Ben Redelings
Fußball ist nicht das Wichtigste im Leben …
Es ist das Einzige
VERLAG DIE WERKSTATT
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.ddb.deabrufbar.
2. Auflage 2009
Copyright © 2008 Verlag Die Werkstatt GmbH,
Lotzestraße 24a, D-37083 Göttingen
www.werkstatt-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt
ISBN 978-3-89533-660-7
Inhalt
001 Warum Henry Maske ein Fußballfan wurde
002 Bist du Schalker, oder wat?
003 Der Latino-Lover Christoph Daum
004 Der bärtige Superman aus Uerdingen
005 Die Haare zwischen den Zähnen eines Bayern-Stars
006 Matthäus und das Meeresrauschen
007 Unerwartete Fanpost für Herrn Christoph Biermann
008 Bin bis fünf Uhr früh in meiner Stammkneipe zu erreichen
009 Born to be wild mit Peter N.
010 Reime auf eine glorreiche Zukunft
011 Der König vom Revier
012 Ein Frauenklo in Duisburg
013 Ich war früher immer für Willi Lemke
014 Du bist genauso lustig wie der Mario Barth
015 Berti Vogts, Daniel Kehlmann, Hape Kerkeling und ich
016 Ahli sagt doch noch nicht Tschüss
017 Seine Berührungen brachten mich zur Ekstase
018 „Mach’s uns, BVB“
019 Wie ein Tim-Wiese-Bierbecher uns Bochumer endlich erlöste
020 Wolfgang Kleff gibt das Züchten von Blumen auf
021 Sepp Herberger holt seine Frau Ev von der Fensterbank herunter
022 Rolf Schafstalls Hoffnung auf ein vernünftiges Abendessen
023 Stefan Kuntz’ heimliche Liebe zu Kai Pflaume
024 Das Schild in den schönen Farben Blau und Weiß
025 Calli macht mir ein fantastisches Angebot
Danke
Der Autor
„In meinem Leben spielen drei Dinge eine wichtige Rolle:
Fußball, Bier und Frauen. Und zwar genau in dieser Reihenfolge!“
Rod Stewart(englischer Musiker,
als er noch ein bisschen jünger war als heute)
„Es ist schon verrückt, was der Fußball aus mir macht.“
Oliver Kahn(in seiner aktiven Zeit)
„Ich bin nicht Stiller!“
Max Frisch(in: Stiller, 1954)
Warum Henry Maske ein Fußballfan wurde
Das ewige Gelübde hatte damals genau drei Monate gehalten. Italien war unverdient und erschummelt Weltmeister geworden, und ich hatte mir wie Millionen anderer geschworen, mindestens ein Jahr lang keine Pizza zu essen. Ein schwacher Moment des Hungers hatte schließlich gereicht, um mich wieder in die behaarten Arme von Luigi zu treiben. Lange genug hatte er mich sehnsüchtig und mit traurigen Augen an seinem grün-weiß-rot gestreiften Ladenlokal vorbeilaufen sehen. Diese Zeit lag nun schon fast ein Jahr hinter uns, und so konnten Henk und ich beruhigt in Luigis kleine Taverne zum Mittagessen einkehren.
Henk ist mein Freund seit Grundschultagen und verdient sein Geld mittlerweile als Videokünstler. Dass es das wirklich als Beruf gibt, wusste ich vorher auch nicht, aber das muss nichts heißen, schließlich hätte ich auch nie gedacht, dass ich im Jahr 2007 noch einmal eine ganze Nacht lang mit meinem VfL Bochum von der Deutschen Meisterschaft würde träumen dürfen.
Den Vormittag über haben Henk und ich verzweifelt versucht, einige Szenen für meine neue Video-Kolumne in den Kasten zu bekommen. Ein revolutionäres Internetformat, das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen wird. So war es wenigstens gedacht. Doch nachdem ich einige Moderationssätze in die Kamera gesprochen hatte, fiel mir ein Sprachfehler auf, den ich bis jetzt noch nicht an mir wahrgenommen hatte. Ich hörte mich an wie die RTL-Moderatorin Katja Burkhard an besonders guten Tagen. Die S-Laute kamen mir einfach nicht fehlerfrei über die Lippen. Mein Lispeln benetzte nicht nur das Kameraobjektiv mit einer klebrigen Speichelspur, sondern hob auch die Mundwinkel von Henk zu einem nicht zu übersehenden Schmunzeln. Wenn ich nach einem Moderationspart wieder einmal frustriert, aber dennoch hoffnungsvoll fragte, ob es denn nun wenigstens ein bisschen besser gewesen sei, konnte sich Henk das Lachen nur schwer verkneifen. Trotzdem haben wir einfach weitergemacht und alle vorgesehenen Szenen abgedreht, bis uns der Hunger zu Luigi trieb.
Kaum haben wir die Eingangstüre der italienischen Taverne hinter uns geschlossen und einen ersten Blick auf die Speisekarte geworfen, spult Henk gewissenhaft seinen berühmten Standardsatz ab: „Die haben aber ganz schön angezogen, was?!“ Henk meint natürlich die Preise. Doch die sind bei Luigi schon kurz nach der Währungsreform, gemeint ist die von 1948, nicht mehr verändert worden. Dieses Argument bessert Henks Laune jedoch nicht im Geringsten auf, und so lade ich ihn für seine Mithilfe beim Dreh großzügig ein, was der Videokünstler mit einer ebenso großzügigen Aufstockung seiner geplanten Bestellung freudig zur Kenntnis nimmt. Wahrscheinlich hat ihn mein Gerede von den dicken Gehältern der Bundesligastars ganz kirre gemacht. Ich nehme mir vor, beim nächsten Mal etwas mehr über Frauenfußball zu sprechen. Und vielleicht beiläufig die Prämie der Nationalspielerinnen für den EM-Gewinn 1989, ein Kaffeeservice, zu erwähnen. Demut und Bescheidenheit haben bekanntlich noch nie jemandem geschadet, und ich möchte schließlich nicht, dass Henk vom Fußball endgültig ein falsches Bild bekommt. Denn wirklich Ahnung hat er davon nicht. Er ist ja schließlich Videokünstler.
Um halb vier sind wir mit Bochums bekanntestem Fußballfan nach Herbert Grönemeyer verabredet. So jedenfalls titulierte das Fußballmagazin „11Freunde“ Frank Goosen. Der Autor und VfL-Fan hat beim Öffnen der Tür natürlich ein Telefon am Ohr. Immer busy, der Mann. Wenn die Position von Reiner Calmund nicht schon so fest in den Geschichtsbüchern der Bundesliga verankert wäre, könnte ich mir Goosen dort als einen attraktiven Platzhalter für die Rolle des geschäftstüchtigen Liga-Schwergewichts vorstellen. Wobei der Vergleich natürlich rein figürlich schon etwas hinkt. Wer Calmund einmal leibhaftig vor sich hatte, fragt sich nämlich augenblicklich, welch unglaubliche Spannkräfte Hosenträger doch entwickeln können. Als ich ihn kurz vor der WM 2006 in einem einzigen Wortrausch auf einem Fankongress in Bonn gesehen habe, war ich froh, als er wieder weg war. Ich saß nämlich in der ersten Reihe. Gebannt hielt ich die Kamera auf den schwitzenden Rheinländer, beobachtete irritiert, wie er ständig seine Anzughose hochzog, und fürchtete bei dem sicherlich in Kürze eintretenden Total-Kollaps unmittelbar vor meinen Augen, ihm als Erste Hilfe eine feuchte Mund-zu-Mund-Beatmung verpassen zu müssen. Dazu ist es damals Gott sei Dank nicht gekommen. Aber während der nächsten Tage habe ich mir immer wieder vorgestellt, wie ihm die attraktive dunkelhaarige Assistentin im Dienstwagen beim Wechseln des nassgeschwitzten Hemdes hat helfen müssen. Eine Prozedur, die sich am Tage wahrscheinlich häufiger vollzog. Nimmt man eigentlich nicht ab, wenn man so aktiv ist und schwitzt?
Goosen hat endlich das Telefon beiseitegelegt und die VfL-Kaffeetassen herausgeholt. Henk mustert das großzügige Wohnzimmer und den anliegenden Garten. Er hat eine Idee, wo man die Kamera am günstigsten aufbauen kann. Goosen hat eine andere. Ich lasse die beiden diskutieren und entscheide mich schließlich für eine dritte Lösung, die ich beiden danach in einem Einzelgespräch quasi als ihre eigentliche Idee verkaufe. Alle sind zufrieden, und wir beginnen mit dem Interview.
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