Und das war durchaus ein kluger Schachzug, denn als Cheflektor Kurt Bernhardt erfuhr, dass der Autor von »Sternenkämpfer und Raumpiraten« einen Proberoman verfasste, reagierte er zunächst mit einem heftigen: »Was? Dieser Schmierfink?!« Doch die einfühlsame Schilderung der handelnden Figuren und die Dichte des Geschehens überzeugten auch den erfahrenen Lektor. Am 16. Oktober 1962 unterschrieb er den Vertrag für »Der falsche Mann«. Der junge Autor war vor Freude fassungslos, und Scheer nannte den frischgebackenen Kollegen noch dreißig Jahre später »meinen Schüler Willi Voltz«.
Das Exposé zum betreffenden Roman wurde erst nachträglich geschrieben. Scheer versah das fertige Manuskript, als die Durchschläge allen Mitarbeitern zugeschickt wurden, mit dem Hinweis: »Bei dem vorliegenden Roman handelt es sich um jenen Rhodan-Band, der von Willi Voltz anhand eines Separatexposés probehalber geschrieben wurde. Der Roman ist qualitativ gut, weshalb er auch vom Verlag angenommen wurde.« Aber das so genannte Separatexposé gab es überhaupt nicht. Der junge Voltz hatte den Roman anhand der Notizen geschrieben, die er während der Besprechungen in Friedrichsdorf gemacht hatte.
Der Roman erschien am 2. März 1963 als PERRY RHODAN-Band 74, »Das Grauen« – und seitdem gehörte William Voltz fest zum Autorenteam.
Kurzbiografie: William Voltz
Wilhelm Karl Voltz, genannt WiVo, wurde am 28. Januar 1938 in Offenbach bei Frankfurt am Main geboren. Die Mutter war Erzieherin und Kindergärtnerin, der Vater wirkte bei der Firma ATE unter anderem an der Entwicklung von Bremsanlagen mit und arbeitete als Dachdecker. Nach der Volksschule wechselte Voltz auf das Leibniz-Gymnasium in Offenbach, bevor die Familie vor dem Bombenhagel nach Hainhausen flüchtete. Dem Willen der Mutter zufolge, die 1952 an Brustkrebs starb, sollte er eigentlich Theologie studieren, begann aber zwei Jahre nach ihrem Tod, als der Vater erneut geheiratet hatte, eine Lehre als Stahlbauschlosser. Aus Widerwillen arbeitete er lieber als Vorzeichner und Kranführer. Für den Wehrdienst wurde er zwar wegen Farbenblindheit und eines falsch zusammengewachsenen Fußes für untauglich befunden, aber weil er den Dienst an der Waffe als überzeugter Pazifist aus ethischen Gründen ablehnte, beharrte er auf einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Er gewann das erforderliche Verfahren und leistete Ersatzdienst als Sanitäter.
Bereits als Schüler war Voltz begeisterter Leser der von Darlton herausgegebenen UTOPIA-Heftreihen und wurde 1956 – ein Jahr nach der Gründung – eines der ersten Mitglieder des SFCD. Als im folgenden Jahr mit »Lockende Zukunft«, herausgegeben von Heinz Bingenheimer, die erste deutsche SF-Anthologie erschien, waren neun der 35 Beiträge von ihm. Im Sommer 1958 gründete er – mit K. H. Scheer als Präsident – die »Stellaris« Science Fiction Interessengemeinschaft, für die er die Chefredaktion des Fanzines STELLARIS übernahm. Sein erster Roman, im Herbst desselben Jahres als Leihbuch erschienen und 1959 als UTOPIA-Heft 200 nachgedruckt, wurde vom SFCD zwar zum schlechtesten Roman des Jahres gewählt, doch kurz darauf errang Voltz den ersten Preis des Kurzgeschichtenwettbewerbs der SSFI, und 1961 ehrte der SFCD ihn für seine Erzählungen als besten Autor des deutschsprachigen Fandoms.
Nach seinem Einstieg bei PERRY RHODAN mit Band 74, »Das Grauen«, etablierte er sich schnell als Stammautor, und ab 1969 war er auch an der Schwesterserie ATLAN beteiligt. Zunächst schrieb er parallel an beiden mit, später zeichnete er bei ATLAN »nur« noch für die Exposés verantwortlich. 1973 startete DRAGON, die erste deutsche Fantasy-Serie, mit einer Trilogie von ihm, und 1980 brachte er als Exposé-Redakteur den Nachfolger MYTHOR auf den Weg. Im September 1978 war der erste PERRY RHODAN SILBERBAND erschienen, für den er neunzehn Bände lang die Originalhefte bearbeitete – auch indem er sie von den gelegentlichen Tendenzen der Sechzigerjahre befreite. Damals erkrankte Voltz an einem Gewächs, das seine Bauch-Aorta umschloss, hielt dies aber geheim. Er konzipierte die Serie, deren Exposés er als offizieller Nachfolger von K. H. Scheer seit Band 648 schrieb, bis weit in die 1200er Bände hinein und baute Thomas Ziegler als Nachfolger auf, der gemeinsam mit Vlcek sein Erbe antrat. Sein letzter PERRY RHODAN-Roman war Heft 1165, »Einsteins Tränen«.
Voltz hat neben Scheer und Darlton die PERRY RHODAN-Serie als Person sicher am nachhaltigsten geprägt. Sein Tod am 24. März 1984 hätte fast das Ende der Serie bedeutet, und unermesslich war die menschliche Lücke, die er hinterließ.
Perry Rhodans Sohn
Die Leser mussten jedoch nicht auf den Erstlingsroman von William Voltz warten, um eine personelle Überraschung zu erleben, auch wenn sie vorerst inhaltlicher Natur war. In der Vorweihnachtszeit 1962 wurde in Heft 67, »Zwischenspiel auf Siliko V«, vermutlich auf Betreiben Kurt Brands Thomas Cardif vorgestellt, Perry Rhodans Sohn aus seiner Ehe mit Thora. Einundzwanzig Jahre lang war der junge Raumkadett des Solaren Imperiums in dem Glauben aufgewachsen, einen arkonidischen General zum Vater zu haben. Als er im Handlungsjahr 2041 anlässlich seiner Volljährigkeit die Wahrheit erfährt, wendet er sich hasserfüllt gegen Rhodan. In seiner Machtbesessenheit will er sich zum Herrscher von Arkon aufschwingen und wird schließlich im Interesse der Menschheit mit einem Hypnoseblock versehen, so dass er das Wissen um seine Vergangenheit wieder verliert.
Durch das Eingreifen der Antis erhält Cardif sein Wissen zurück und gibt sich vier Jahre später dem Geistwesen ES gegenüber als sein eigener Vater aus, um den Zellaktivator in Empfang zu nehmen. Dieser ist jedoch auf Rhodans Individualimpulse abgestimmt, und so quillt Cardif unförmig auf und wird fast zweieinhalb Meter groß. Bei der Konfrontation mit seinem Vater in Heft 116, »Duell unter der Doppelsonne«, geht der Zellaktivator schließlich auf diesen über – Rhodans Sohn stirbt.
Kurt Brand, der Cardif nach Scheers Exposé in die Serie einführte und ihn hauptsächlich schilderte, hatte andere Erwartungen in diese Figur gesetzt. Noch in den Achtzigerjahren erklärte er, dass er mit ihrer Entwicklung sehr unzufrieden gewesen sei. »Während ich im Urlaub war, hat man mir Rhodans ersten Sohn zum Verbrecher gemacht, das hat mir bis heute nicht geschmeckt, das sollte er nicht werden.«
Erinnerungen eines Autors: Wie ich zur Science Fiction kam – von William Voltz
Mein Interesse an der Science Fiction erwachte eigentlich durch eine ganz ähnliche Serie, wie PERRY RHODAN sie zu Beginn war, durch JIM PARKER. Sie war ein sehr schwacher Versuch gewesen, SF in Deutschland zu etablieren, mit Kriminalromanen, die im Weltraum spielten und nicht über den Bereich des Mondes hinausgingen. Ich las von diesen Romanen ein gutes Dutzend, verlor dann aber rasch das Interesse, weil ich feststellte, dass sie nach einem gewissen Schema geschrieben waren und der Phantasie deshalb nicht den Anreiz boten, den ich mir wünschte.
Dann kamen die ersten Übersetzungen angelsächsischer SF-Romane in Deutschland auf den Markt, und es wurde sehr deutlich, dass ein großer Niveauunterschied zwischen JIM PARKER und diesen Romanen bestand. Mein Interesse an der SF wurde damals neu geweckt, und ich trat einer Interessengemeinschaft bei. Die Leute, die dort Mitglied waren, trafen sich regelmäßig jede Woche, um über Probleme zu diskutieren, die im SF-Rahmen behandelt werden. Und es wurden Kurzgeschichtenwettbewerbe veranstaltet, an denen ich mich beteiligte, teilweise sogar mit recht gutem Erfolg, so dass eines Tages der Inhaber einer Buchgemeinschaft an mich herantrat und mich fragte, ob ich mich nicht an einem Roman versuchen wollte. Das habe ich dann auch getan. Der Roman – er hieß übrigens »Sternenkämpfer« – war erfolgreich, und so bin ich zur PERRY RHODAN-Serie gestoßen, zunächst als Autor. Die Serie hat sich dann weiterentwickelt, und so hat es sich ergeben, dass ich inzwischen für die Handlung oder den Handlungsverlauf verantwortlich bin. Das ist eine Arbeit, die mir sehr viel Spaß macht, aus dem einfachen Grund, weil ich dabei meine Phantasie voll ausleben kann.
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