Ende April 1979 flog Prince nach Los Angeles, um dort mit der Arbeit an seinem zweiten Album zu beginnen – diesmal im Alpha Studio, das im Haus des Toningenieurs Gary Brandt untergebracht war, eines Freundes von Bob Cavallo. Warner Bros. zeigten sich bereit, auf einen übergeordneten Produzenten zu verzichten; beim Label hatte man keinerlei Bedenken, was seine Professionalität oder seine technischen Fähigkeiten betraf, und man hatte zudem erkannt, dass er gegen Feedback immun war, sobald er das Gefühl hatte, dass es von Leuten kam, die ihn überwachen sollten.
Diesmal ging Prince ganz anders an die Produktion heran als noch bei For You. Statt über jedes Detail nachzugrübeln und die Songs mit Overdubs zu überfrachten, arbeitete er diesmal schnell und effektiv, hielt die Arrangements schlicht und überschaubar und stellte die Basistracks in nur einem Monat fertig. Er hatte erkannt, dass David Rivkin und die anderen Recht damit gehabt hatten, dass For You überproduziert war und dass seine neue Musik freier und frischer klang.
Die Grundlagen des neuen Albums waren bereits erstellt, als die Arbeiten ins Hollywood Sound Recorders verlegt werden mussten, weil Brandts Studio anderweitig gebucht war. Dort sollte der hauseigene Toningenieur Bob Mockler mit Prince arbeiten, und in nur wenigen Wochen wurden die Titel mit Overdubs versehen und abgemischt. Der Sound war zwar diesmal erfrischend wenig überladen, klang aber immer noch sehr nach typischem R & B; Prince wollte diesmal nicht experimentieren, er wollte einen Hit. „Als Konkurrenten betrachteten wir Michael Jackson und Kool & The Gang, und ich glaube, das war nicht zu hoch gegriffen“, erklärte Mockler.
Prince und Warner Bros. einigten sich darauf, „I Wanna Be Your Lover“ als erste Single vorab auszukoppeln, und als der Titel im August 1979 erschien, gab er Prince genau den Karriereschub, den er gebraucht hatte. Der Song kletterte die Soul-Singles-Charts hinauf und war noch immer im Aufstieg begriffen, als das neue Album mit dem schlichten Titel Prince im Oktober veröffentlicht wurde. „Lover“ kam schließlich im Dezember bis auf Platz 1 der Soul-Charts und wurde für eine Million verkaufter Exemplare mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Außerdem erreichte es Platz 11 der Pop-Singles-Charts. Auch das Album verkaufte sich gut und kam bis auf Platz 3 in den Soul-Charts und bis auf Platz 22 in den Pop-Album-Charts; Anfang 1980 war auch hier die Goldauszeichnung fällig. Es erhielt viel mehr Aufmerksamkeit in den Medien als For You, und viele Kritiker bemerkten lobend, dass es einen angenehmen Kontrast zum aalglatten R & B der Endsiebziger bot. „Hier wird alles auf ein Minimum reduziert, was in der Discomusik heutzutage eine Seltenheit ist“, schrieb John Wall im Melody Maker. Stephen Holden erklärte im Rolling Stone: „Prince strotzt vor Hooklines, die ein breites Spektrum von Einflüssen erkennen lassen – von den Temptations über Todd Rundgren bis zu Hendrix.“
Gegenüber For You war das Album eine große Weiterentwicklung. „I Wanna Be Your Lover“ und „I Feel For You“ waren packende und lockere Popsongs mit starken Melodien. Das heftige „Sexy Dancer“ und der lange instrumentale Ausklang von „I Wanna Be Your Lover“ wiesen bereits in Richtung des improvisationslastigen Funk, der den Achtzigerjahresound von Prince entscheidend prägen sollte. Die Liebesballade „It’s Gonna Be Lonely“ war mit ihren vielschichtigen Harmonien ergreifender als alles auf dem ersten Album. Eine weitere Ballade, „When We’re Dancing Close And Slow“ war zwar in musikalischer Hinsicht weniger überragend, aber insofern interessant, als der Titel einem Song von Joni Mitchell entlehnt war, „Coyote“ vom 1976 erschienenen Album Hejira.
Später hatte das Album Prince einen bescheidenen Einfluss auf die R&B-Szene. Der Popsong „I Feel For You“ wurde 1984 ein Hit für Chaka Khan, die damit in den USA bis auf Platz 2 der Pop-Singles-Charts kam. Die Handschrift von Balladen wie „Still Waiting“ und „It’s Gonna Be Lonely“ konnte man später im Werk von Achtzigerbands wie Boyz II Men und New Edition wiederfinden.
Für Prince war kurzfristig jedoch besonders wichtig, dass dieses Album sein Ansehen bei Warner Bros. vergrößerte, wo man ihn nun als aufsteigenden R&B-Star betrachtete. Und nach einem weiteren Showcase für die Labelchefs, diesmal in Los Angeles, kamen Waronker und Ostin zu dem Schluss, dass er und die Band jetzt zu einer Tour bereit waren. Im November 1979 begann eine kurze Konzertreise mit dem bekannten Line-up: Chapman und Fink an den Keyboards, Dickerson an der Gitarre, Cymone am Bass und Rivkin am Schlagzeug. Der Kartenverkauf lief recht unterschiedlich. Während der Auftritt im Roxy in Los Angeles ausverkauft war, kamen zum Gig in Dallas nur etwa zwanzig Leute – aber das Selbstbewusstsein von Prince als Livemusiker stieg enorm. Wenn er zwischen Keyboards und Gitarre hin- und herpendelte und dabei geschickte Tanzbewegungen machte, erinnerte er an Stars wie James Brown oder Jimi Hendrix.
Zwar stieg die Band überwiegend in bescheidenen Hotels ab, aber das Leben on the road bot trotzdem viel Spaß. Prince war inzwischen mit seinen Kollegen warm geworden und entwickelte sich allmählich zum Spezialisten für kleine Streiche. „In diesen frühen Tagen haben wir eigentlich dauernd gelacht“, erinnert sich Dickerson. Allerdings hatten seine Späße – wie die Aktion mit Owen Husneys Kleidern, die Tommy Vicari so erschreckt hatte – oft einen morbiden, bitteren Beigeschmack. So machte sich die Band beispielsweise gern auf Flughäfen einen Spaß daraus, sich den ersten Rollstuhl zu kapern, den man erwischen konnte, und Prince nahm darin Platz. Er setzte sich dann eine schwarze Sonnenbrille auf und saß mit leerem Gesichtsausdruck, als sei er gerade ins Koma gefallen, da. Dann zogen sich die Bandmitglieder zurück, bis es aussah, dass man einen Invaliden in der Halle sich selbst überlassen hatte. Prince ließ sich dann nach vorn sacken und sabberte sogar, woraufhin sich regelmäßig eine schockierte Menge einfand. Daraufhin tauchten auch die anderen Musiker wieder auf, versuchten sich das Lachen zu verkneifen und taten so, als würden sie ihm zu Hilfe eilen.
Leider musste die Tour nach einem Konzert am 2. Dezember in New Orleans abgebrochen werden, als Prince krank wurde und eine leichte Lungenentzündung bekam. Er erholte sich jedoch schnell, und Anfang Januar hatte ihm sein neues Management bereits wieder hochkarätige Fernsehauftritte in Shows wie Midnight Special und American Bandstand gebucht, in denen sich Prince als schwer fassbare und geheimnisvolle Persönlichkeit präsentierte. Am Abend vor dem Auftritt bei American Bandstand gab er seinen Musikern die Anweisung, mit keinem Wort auf die Interviewfragen zu antworten. Als Showmaster Dick Clark Prince Fragen zu seiner Karriere stellte und wissen wollte, wie lange er schon Musik machte, hielt der Musiker lediglich vier Finger hoch. „Er hatte sich überlegt, dass er Clarks Spiel nicht mitspielen wollte so wie die anderen Idioten, die bei dieser Show auftreten“, sagte ein Bandmitglied. „Er wollte einen coolen und distanzierten Eindruck machen.“
Falls es zuvor noch nicht offensichtlich gewesen war, so wurde den anderen Musikern spätestens jetzt klar, dass die Zurückhaltung, die Prince oft an den Tag legte – sei es gegenüber den Warner-Mitarbeitern, Fans und Bewunderern oder eben Dick Clark –, kein Teil seines Wesens war, sondern vielmehr ein strategisches Mittel, um andere auf Abstand zu halten. Er dominierte andere nicht mit herrischen Rüffeln oder rhetorischen Spitzfindigkeiten, sondern mit Schweigen und Distanz. Jedes Bandmitglied musste früher oder später die Erfahrung machen, dass er diese Taktik auch gegen sie einsetzte.
Die Tour ging schließlich weiter, und es gab zudem Konzerte mit dem populären Funk-Star Rick James, bei dem Prince im Vorprogramm auftrat. Die Kombination aus einem etablierten Veteranen und einem interessanten Newcomer war ein Leckerbissen für Fans und wurde von den Promotern als „the battle of funk“, die Schlacht des Funk, angekündigt, was dazu beitrug, zwischen beiden Bands eine gewisse Rivalität zu schaffen. Oft waren die knappen, energiegeladenen Auftritte von Prince attraktiver als James’ langatmige Zweistundenshows. „Wir waren jung und hungrig und rückten ihm ganz schön auf den Pelz“, erinnerte sich Rivkin.
Читать дальше