Da sich alle Erschließungsflächen, die Spiel- und Aufenthaltsräume in Galerien zur Mittelzone öffnen, entsteht hier ein hochtransparenter öffentlicher Raum, der eine wichtige Funktion für die Organisation und das darin beheimatete soziale Gefüge einnimmt (vgl. Abb. 8).
Abb. 8: Ernst-Barlach-Schule München: Bauer/Kurz/Stockburger & Partner, München; Fotografin: Laura Reichert
Die einladende, lichterfüllte und multifunktionale, das Schulgebäude bereichernde Halle darf jedoch keine repräsentative Autonomie besitzen. Ihr Einsatz in der pädagogischen Schularchitektur schafft Vorteile für den Betrieb, erleichtert Gemeinschaft und lädt zu Aufenthalt, Handlung und Kooperation ein. Als Versammlungsstätte der Schulfamilie und der mit der Schule verbundenen Bürger*innen – heute oft kurz ‘Marktplatz‘ genannt – wird sie Teil einer eigenen, einer Schul-Ikonologie: als Hinweis auf eine wertorientiere, schülergerechte und erlebnisreich-individualisierte Pädagogik, ein neue Lernkultur 80für die Schule von morgen (und heute!).
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