Ulrich Land - Der Letzte macht das Licht aus

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Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts, ein winziges Eiland vor Norwegens Nordwestküste. Finn, der Leuchtturmwärter, und die alten Fischersleute Marit und Petter führen einen unerbittlichen Kampf gegen den Fortschritt. Finn fürchtet um seine Zukunft, denn immer mehr Leuchtfeuer werden digitalisiert. Und Petter schrumpfen unter der Hand die Fangmengen zusammen, weil die Engländer mit ihren schwimmenden Fischfabriken die Fanggründe wie mit riesigen Staubsaugern leer räumen. Wäre da noch der Fährmann Gunnar. Auch er wird mit seiner altersschwachen Fähre bald auf dem Trockenen sitzen; eine riesige Brücke soll über den Sund geführt werden. Was bleibt den Verlierern der Moderne im hohen Norden anderes, als zu ungewöhnlichen Mitteln zu greifen. Irgendjemand macht sich hin und wieder an einem der Leuchtfeuer zu schaffen. Dass dabei Schiffe in Seenot geraten und kentern, nimmt diese Person in Kauf. Oder ist das alles bloß die grausige Musik zu dem «satanischen Fest», das dem Fortschritt bereitet werden soll?

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Ulrich Land

Der Letzte macht das Licht aus

Norwegen-Krimi mit Rezepten

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Ulrich Land

Der Letzte macht das Licht aus

Norwegen-Krimi mit Rezepten

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Haftungsausschluss: Die Rezepte dieses Buchs wurden von Verlag und Herausgeber sorgfältig erwogen und geprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Die Haftung des Verlags bzw. des Herausgebers für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

© 2008 Oktober Verlag, Münster

Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung des Verlagshauses Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster

www.oktoberverlag.de

Alle Rechte vorbehalten

Satz: Anh Nguyen

Umschlag: Thorsten Hartmann und Tom van Endert

unter Verwendung eines Fotos von www.photocase.de/hui-buh

Rezepte: Ulrich Land

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund www.readbox.net

ISBN: 978-3-938568-42-2

___1.

»Wieso«, lachte Marit, »was bleibt denn von so 'm ollen Kahn, um des Himmels Willen, wenn er hier an der Brustwarze von unsrer Insel ...«

»Brustwarze? Krähenkacke noch mal.« Finn spuckte in hohem Bogen aus und traf die vorwitzig hervorquellende Quarzader, die sich diagonal über den Fels zog. Eine Quarzader, wie sie schöner und glatter kaum hätte sein können, völlig blank poliert von Marits gravitätisch ausladendem Hinterteil. Denn, sofern Wind und Wetter es zuließen, saß sie jede freie Minute hier oben auf ihrem Lieblingsfels und schickte ihre Gedanken hinaus aufs Meer. »Keine Warze, Marit, das ist ein Leuchtturm! Mein Leuchtturm.«

Aber die Alte ließ nicht locker. »Was bleibt von so 'm ollen Kahn, wenn er hier an deiner Brustwarze von unsrer Insel vorbeiöttert? Na? Was bleibt? Will ich dir sagen: 'ne Minute oder zwei das Tuckern in der Luft. Musste schon verflucht schnell hinhörn, dann is' er weg. Schon weg. Verpufft, vertrieben, spurlos, noch schneller als wie die Qualmfetzen von seinem ollen Diesel.«

»Immerhin.« Finn platzierte eine ausgedehnte Kunstpause und warf einen Blick in den späten Augusthimmel, der sich von seiner besten Seite zeigte und ein strahlendes Azurblau an den Tag legte. »Immerhin: eine Erinnerung ist der Äppelkahn. Jedenfalls wär's, wenn wirklich ein Pott vorbei gekommen und nicht bloß dir einer durchs Gehirn gestottert wär.«

»Spurlos vertrieben, sag ich, spurlos, der Rauch, das Kockern, die Erinnerung. Schon weg. Im leichten Wind. Du hast den Kopp voll Spinnkrams, Finn; als wenn dir so 'n oller Kahn, der hier vorbeifährt, als wenn der dir 'ne Erinnerung wert wär. Erzähl mir doch nix! Die Furche von dem Kahn, die er durch die gelangweilte See zieht, die weißen Gischtschnüre hinten dran. Siehstet, schon verschlungen vom Wasser, wieder verschlungen.«

»Nein, seh ich nicht. Nichts seh ich, rabenschwarze Kacke noch mal. Nichts. Hier ist die letzten sieben Stunden nicht eine einzige Schaluppe rübergezogen. Das spielt sich alles bloß in deiner alten Birne ab. Was ja wohl heißt, dass du's eben doch aus deiner Erinnerung hervorkramst, irgend 'ne Nussschale, dass da eben doch was drin ist, in der Erinnerung, ein Kutter zum Beispiel. Dein Schädel ist nicht leer, nicht so leer, wie du immer tust.«

»Du versuchst bloß, meine Laune zu retten, Finn, willst mich festhalten, dass ich nicht in hohem Bogen runterspring und mich krachen lass auf die Felsklötzer da unten, wie sie bis zum Hals im Wasser stecken, dass ich mich nicht einfach absaufen lass Hals über Kopp. Weil ich nicht mehr rauskomm unter meinem Schädeldach.« Die Alte trat Finn auf den rechten Fuß, mit dem er die ganze Zeit unwirsch auf dem Fels herum kramte und ein ums andre Moospolster von den Steinen schabte. »Lass das Grünzeugs in Ruh, Finn, und gib dir mit mir keine Mühe. Hat kein' Zweck, verstehste. Kannst mich nicht vorm Absaufen retten. Mag sein, dass es noch bisschen was dauert, bis ich keine Luft mehr krieg, aber am Wasserschlucken bin ich schon.« Marit erhob sich ächzend von dem Granithöcker, tat ein, zwei Schritte und blieb dann, den Blick aufs Meer gerichtet, abrupt stehen. »Ihr jungen Leut habt gut Reden, Finn, diese Insel, ich werd wahnsinnig, diese winzige Warzeninsel ...«

»Mann oh Mann, krieg dich ein«, murrte Finn, »schließlich hockst du dein ganzes langes Leben hier auf diesem Felsklumpatsch. Also. Was musste auf deine alten Tage so 'n Aufstand machen?«

»Recht haste. Finn, ich bin fertig.« Die Alte setzte sich wieder in Bewegung. Ihre Schritte hatten jede Zögerlichkeit verloren, sie drückte den Rücken durch und marschierte schnurstracks weiter auf dem grau-schuppigen Fels, der vorne einige zehner Meter senkrecht zum Meer abfiel und sich unten im Wasser auflöste in zahllose Granitklötze, die kreuz und quer in der Brandung lagen. Wer hier den Halt verlor, ins Straucheln kam, einen Schritt zu viel machte ... eindeutig die gefährlichste Stelle der ganzen Insel.

Seit langem hatte Finn damit gerechnet, dass es irgendwann nicht mehr damit getan sein würde, auf Marit einzureden wie auf einen kranken Gaul. Trotzdem stockte ihm jetzt, als es endgültig so weit zu sein schien, der Atem. Er hatte die Situation schon zigmal durchgespielt, aber jetzt, im entscheidenden Augenblick hatte er nicht die leiseste Ahnung, was er tun sollte. Die Alte einfach festhalten, anbrüllen? Petter zu Hilfe holen? Aber der war ja selbst ziemlich baufällig, der konnte hier nichts ausrichten. Die Gedanken schossen hinter Finns Stirn hin und her, und das Schlimmste war: er hatte keine Zeit, kein bisschen Zeit zu verlieren. Wenn's irgendwo kurz vor knapp stand, dann hier.

»Doch, Marit, genau!«, brüllte er plötzlich los, ohne dass er wirklich gewusst hätte, wie der Satz weiter, geschweige denn zu Ende gehen sollte. »Du musst auf deine alten Tage noch so 'n Aufstand machen. Schnell noch, jetzt. Bevor's zu spät ist. Walhalla muss sich noch bisschen was gedulden, bis du kommst. Hast noch schnell was zu erledigen. Kann noch 'n Weilchen dauern. Ich brauch dich noch, Marit. Du musst mir helfen. Du bist die Einzige, die mir helfen kann. Wir müssen den Leuchtturm hier retten. Hörst du. Allein krieg ich das nicht hin.«

Die Alte war stehen geblieben und drehte sich langsam um.

»Es wird Herbst, Marit.«

Finn wusste, dass er jetzt so selbstverständlich wie möglich tun musste, sich also um Himmels Willen nicht weiter um sie scheren durfte. Er stand auf und ging den kurzen, aber steilen Weg zum Leuchtturm hinauf, den Blick starr auf seine Füße gerichtet. Obwohl nicht die geringste Gefahr bestand, ins Stolpern zu geraten. Er kannte den Weg mit jedem Knorz und jedem Buckel; tausendmal gegangen in den letzten Jahren. Warum, verdammt noch mal, hatten sie ihn hierhin verfrachtet? An dieses letzte oder vielleicht vorletzte Ende der Welt. Und das direkt nach der Ausbildung. Wenn er als Kandidat aus dem letzten, dem allerletzten Jahrgang der Leuchtturmwärterausbildung überhaupt noch eine Chance haben wolle, in diesem Beruf Fuß zu fassen, bevor man auch noch die letzten Leuchttürme automatisiert haben würde, hatte man ihm bedeutet, dann müsse er die Gelegenheit beim Schopf fassen und die vakant werdende Stelle auf den Vesterålen annehmen. Sein Beruf sei ja bekanntlich ein Auslaufmodell, und da müsse man eben nehmen, was man kriegen könne. Außerdem: so er sich dort oben in dieser zerfaserten Schärenwelt, auf einer der abgelegensten Inseln des Archipels bewähren würde, stünde seiner weiteren Karriere mit Sicherheit nichts mehr im Wege. Jetzt, 1980, waren zwar bereits vier lange Jahre – oder waren's schon fünf? – ins Land gegangen, ohne dass sich karrieremäßig irgendein Sprung nach vorne abgezeichnet hätte, aber gut, ihm selbst machte das ja weiter nichts aus, er hatte sich schließlich diesen Beruf ausgesucht, war im Grunde seines Herzens überglücklich, sich den Traum seiner Kindertage erfüllt zu haben. Und was raue Verhältnisse anlangte, da war er hart im Nehmen.

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