Wunibald Müller
Der Letzte macht das Licht aus?
WUNIBALD MÜLLER
Der Letzte macht
das Licht aus?
Lust auf morgen in der Kirche – eine Ermutigung
echter
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2017
© 2017 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: wunderlichundweigand.de(Foto: gettyone)
Satz: Hain-Team ( www.hain-team.de)
eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim ( www.brocom.de)
ISBN
978-3-429-04392-6
978-3-429-04934-8 (PDF)
978-3-429-06354-2 (ePub)
Inhalt
Vorwort
I. TEIL
1. Kapitel: Der Letzte macht das Licht aus
2. Kapitel: Dazu stehen: Wir befinden uns in einer Krise
3. Kapitel: „Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Licht sehen wir das Licht“ (Psalm 36,10)
II. TEIL
4. Kapitel: Lust auf morgen – eine Ermutigung wider die Angst
5. Kapitel: Ein Glaube, der uns vertrauensvoll über das Wasser gehen lässt
6. Kapitel: „Seht, ich mache alles neu“
III. TEIL
7. Kapitel: Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten
8. Kapitel: Transparent sein
9. Kapitel: Wahrhaftig leben heißt, zu unserer Menschlichkeit stehen
IV. TEIL
10. Kapitel: Ego-Kirche und Selbst-Kirche
11. Kapitel: Wenn Ego-Kirche und Selbst-Kirche miteinander tanzen
12. Kapitel: Gott innerhalb und außerhalb der Kirche entdecken
Epilog
Literatur
Vorwort
Ich habe in den vergangenen 25 Jahren als Leiter des Recollectio-Hauses kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht nur von außen, sondern auch von innen kennenlernen dürfen und bin auf diese Weise auch mit innerkirchlichem Leben und seiner Wirklichkeit, die sich nicht selten von dem äußeren Schein unterscheidet, vertraut geworden.
Auf diesem Hintergrund will ich einige spirituell und psychologisch ausgerichtete Anregungen machen, wie die Kirche mit der augenblicklichen Situation umgehen kann, vor allem aber auch, wie die Mitglieder der Kirche, die kirchlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen psychologisch und spirituell damit zurechtkommen können. Ich kann keine Rezepte anbieten, auch keine scharfsinnigen Analysen vortragen, gar Lösungen anbieten, wie es angesichts dieser Situation weitergeht oder weitergehen könnte. Ich will Mut machen, die Wirklichkeit nicht auszublenden, sondern sich ihr schonungslos zu stellen, ohne sich von ihr total herunterziehen zu lassen. Denn es gibt auch nach wie vor viel Schönes, das uns aufbaut, wenn wir einen Blick dafür haben oder uns den Blick dafür bewahrt haben. Bis dahin, dass wir vielleicht sogar, wenn wir genau hinschauen, sehen und entdecken, was wir bisher übersehen haben, weil wir uns von einem falschen Licht haben blenden lassen.
Während ich das schreibe, taucht ein Traum aus der vergangenen Nacht in mir auf. Ein Priester fragt mich, ich glaube, es ist sogar der Regens eines Priesterseminars, ob wir denn damit rechnen können, in Zukunft überhaupt noch Priester zu haben, und ich antworte und ich weiß nicht, woher ich diese Zuversicht nehme, dass ich fest daran glaube. Es ist eine Gewissheit, die sich nicht an den Realitäten festmachen lässt, sondern die aus einer anderen Quelle gespeist wird. Diese Quelle, die man auch als Glaube oder Hoffnung bezeichnen kann, die uns das Evangelium schenkt und von der wir uns nicht abbringen lassen (vgl. Kol 1,23), ist mehr denn je gefragt, wenn man Ausschau danach hält, wie es in der Kirche weitergehen soll. Sie kann eine hilfreiche Quelle sein, wenn man sie nicht dazu benutzt, die Wirklichkeit zu beschönigen, notwendigen Veränderungen aus dem Weg zu gehen und Luftschlösser zu bauen oder es sich dort gemütlich zu machen. Wir benötigen sie, um mit ihrer Hilfe das anzugehen, was wir angehen müssen, um dem wieder näherzukommen, worum es uns, worum es der Kirche letztendlich geht.
Da das, was und worüber ich schreibe, mich selbst als Christ und Katholik betrifft, der sich viel in der Kirche engagiert hat, kann ich nicht nur aus einer vornehmen Distanz heraus darüber schreiben. Vielmehr muss ich und will ich das als Betroffener entsprechend engagiert angehen. Ich will ja mit meinen Ausführungen auch dazu beitragen, dass es weitergeht mit der Kirche, das grundsätzliche Potenzial, das sie hat, genutzt wird, vielleicht sogar ausgelöst durch die Krise, in der sie sich befindet, noch besser als das bisher geschehen ist.
Die Überlegungen, die ich hier vorstelle, habe ich zum Teil das erste Mal auf Einladung des damaligen Bischofsadministrators der Diözese Limburg, Weihbischof Grothe, und des Personalchefs der Diözese, Georg Franz, vor den Priestern und Diakonen der Diözese Limburg und auf Einladung von Stadtdekan Johannes zu Eltz vor kirchlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Stadtdekanats Frankfurt vorgetragen. Ihnen verdanke ich auch den Titel des Buches. Mein Dank geht auch an Heribert Handwerk, der mich dazu ermutigt hat, die Überlegungen weiter auszuführen und in Buchform zu bringen.
Wunibald Müller
I. TEIL
1. Kapitel
Der Letzte macht das Licht aus
Die alte Kirche verabschiedet sich
Der inzwischen 80-jährige kirchliche Würdenträger bleibt mit einer Selbstverständlichkeit in seinem Bischofshaus wohnen, auch wenn er nicht länger aktiver Bischof ist. Alle um ihn herum wundern sich, viele empören sich und sind entsetzt. Doch er scheint es nicht zu merken. So sehr hat das Anspruchsdenken, das er von seinem Amt herleitet, von ihm Besitz ergriffen. Er ist nicht länger in der Lage, sich auf die gleiche Ebene mit den anderen zu stellen. Der spirituellen Herausforderung, die für ihn darin bestehen könnte, sich zurückzuziehen, loszulassen, endlich den Weg nach innen anzutreten, stellt er sich offensichtlich nicht. Dabei hat er sich große Verdienste erworben, auf die er dankbar zurückblicken kann. Die Vollendung seines Lebens, so mein Eindruck, würde für ihn darin bestehen, sich jetzt von der inneren Sonne wärmen zu lassen und nicht länger von der äußeren, die ihm nicht geben wird, was er vielleicht immer noch von ihr erwartet.
Was mich erschreckt, ist, wie leicht man sich anscheinend selbst etwas vormachen kann. Da ist es dann auch nicht man selbst, der die Entscheidung trifft, weiterhin im Bischofshaus zu wohnen, sondern das Domkapitel. „Ohne mein Zutun“, so sagt er, tut er das. Als müsste man ihn deswegen fast bedauern. Auch sei er natürlich nur aus Pflichtbewusstsein Bischof geworden und nur auf Bitten des Papstes mit 75 nicht zurückgetreten. Warum kann er nicht dazu stehen, dass natürlich auch er genau das wollte. Er gekränkt war, dass er nicht in einer größeren Bischofsstadt Bischof geworden war. Er tödlich beleidigt gewesen wäre, hätte der Papst ihn nicht gebeten, mit 75 weiterzumachen. Er über einen sehr ausgeprägten Ehrgeiz verfügt und durchaus auch autoritäre und klerikale Züge bei sich kennt.
Ich schwanke zwischen innerer Empörung und Traurigkeit. Empörung steigt in mir auf, weil hier jemand sein Amt, aber auch seine Popularität missbraucht, um sich Vorteile daraus zu erwerben, dies aber vehement abstreiten würde, würde man ihm das so sagen. Er offensichtlich nicht (mehr) spürt, wie unglaubwürdig er wird. Wie er wohl auch vorher nicht mehr mitbekommen hat, wie viele in seiner Diözese auf diesen Augenblick gewartet haben, dass endlich ein neuer Bischof kommt, der dann auch wirklich in der Diözese anwesend ist, der nicht ständig zu spät kommt, der nicht Versprechungen macht, die er nicht einhält, der alles besser weiß, der Probleme einfach weglacht. Das alles darf sein und ist menschlich. Entscheidend ist, dass es mir bewusst ist und ich dazu stehe.
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